Die Energiewende nimmt auch auf dem Boden Fahrt auf. Die Solarcomplex AG mit Sitz in Singen plant unterhalb des Rebbergs und nördlich der Bahnlinie zwischen Stahringen und Radolfzell einen Solarpark mit Photovoltaikmodulen auf einer Fläche von insgesamt rund 60.000 Quadratmetern, die Leistung der Anlage wird mit sechs Megawatt angegeben. Der Ausschuss Planung, Umwelt und Technik hat den Bebauungsplan gebilligt und damit das Projekt auf den Weg gebracht.
Jährlicher Ertrag von sechs Millionen Kilowattstunden
Die Stadt Radolfzell profitiert mehrfach von der Anlage. Als Mehrheitsgesellschafter der Stadtwerke kann sie auf einen zusätzlichen Lieferanten mit erneuerbarer Energie zählen. Solarcomplex will den gewonnenen Strom aus den Solarmodulen komplett an die Stadtwerke Radolfzell liefern. Der Leiter der Projektentwicklung Jörg Dürr-Pucher rechnet mit einem jährlichen Ertrag von sechs Millionen Kilowattstunden.
Die Anlage soll über eine Erdverkabelung mit dem Netzverknüpfungspunkt der Stadtwerke angeschlossen werden. Zudem steht im Raum, die Stadt Radolfzell nach den Möglichkeiten des Erneuerbaren Energiegesetzes mit 0,2 Cent pro eingespeister Kilowattstunde zu beteiligen. Für die Stadtkasse wäre das dann eine Zuwendung in Höhe von rund 12.000 Euro im Jahr.
FDP-Mann findet‘s schade um die Landschaft
Nur Stadtrat Richard Atkinson (FDP) mäkelte in der Sitzung ein bisschen an dem Projekt herum. „Wie jetzt die Landschaft aussieht“, jammerte der Liberale an den Solarmodulen herum, wo bisher meist nur der Mais sproß. Man müsse sich schon überlegen, wo man die Freiflächen mit solchen Anlagen zubaue und ob die Solaranlagen nicht besser auf Dächer aufgehoben seien, klagte Atkinson: „Es ist ein Schaden für die Landschaft.“
Das sah nicht nur Oberbürgermeister Simon Gröger entschieden anders: „Es stimmt, wir haben auf Dachflächen Potenziale. Aber ohne die Freiflächen-Anlagen werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen.“
Die Sache mit den Dächern
Projektleiter Jörg Dürr-Pucher hat nach der Sitzung auf SÜDKURIER-Anfrage hin den Platzbedarf für die Stromgewinnung mit Solaranlagen auf Dächern berechnet. Dort bräuchte man für die gleiche Leistung 30.000 Quadratmeter Dachfläche für die Module. „Auf Dächern sind aber auch immer Hindernisse wie Fenster, Lüftungen, Schornsteine, Oberlichter. Deshalb bräuchte man sicher mehr als 40.000 Quadratmeter Dachfläche für eine Leistung von sechs Megawatt“, sagt der Projektleiter von Solarcomplex.
Er nennt noch einen Vergleich: Herkömmliche Photovoltaikanlagen auf Privathäusern erreichen im Schnitt eine Leistungsspitze von sechs Kilowatt. „Man bräuchte also die Dächer von 1000 Wohnhäusern, um den gleichen Stromertrag wie in dem geplanten Solarpark zu erzielen“, sagt Jörg Dürr-Pucher.
Die Freiflächenanlage im Brandbühl braucht netto mit knapp 50.000 Quadratmetern mehr Platz als eine Dachanlage, weil sie auf Ständern mit Zwischengängen installiert wird. Dafür bleibt der Boden unversiegelt, unter den Modulen sprießt die Wiese. In der Gesamtfläche von 60.000 Quadratmetern sind auch die Abstandsflächen zur Kreisstraße und zum Siebachgraben an der Bahnlinie eingerechnet.

Die Kreisstraße zwischen Reute und Stahringen wird für die Anlagenbauer zur technischen Herausforderungen. Das Straßenbauamt verlangt einen durchgängigen Abstand von 15 Metern zu den Solarmodulen, auch falls auf diesem Verbindungsweg mal ein Radweg gebaut werden soll. Diese Abstandsregel gilt auch für den Waldrand. Zudem wird in einem Gutachten ein Blendschutz für die Verkehrsteilnehmer gefordert, die von Stahringen kommend den Hang hinunter direkt auf die Module schauen.
Der Blendschutzzaun wird hoch
Als möglicher Blendschutz entlang der Straße, aber auch entlang der Bahnlinie, um die dortige Wohnbebauung abzuschirmen, kommen mehrere Lösungsmöglichkeiten infrage. Grundsätzlich wird die Verwendung von reflexionsarmen Solarpanelen empfohlen. Entlang der Kreisstraße soll aber auch ein Gewebezaun aufgestellt werden, ähnlich dem, der vor der Solaranlage an der Autobahnauffahrt Stockach West schon steht. Die Wohnbebauung an der Bahnlinie soll durch einen Gehölzgürtel abgeschirmt werden.
Die drei bis vier Meter hohen Zäune sollen im Solarpark Brandbühl aber nicht bis zum Boden reichen, kleinere Tiere wie Fuchs und Hase müssen unter ihnen hindurchschlüpfen können. Den Blendschutz hätten die Radolfzeller Stadträte insgesamt statt nur mit Zäunen doch gerne etwas eleganter gelöst. Christof Stadler (CDU) fragte: „Geht es nicht auch mit Hecken?“ Siegfried Lehmann (Freie Grüne Liste) pflichtete bei: „Das mit den hohen Zäunen müsste doch anders zu machen sein.“ Auch hier hat Solarcomplex signalisiert, dass man mit Hecken und Gehölzen den Eindruck der rein technischen Sichtblende durch die Plane abmildern will.
Von Schafen und Bäumen
Insgesamt bewertet die Stadt die ökologische Perspektive gut, wie Olga Gozdzik von der Bauverwaltung berichtete. Statt einer intensiven landwirtschaftlichen Nutzung bekämen die Flächen Zeit sich zu erholen. Doch die Grundstückseigentümer wollen das Gelände nicht einfach brach liegen lassen, sie planen zwischen den Panelen eine Beweidung des Grünlands mit Schafen. Auch Streuobstbäume sollen dort, wo es sich anbietet, gepflanzt werden.
Anmerkung der Redaktion: In der ersten Fassung haben wir einen Ertrag von 60.000 Kilowattstunden aufgrund einer falschen Umrechnung angegeben.