Es hätte auch vollkommen anders kommen können, als der Zweite Weltkrieg in Radolfzell endete. Denn vor 80 Jahren haben nur wenige Minuten über das Schicksal der Stadt entschieden – und damit auch über die Zukunft, wie wir sie seitdem erlebt haben. In einem Vortrag hat Historiker Christof Stadler am Gedenktag zum Kriegsende noch einmal verdeutlicht, dass die Geschichte und Entwicklung der Stadt Radolfzell auch eine andere Wendung hätten nehmen können. Mehrere Zeitzeugen, die die letzten Kriegstage zum Teil in Radolfzell erlebten, vervollständigten dabei das Bild.
Franzosen drohten mit Bombardement
Die Ereignisse fanden am 25. April 1945 statt. In den frühen Morgenstunden des 25. April 1945 rückten drei französische Verbände von Singen aus über Überlingen am Ried, Böhringen und Steißlingen Richtung Radolfzell an. Auf Befehl des Oberkommandanten wurden Panzersperren und die Stadteingänge geschlossen, wie die rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der evangelischen Christuskirche erfuhren.
Der französische Beschuss mit Panzergranaten und mittlerer Artillerie hatte begonnen. Im Laufe des Tages wurden Gebäude der Firmen wie Allweiler, Schiesser und andere Häuser beschädigt. Gegen Mittag versuchten die Franzosen, Kontakt zu Bürgermeister August Kratt aufzunehmen, um eine Aufgabe und Übergabe der Stadt zu erzwingen. Der war jedoch nicht zu erreichen.
Während die französischen Truppen ein Bombardement androhten, befahl ein General aus Güttingen, dass „die Stadt Radolfzell unter allen Umständen zu halten“ sei. „Wer aus Radolfzell zurückgeht, ohne zu kämpfen, wird erschossen“, habe er verkünden lassen.
Pfarrer hisst die weiße Fahne
Am Ende waren es Personen wie Pfarrer Josef Zuber und der Vikar Ruby, die den Untergang der Stadt durch das Hissen der weißen Fahne auf dem Münsterturm verhinderten. Auch wenn ein Schütze noch versucht hatte, die Fahne durch einen Schuss zu beseitigen, kam es letztlich zur Aufgabe.
Die größere Sorge der Bevölkerung galt damals nicht einrückenden französischen Truppen, sondern den unberechenbaren versprengten SS-Leuten. Diese Sorge sei durchaus begründet gewesen, so Stadler. So wurde der Singener Bürgermeister Karl Bäder zwei Tage zuvor von SS-Leuten erhängt, weil er gegen eine Verteidigung war.