Über eine drohende Katastrophe sprechen und dabei nicht zu lähmen, sondern Auswege zu zeigen – das war das Ziel einer Informationsveranstaltung in der Stadthalle am Montagabend, zu der die Klimaschutzgruppen Klimaplan-Markdorf und Uhldingen-Mühlhofen Zero unter dem Motto „Wir haben es in der Hand“ gemeinsam mit der Stadt Markdorf eingeladen hatten.
Das Ahrtal ist überall
Noch bevor Bernhard Markgraf von Baden über die mögliche Rolle der Landwirte bei der Energiewende sprach und Christian Weber von der Albert Weber GmbH auf die Zukunft der Mobilität aus der Sicht eines Automobilzulieferers einging, schilderte Maike Sippel, Professorin an der Konstanzer Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung, warum die Arbeit an der Zukunft nur gemeinsam – als gesamtgesellschaftliche Anstrengung – gelingen kann.
Die positive Botschaft: „Wir können noch was tun“, es sei noch nicht zu spät. Trotz der offensichtlichen Vorzeichen des drohenden Klimakollapses wie extremen Hitzewellen, extremen Niederschläge, Waldbränden und Flutkatastrophen. Flutwellen wie jene, die im Sommer 2021 das Ahrtal getroffen hat, „können sich überall abspielen“, erklärte Maike Sippel. Auch wenn dies die Kommunalpolitik „einfach nicht verstehen“ wolle.

Jahrzehnt für entscheidende Weichenstellungen
Zu Beginn ihres Vortrags hatte die Professorin zu einem virtuellen Weltraumflug eingeladen, mit Blick aus einem Raumschiff auf den blauen Planeten. Sippel bot noch eine Nahperspektive: ein Kinderbild von ihren drei Töchtern. Ihnen eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen, das sei Antrieb ihrer wissenschaftlichen Arbeit. „Es kommt auf jeden Einzelnen an“, erklärte Sippel. Dieses Jahrzehnt, die 2020er-Jahre, sei das Zeitfenster für entscheidende Weichenstellungen. Die Hebel dazu lägen im Wohnungsbau, in der Mobilität und bei der Ernährung. „Viele von uns haben das längst verstanden“, so Sippel.
„Weg vom Fuß, hin zur Hand“ sei das Ziel. Schließlich gelte es Strukturen zu verändern, „Allianzen zu schmieden“ und auf die Politik einzuwirken – um so die für die Klimawende notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Solange der Wunsch, den Klimawandel abzuwenden, noch nicht klar im Raum steht, reagiere die Politik noch halbherzig, erklärte Maike Sippel.
Dabei habe die Wirtschaft die Zeichen der Zeit längst verstanden. So die Botschaft von Christian Weber, Geschäftsführer der Markdorfer Weber Holding GmbH. Seit 2020 bewegt sich das mittelständische Familienunternehmen mit seinen 900 Mitarbeitern auf der „Straße hin zur Klimaneutralität bis 2040“. Und das Unternehmen, so betonte Weber mit Hinweis auf die Systemzusammenhänge, nehme dabei nicht nur die eigene Produktion in den Blick.

Einen letzten Anstoß habe ihm vor sechs Jahren die Einladung des Ministerpräsidenten zum Strategiedialog gegeben, sagte Weber. Winfried Kretschmann sorgte sich damals um die Zukunft der baden-württembergischen Automobilzulieferer. Denn mehr E-Mobilität bedeute weniger Mechanik und somit weniger Aufträge für die Automobilzulieferer. Auch um weiterhin Arbeitsplätze zu gewährleisten, habe die Albert Weber GmbH nach neuen Betätigungsfeldern gesucht – zum Beispiel in der Medizintechnik. Überdies wurden neue Partnerschaften geschlossen, um E-Transporter herzustellen. „Das Sympathischste sind uns aber die synthetischen Kraftstoffe“, auf die Porsche setze, so Weber. Das fordert dem Markdorfer Zulieferer die wenigsten Veränderungen ab.

Mehr Biodiversität, mehr Kosten
Bernhard Markgraf von Baden zeigte sich in seiner Rede ganz bodenständig. Auf eine Frage aus dem Publikum nach Agri-Photovoltaik auf markgräflichen Flächen antwortete er: „Wissen Sie, ich bin Bauer, so Zeug mag ich nicht mitmachen.“ Ihm gehe es um den Boden. Um die Abkehr von der Chemie-Landwirtschaft, die auf Dünger setze, sich nicht um die Regeneration der Böden kümmere, sodass wertvolle Flächen auslaugen, verdorren, erodieren. Derart ausgebeutete Böden verlieren ihre Fähigkeit, CO2 zu speichern. Sie geben das Klimagift stattdessen ab.

Anliegen des Markgrafen war es, die Landwirte der Bodensee-Region wieder vom Boden her denken zu lassen. Aber nicht nur sie. Denn auch den Verbrauchern müsse klar gemacht werden, dass mehr Biodiversität auf den Flächen mehr kostet. Gelinge das, könne am See eine Modellregion entstehen.