Auch Tage nach der Nachricht, dass der Automobilzulieferer BCS Automotive Interface Solution Ende 2024 seine Niederlassung in Radolfzell endgültig aufgeben wird, ist die Bestürzung groß. Mehr als 600 Arbeitsplätze werden wegfallen, sollte das Werk schließen. Betriebsrat, Belegschaft und Gewerkschaften legen nun ihre Hoffnung auf die Kommunalpolitik, sie zu unterstützen.

SPD zeigt sich solidarisch mit Belegschaft

Der SPD Ortsverein Radolfzell erklärt sich in einer Pressemitteilung solidarisch mit der BCS-Belegschaft und bietet im Kampf um alle bedrohten Arbeitsplätze jede mögliche Unterstützung an. Die Schließung der Niederlassung schwäche den Industriestandort Radolfzell, denn nicht nur würden nun weniger Fachkräfte in die Region gelockt werden, auch Ausbildungsplätze würden wegfallen.

Laut SPD dürfe die Belegschaft nicht für das Missmanagement büßen. „Der Ortsverein der SPD möchte gemeinsam mit allen Beschäftigten, dem Betriebsrat und der IG Metall für eine gesicherte Zukunft aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sorgen“, schreibt Niklas Heilmann, Sprecher der SPD Radolfzell.

CDU appelliert an die Chefetage

Die beabsichtigte Schließung von BCS in Radolfzell hatte auch die CDU-Fraktion und den Stadtverband tief betroffen gemacht, schreiben diese in einer gemeinsamen Stellungnahme. Die Lage bei BCS hätte in den vergangenen Monaten eher hoffnungsvoll geklungen, so die Meinung der CSU. Die neue Kantine sei eingeweiht und die neue Siebdruckmaschine in Betrieb genommen worden, was eine Millionen-Investition gewesen war.

Blick in die Produktionshalle von BCS Radolfzell.
Blick in die Produktionshalle von BCS Radolfzell. | Bild: BCS

Die CDU-Fraktion plus Stadtverband appellieren nun an die Besitzerin und das Management, diese Entscheidung zu überdenken und ernsthaft nach Alternativen zur Schließung zu suchen. Der Standort Radolfzell zeichne sich durch seine qualifizierten Mitarbeitenden aus, in Zeiten von Personal- und Lieferengpässen drohten so wertvolle Kenntnisse verloren zu gehen.

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„Das Engagement und nicht zuletzt der Lohnverzicht haben gezeigt, dass die Beschäftigten sich einbringen – so etwas darf man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen“, schreibt Christof Stadler stellvertretend für die CDU in Radolfzell. Dies müsse bei den kommenden Verhandlungen eine gewichtige Rolle spielen. Man wolle BCS Radolfzell nicht aufgeben und den Wirtschaftsstandort Radolfzell stärken.

FDP hofft auf einen Sozialplan

Weniger überrascht über die geplante Schließung von BCS Radolfzell zeigt sich der FDP Ortsverband. Schon länger hätte sich das Gerücht gehalten, die BCS Besitzer aus China sähen keine Zukunft am Standort Radolfzell. „Das Problem bei allen Zulieferern ist unsere Schlüsselindustrie in Deutschland und im Speziellen das Autoland Baden-Württemberg“, schreibt Jürgen Keck für die FDP Radolfzell. Seit Jahren läge der Fokus der Politik auf Elektromobilität, die dann im Ausland produziert und verkauft werde. Auch nach China.

Einblick in die Produktion am BCS-Standort Radolfzell
Einblick in die Produktion am BCS-Standort Radolfzell | Bild: Becker, Georg

Groß sei die Betroffenheit, weil es nicht nur um 600 Menschen ginge, die ihren Arbeitsplatz verlören, sondern auch deren Familien, die hinter den BCS-Mitarbeitern stehen. Viele Mitarbeiter wären seit Jahren und Jahrzehnten in dem Unternehmen und die FDP hoffe, dass es einen auskömmlichen Sozialplan gebe. Doch sieht Keck auch Chancen: Jüngere Arbeitnehmer würden auf einen Arbeitsmarkt treffen, der schon lange nicht mehr so offen gewesen sei. Gerade jüngere BCS-Mitarbeiter könnten jetzt schon versuchen eine neue Stelle zu finden und nicht erst bis Ende 2024 zu warten.

Grüne wollen IG Metall unterstützen, das Werk zu retten

Der Ortsverband der Grünen/Bündnis 90 äußert sich bestürzt über die Nachricht der Werksschließung. Sie stellen auf die Seite der Gewerkschaft IG Metall mit ihrem Vertreter Frederic Striegler, die versuchen wolle, die Schließung doch noch abzuwenden beziehungsweise so sozialverträglich wie möglich zu gestalten.

Und sollte es doch zu einer Schließung kommen, so hoffen die Grünen, dass andere Unternehmen sich stattdessen am Standort ansiedeln und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen übernehmen und neue Stellen schaffen.

Freie Wähler wollen Wirtschaftsstandort stärken

Die Nachricht der Werksschließung kam für die Freien Wähler nicht gänzlich unerwartet, wie Sprecherin Renate Schittek schreibt. Für den Radolfzeller Ortsverein der Freien Wähler sei es angesichts des Fachkräftemangels nicht ausgeschlossen, dass die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von BCS eine Anschlussanstellung nach der Werksschließung finden.

Dennoch sei dies alles andere als selbstverständlich, wie die Freien Wähler in ihrer Stellungnahme schreiben. Hier seien die Arbeitnehmervertreter und die Firmenleitung gefordert, einen guten Sozialplan auszuarbeiten.

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Wie es dann mit der Liegenschaft und allen dazugehörenden Gebäuden weitergehe, müsse sich zeigen. Hier sei die Wirtschaftsförderung der Stadt Radolfzell in der Pflicht, ihrer eigenen Agenda zu folgen und „die städtische Infrastruktur zu erweitern und mit Weitblick für eine starke und zukunftsfähige Wirtschaft mit attraktiven Arbeitsplätzen“ zu sorgen. Nicht nur die Fraktionskollegen der Freie Wähler, sondern auch der gesamte Ortsverein werde dazu mit aller Kraft beitragen, verspricht Renate Schittek.