„Das wahre Drinnen ist draußen“ – es ist ein Motto, wie es passender fürs Hausherrenfest eigentlich nicht gewählt werden konnte, an dem nicht nur die Radolfzeller, sondern auch Besucher und Zurückgekehrte in der Altstadt und am See zusammenkommen und seit einigen Jahren auch das Hochamt am Sonntag im Freien auf dem Marktplatz gefeiert wird.
Ausgerechnet Letzteres war aber in diesem Jahr nicht möglich. Während im vergangenen Jahr der Himmel noch rechtzeitig aufgerissen war, wollten sich die Wolken an diesem Sonntag nun nicht verziehen und nachdem es am Morgen auch noch leicht zu regnen begonnen hatte, musste das Hochamt spontan doch nach drinnen ins frisch sanierte Münster verlegt werden. Dem Motto widerspreche das aber trotzdem nicht, befand Pfarrer Heinz Vogel. Auch im Münster konnte gemeinsam gefeiert werden. Hunderte Gottesdienstbesucher füllten die Bänke, darunter neben Oberbürgermeister Simon Gröger und Bürgermeisterin Monika Laule auch Gemeinderäte sowie Abgeordnete.
Zieht sich die Kirche nach drinnen zurück?
Dennoch: „Es hätte durchaus seinen Reiz gehabt, draußen zu sein“, räumte der diesjährige Festprediger Michael Knaus ein. Er war aus Hechingen angereist, künftig werden ihn jedoch wesentlich kürzere Distanzen von Radolfzell trennen: Im Rahmen der Kirchenentwicklung 2030 wird er voraussichtlich im kommenden Jahr die Stelle als leitender Pfarrer der Seelsorgeeinheit Hegau antreten.
In seiner Predigt ging er auf die Bedeutung des „Draußen“ ein. Die Kirche habe sich in den vergangenen Jahrzehnten aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Zwar würden die Gotteshäuser wie das Radolfzeller Münster die Ortsbilder nach wie vor prägen. Aber als Menschen und Institution sei man zögerlicher und zurückhaltender geworden. „Mit uns können immer weniger Menschen unserer Zeit etwas anfangen“, resümierte Michael Knaus.
Das Hausherrenfest als Gegenbewegung
Das Hausherrenfest setze hier „einen bemerkenswerten Akzent in eine andere Richtung“. Nicht nur bei der Hausherrenprozession dränge es die Menschen nach draußen in die Stadt, auch am Montag ziehe es die Mooser auf den See und hinüber nach Radolfzell. Gemeinschaft also auch außerhalb des weltlichen Festteils.
Michael Knaus zeigte dabei Parallelen zum Verhalten Gottes selbst auf: Auch dieser sei hinausgegangen, sei Fleisch geworden und habe sich unter die Menschen begeben – mit allen Konsequenzen. Auch die Radolfzeller Hausherren selbst sowie Bischof Radolt seien diesem Beispiel gefolgt, seien „nicht in der Komfortzone geblieben“, so Knaus. Stattdessen hätten sie sich der Welt gestellt – so, wie diese eben sei.
Schlussendlich forderte der Festprediger die Zuhörer auf, diesen Impuls, diese Bewegung nach draußen, aus dem Hausherrenfest mitzunehmen. Zwar werde sie im Alltagstrubel schnell wieder erlahmen, schlimm sei das aber nicht. „Jeder noch so kleine Impuls wird nicht vergebens sein“, beteuerte Michael Knaus. Und im kommenden Jahr werde es mit dem nächsten Hausherrenfest auch wieder eine neue Chance geben, in Bewegung zu kommen.

Nach draußen geht es trotzdem noch
In Bewegung kam schließlich auch die Gottesdienstgesellschaft, als es mit der Hausherrenprozession auch wortwörtlich nach draußen in die Stadt ging – dann zwar noch immer bei bewölktem Himmel, allerdings lediglich vereinzelten Regentropfen.