Als Reaktion auf die angekündigte Schließung des BCS-Standorts in Radolfzell am Bodensee hat die IG Metall massiven Widerstand angekündigt. „Wir werden nicht kampflos vom Felde ziehen“, sagte der zweite Bevollmächtigte der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben, Frederic Striegler, dem SÜDKURIER.
Die Wut der Belegschaft sei enorm, sagte Striegler und prophezeite Gespräche „in unangenehmer Atmosphäre“, die jetzt mit der BCS-Geschäftsführung anstünden. „Wir geben den Standort nicht auf und wollen so viel wie möglich Beschäftigte halten.“
„Wut“ in der Belegschaft
Am Freitagmorgen hatte der zum chinesischen Luxshare-Konzern gehörende Automobilzulieferer BCS angekündigt, den Radolfzeller Standort mit aktuell 610 Beschäftigten bis Ende 2024 zu schließen und alle Geschäftsaktivitäten aus Deutschland weg zu verlagern.
Das Radolfzeller Werk, das 2018 von ZF-Friedrichshafen an BCS verkauft worden war, fahre seit Jahren „Verluste in zweistelliger Millionenhöhe“ ein, hieß es von BCS. Mehrjährige Versuche, der Schieflage entgegenzuwirken, seien erfolglos geblieben.

Im Herbst 2020 hatte sich die Belegschaft zu einem Ergänzungstarifvertrag bereit erklärt und erheblichen Gehaltseinbußen zugestimmt, um den Standort zukunftssicher zu machen. Im Gegenzug sagte die chinesische Mutter Luxshare Investitionen in Millionenhöhe zu.
Die flossen dem Vernehmen nach auch. 2021 und 2022 seien jährlich niedere zweistellige Millionenbeträge investiert worden, etwa in neue Maschinen, wie am Freitag aus Unternehmenskreisen verlautete. Allerdings habe das nicht gereicht, die aufgelaufenen Verluste am Standort auszugleichen. Dieser erwirtschaftete nach SÜDKURIER-Informationen zuletzt rund 100 Millionen Euro Umsatz, hauptsächlich mit Fahrzeug-Bedienelementen.
Können Jobs gerettet werden?
Eine BCS-Sprecherin sagte dem SÜDKURIER, man versuche in den anstehenden Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Ausgeschlossen sei das aber nicht. Offen sei auch der Zeitplan, etwa wann mit der Verlagerung erster Produktionslinien begonnen werde.

Großkunde Volkswagen schwenkt bei Schaltern um
BCS, das aus der ehemaligen TRW-Messmer hervorgegangen ist, ist ein Spezialist für Schalter und Bedienoberflächen in Autos. Einer der traditionellen Hauptkunden ist der Wolfsburger Volkswagen-Konzern. 2022 lief bei BCS am Bodensee die Fertigung zentraler Bedienelemente für die VW-Modelle des Typs ID.3 und ID.4 an – ein Befreiungsschlag für das lange gebeutelte Unternehmen, der allerdings von kurzer Dauer war.
Im Herbst kündigte VW überraschend an, berührungssensitive Elemente aus dem Innenraum zu verbannen und zu konventionellen Schaltern zurückzukehren. Außerdem hätten die Coronapandemie, stark ansteigende Energie- und Rohstoffpreise sowie die Lieferkettensituation die Rahmenbedingungen für den Erhalt des Standorts verschlechtert, teilte BCS mit.

Radolfzell ist der einzige deutsche BCS-Standort. Weitere Werke hat das Unternehmen in Nordamerika, China, Italien, Tschechien und Rumänien.
Automobilzulieferer auch andernorts unter Druck
BCS ist nicht der einzige Autozulieferer in der Region, der Probleme hat und Stellen abbaut. Vor rund einem halben Jahr meldete der Friedrichshafener Guss-Spezialist DGH Sand Casting Insolvenz an, nachdem monatelange Verhandlung zum Einstieg chinesischer Investoren gescheitert waren. 2019 rutschte der Markdorfer Weber Automotive in die Pleite, hat sich aber nach dem Abbau von knapp Hundert Arbeitsplätzen mittlerweile wieder berappelt.