Eine rot gefärbte Bank mit der Aufschrift „kein Platz für Gewalt gegen Frauen“ steht im Hafen von Gaienhofen. Auf der Bank ist der Schatten einer Frau abgebildet. Seit vergangenem Donnerstag, 4. Mai, steht sie dort – und hat eine wichtige Botschaft. Die Farbe Rot soll an das Blut von geschlagenen Frauen erinnern, erklärt Marie Schumann von der Konstanzer Beratungsstelle „Frauen helfen Frauen in Not“. Der Schatten steht für sämtliche Frauen, die der Gewalt von Männern zum Opfer gefallen sind und deren Platz für immer leer bleibt.

Erstmals wurde eine solche rote Bank in der italienischen Stadt Perugia aufgestellt. La Panchina Rossa nannte sich dort die Aktion von Frauen, die 2016 auf die beängstigend hohe Zahl an häuslicher Gewalt gegen Frauen aufmerksam machten. Nun steht eine rote Bank für zwei Wochen an einem der prominentesten Orte in Gaienhofen. Sie soll das Problem der Gewalt an Frauen aus der Tabuzone heraus in das Licht der Öffentlichkeit führen und ein Appell an die Gesellschaft sein, erklärt Marie Schumann.

Jede vierte Frau wird Opfer von körperlicher Gewalt

Die Beratungsstelle bietet Hilfe und Unterstützung für Frauen an, die von körperlicher, seelischer und sexualisierter Gewalt sowie von Gewalt im Namen der Ehre und von Stalking betroffen sind. Zur Gewalt im Namen der Ehre gehört Zwangsverheiratung sowie der Ehrenmord. Ehrenmord und Femizid seien die brutalste Form von häuslicher Gewalt, erläutert Marie Schumann. Doch es gebe schon zuvor viele brutale Stufen der Gewalt.

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Claudia Nicolay, ebenso Mitarbeiterin bei der Beratungsstelle, erklärt, dass in Deutschland jede vierte Frau zumindest ein Mal im Leben körperliche Gewalt durch den Partner, den Ehemann oder Ex-Partner erlebt. Eine weitere Studie, die 2014 europaweit durchgeführt wurde, habe gezeigt, dass es auch in anderen europäischen Ländern ähnlich hohe Zahlen an Gewalt geben würde.

Die Höhe der statistischen Zahl hänge einerseits vom dort herrschenden Frauenbild sowie von den Rechten der Frauen ab, aber auch vom Grad, wie stark Gewalt gegen Frauen gesellschaftlich tabuisiert, geduldet oder geächtet werde, erläutert Claudia Nicolay.

113 Frauen im vergangenen Jahr durch Partner getötet

Es gebe viele Aspekte, weshalb Frauen nicht beim ersten Anzeichen aus einer Gewaltbeziehung entfliehen. Ein äußerer Grund könne der Verlust des Bleiberechts, beispielsweise für geflüchtete Frauen, sein, weil es an die Heirat gebunden sei. Sogenannte „natürliche innerliche Faktoren“, wie sie Claudia Nicolay beschreibt, können in familiären Erfahrungen liegen. Wenn beispielsweise der Frau als Kind oder Jugendliche von den Eltern Gewalt vorgelebt wurde und sich Gewalt als das „natürliche“ Mittel der Lösung von Konflikten eingeprägt habe. Ein weiterer innerer Faktor könnten die Gefühle für den gewalttätigen Partner sein.

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Die Gewalt in der Partnerschaft sei daher ein unglaublich komplexes Thema, so Schumann. Denn es gebe eine Spirale der Gewalt. Sie fange schonend an, sodass man zu Beginn gar nichts bemerken würde. Nach der ersten Eskalation käme eine Phase der Versöhnung, bei der ganz viel versprochen werde. Dann würde der Prozess von vorne beginnen. Dabei ergehe es den Frauen tendenziell immer schlimmer. Der Prozess müsse nicht immer tödlich enden, so Nicolay. Doch im vergangenen Jahr seien in Deutschland 113 Frauen dadurch getötet worden.

Frauen in Isolation besonders gefährdet

Für die Frauen gebe es keine bewusste Entscheidung für ein Leben mit der Gewalt und in einer Isolation, erläutert Schumann. Dieser Prozess sei ähnlich aufgebaut wie bei Abhängigkeiten: Sie passieren schleichend. In den Beratungen stellte Claudia Nicolay Folgendes fest: Je länger es eine subtile Abwertung geben würde und je länger die Frau in Isolation ohne Freundinnen und Familienmitglieder lebt, umso gefährdeter ist sie.

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Marie Schumann appelliert daher auch an die Nachbarschaft: „Schauen sie nicht weg. Seien sie aktiv, aufmerksam und hören sie zu.“ Sie empfiehlt, bei Gewalt den Notruf an die Polizei lieber einmal zu viel als zu wenig zu rufen. Denn die Frauen in Gewaltbeziehungen würden bereits in einer Isolation leben, bei der von außen niemand an sie herankäme. Mit dem Auftauchen der Polizei könnte erstmals diese Blase gebrochen werden.

Polizeistreifen kämen zu zweit. Sie machen ihren Job und trennen beide voneinander. Wenn sie feststelle, dass Gewalt und Verletzungen vorliegen, dann könne sie den Täter für vier Tage aus der Wohnung verweisen. Sei die Frau einverstanden, dass die Polizei der Beratungsstelle „Frauen helfen Frauen in Not“ eine Meldung gibt, fange deren Arbeit an.

Bürgermeister Maas unterstützt Aktion

Als Bürgermeister Jürgen Maas von der Beratungsstelle auf die Aktion der roten Bank angesprochen wurde, sagte er der Hilfsorganisation spontan zu. Er habe zwar keine Zahlen oder Überblick darüber, ob das Thema in Gaienhofen aktuell sei. Doch darum würde es nicht gehen. Da die häusliche Gewalt hinter verschlossenen Türen stattfindet, wolle er das Thema in das Licht rücken.

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Es gebe im Landkreis Konstanz auch eine Häufung schrecklicher Vorfälle bis hin zum Tod, erklärte Maas. Das sei sein Impuls für die Teilnahme an der Aktion gewesen. Auf der roten Bank stehe eine Internet-Adresse, so Maas. Wenn nur eine Nachbarin, ein Nachbar oder eine von Gewalt betroffene Frau ermutigt werde, Hilfe zu holen, sei die Aktion von Wert gewesen.