Wenn Georg Lautenschläger, Leiter des Radolfzeller Polizeireviers, auf die Kriminalstatistik des vergangenen Jahres blickt, wirkt er eigentlich zufrieden. Zwar stieg die Zahl der Straftaten in seinem Revierbereich von 2021 auf 2022 von 1520 um rund drei Prozent auf 1567 an. Aber das liege noch immer deutlich unter dem Fünf-Jahres-Schnitt von 1748 Straftaten pro Jahr. Und: „Das ist geringer als erwartet“, sagt Lautenschläger mit Blick auf die weitreichende Normalisierung nach der Corona-Pandemie über die Zahlen von 2022.
Im vergangenen Jahr habe es wieder zahlreiche große Veranstaltungen gegeben, in Radolfzell etwa das Hausherrenfest, Rock am Segel und das Open See Festival. „An Großveranstaltungen passiert einfach was“, erklärt Georg Lautenschläger – schließlich kommen dafür viele Menschen zusammen. Und auch generell seien durch die Lockerungen der Corona-Regeln im vergangenen Jahr wieder mehr Menschen auf den Straßen unterwegs gewesen. Dies führe unter anderem zu mehr Diebstählen und Sachbeschädigungen an öffentlichen Plätzen.
In Öhningen und Moos sanken die Zahlen
Bei einem Blick auf die einzelnen Gemeinden im Zuständigkeitsbereich des Radolfzeller Polizeireviers fällt allerdings auf, dass lediglich in Radolfzell und Gaienhofen eine Zunahme der Straftaten zu verzeichnen ist. In Radolfzell gab es so im vergangenen Jahr 1350 Straftaten – 45 mehr als im Vorjahr. In Gaienhofen waren es 94 und damit 28 mehr als noch 2021. Zugenommen haben in beiden Gemeinden unter anderem Diebstähle. In Gaienhofen waren es 21 und damit fünf mehr als im Jahr zuvor und in Radolfzell mit 569 Diebstählen sogar 159 mehr.
Besonders deutlich ist in Radolfzell die Zahl der Fahrraddiebstähle angestiegen. 207 solcher Fälle verzeichnet die Polizei – 99 mehr als noch 2021. „Das ist schon überdurchschnittlich“, sagt Georg Lautenschläger. Aber auch das sei unter anderem auf das geänderte Freizeitverhalten nach der Pandemie zurückzuführen: Wenn mehr Menschen mit ihren Fahrrädern zu Veranstaltungen oder Ausflugszielen, etwa Freibädern, fahren und diese dort abstellen, bieten sich für Diebe eben mehr Gelegenheiten.
In Moos und Öhningen waren es 2022 dagegen mit 57 und 66 Straftaten weniger als 2021. Damals wurden in Moos noch 63 Straftaten und in Öhningen 86 Straftaten verzeichnet. Dabei ist auch in Moos die Zahl der Diebstähle von 12 auf 16 gestiegen. In Öhningen dagegen waren es mit 19 Diebstählen 2022 sogar fünf weniger als im Vorjahr. Allerdings bewegen sich laut Georg Lautenschläger die Entwicklungen in allen Höri-Gemeinden „im normalen Rahmen“, es gebe keine besonderen Auffälligkeiten.
Einbruchsserie in den Radolfzeller Ortsteilen
In Radolfzell sticht dagegen beim Blick auf die Kriminalstatistik besonders eine Entwicklung ins Auge: So verzeichnet die Polizei in der Stadt und den Ortsteilen 17 Wohnungseinbrüche – zehn mehr als 2021 und fünf mehr als im Schnitt in den vergangenen fünf Jahren.
Eine Rolle bei dieser Entwicklung spielte laut dem Revierleiter zwar auch, dass sich im Gegensatz zu den Pandemie-Jahren 2022 Menschen etwa durch weniger Homeoffice wieder seltener zuhause aufhielten. Für die hohe Zahl der Einbrüche gebe es aber vor allem einen anderen Grund: „Wir hatten eine kleine Serie im Bereich der Ortsteile“, sagt Georg Lautenschläger.
Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen
Tatsächlich hatte die Polizei 2022 immer wieder von Einbrüchen in den Ortsteilen berichtet, unter anderem wurden Geld und Schmuck gestohlen. Zehn Fälle im vergangenen Jahr würden der Serie zugeordnet. „Auffällig war, dass es immer der gleiche Modus Operandi war“, so Lautenschläger – also immer gleich vorgegangen wurde. Auch seien die Örtlichkeiten – die Taten hätten an abgelegenen Orten ereignet – aufgefallen. „Da liegt der Verdacht nahe, dass sich da jemand darauf spezialisiert hat.“
Einen Mann, der für zwei Einbrüche in Radolfzell verantwortlich war, sei sogar festgenommen und deshalb und wegen weiterer Straftaten zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Allerdings sei ihm eine Beteiligung an der Einbruchsserie nicht nachgewiesen worden. Und es sei auch fraglich, ob er damit etwas zu tun hatte, so Lautenschläger – denn die Einbrüche seien nach seiner Festnahme weitergegangen.
In diesem Jahr hätten sich bereits vier neue Einbrüche in Radolfzell ereignet, die zur Serie passen würden. „Die Ermittlungen laufen nach wie vor“, berichtet Georg Lautenschläger deshalb. Man sei unter anderem dabei, Funkzellendaten auszuwerten.
Weniger Rauschgiftkriminalität?
Und auch für eine weitere Auffälligkeit hat Georg Lautenschläger eine Erklärung: dass nämlich die Rauschgiftkriminalität im Zuständigkeit des Radolfzeller Polizeireviers um fast 31 Prozent im Vergleich zu 2021 zurückging. 106 Fälle verzeichnet die Polizei noch im Jahr 2022 – allerdings bedeutet das nicht, dass es nicht mehr Verstöße gab. „Rauschgiftkriminalität ist eine Hohlkriminalität“, erklärt Georg Lautenschläger. Heißt: Solche Fälle werden nicht angezeigt, sondern werden durch polizeiliche Maßnahmen, also etwa Kontrollen, bekannt.
Und im vergangenen Jahr habe es eine personelle Umstrukturierung bei Rauschgiftermittlungen gegeben, weshalb im Zuständigkeitsbereich des Radolfzeller Polizeireviers weniger Kontrollen stattgefunden hätten. Harte Drogen, also etwa Crystal Meth, würden hier aber tatsächlich kaum eine Rolle spielen, so Georg Lautenschläger. Überwiegend würden bei Rauschgiftfällen leichte Drogen, also etwa Marihuana, gefunden.
„Wir sind hier in einer sicheren Gegend“
Allgemein zieht Lautenschläger aber eine positive Bilanz für Radolfzell und die Höri: „Wir sind hier in einer sicheren Gegend“, sagt er und verweist auf die Häufigkeitszahlen in der Region. Damit gemeint ist die Anzahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner. In Radolfzell lag dieser Wert im Jahr 2021 bei 3625 – und damit deutlich unter dem Wert des gesamten Landkreises. Dieser beträgt 4979.