Die Fotos sind 25 Jahre alt: Birgit Maier, Dauercamperin auf dem Campingplatz Sandseele, und dessen ehemaliger Betreiber Gernot Beyer sind ganz vertieft. Die Köpfe eng zusammengesteckt schwelgen beide in Erinnerung an das denkwürdige Wochenende, das der Insel ein Hochwasser von 5,65 Metern über Normalpegel bescherte.
Dabei wechseln sich in den Erzählungen die Gefühle ab und schwanken zwischen Schrecken und Freude. „So jung waren wir da noch“, bricht Beyer mit einem Lächeln den Bann, und sein Gegenüber ergänzt: „Und ich erinnere mich noch ganz genau an diesen Urlaub, und auch wenn es komisch klingt, es war im Nachhinein einer meiner schönsten“, so Maier.

Es war an Pfingsten vor 25 Jahren, und der aufgehobene Zeitungsbericht verrät auch das genaue Datum: 22. Mai 1999. Zu sehen ist ein überschwemmter Damm zum Festland. „Ich weiß noch, dass es an dem Tag eine Durchsage der Polizei gab“, erinnert sich Gernot Beyer, und: „Alle, die die Insel verlassen möchten, sollten das jetzt tun.“
Tatsächlich konnte man an dem Tag regelrecht zusehen, wie der Pegel stieg. „Die Menschen saßen beim Essen und haben die Füße von Minute zu Minute weiter nach oben gezogen, denn das Wasser stieg einfach immer weiter an, und zwar ohne, dass es regnete“, fügt der ehemalige Campingplatzbetreiber hinzu.
Nur wenige Fahrzeuge können über den Damm
Birgit Maier ergänzt nahtlos: „Das war so verrückt alles, ich weiß noch, dass der ganze Platz evakuiert und die Campingwagen abtransportiert wurden. Wir selbst sind dageblieben. Ich erinnere mich, dass wir das ganze Treiben mitverfolgt haben, denn über den Damm fuhren ja weiterhin die Lkws und Busse und haben praktisch Taxi gespielt, sprich Menschen und Waren transportiert. Das war eine echte Aufregung, wirklich. Es gab die ganze Zeit etwas zu sehen.“
„Man wusste ja aber auch gar nicht, wie sich alles weiterentwickelt“, führt Gernot Beyer weiter aus, „natürlich habe ich verstanden, dass der Großteil der Camper wieder abgereist ist, denn schon bald standen das komplette Lager und Restaurant inklusive Kühlhaus unter Wasser und der vordere Teil des Campingplatzes auch.“ Während er das sagt, zeigt er mit dem Finger auf den Teil, wo jetzt jede Menge Gartenstühle des Restaurants stehen.
„Wir waren an dem Pfingstwochenende ausgebucht, und wenn dann von 600 Gästen nur noch sieben bleiben, dann ist das schon ein herber Verlust“, erinnert er sich. Ein paar Wochen Gummistiefel und viel Arbeit, das ist beiden in Erinnerung geblieben, doch auch ein schönes Miteinander und ein großartiges Gemeinschaftsgefühl, wie sie sagen.
„Man darf das gar nicht so laut sagen“, meint Birgit Maier, „aber es war wirklich ein besonderer Urlaub, auch wenn wir in der Zeit Sandsäcke gefüllt und auf dem Platz verstaut und gegen Ende das Wasser und den Schlamm herausgekehrt haben.“ Außerdem habe es im Jahr darauf auch die finanzielle Unterstützung zum Neubau gegeben, gewinnt Gernot Beyer allem etwas Gutes ab.
Auf die Flut folgt das Sandsack-Weitwurf-Fest
Zudem fällt ihm noch Folgendes ein: „Wir haben im Nachhinein ein Sandsack-Weitwurf-Fest organisiert, das war ein großartiges Fest.“ Wolfgang Heller, ebenfalls Dauercamper, lobt Gernot Beyer in den höchsten Tönen: „Du warst so cool damals, du hast einfach improvisiert und hast direkt neben der überfluteten Küche eine Bar aufgebaut.“
Nebenher zeigt er ein T-Shirt, das noch jemand gefunden hat und das an diese besondere Zeit erinnert: „Ich weiß leider nicht mehr, wer das damals organisiert hat, aber hier steht es so, wie es war: ‚Keine Panik, ich war dabei!‘.“

Er selbst erinnere sich auch an diese Zeit und daran, dass er einer von denjenigen war, die den Wohnwagen abgeholt haben: „Im Nachhinein nannte man unsere Reihe hier die Panikgasse“, sagt Wolfgang Heller, lacht herzlich und sagt dann ernster: „Wir sind seit 35 Jahren hier auf dem Platz, das ist unsere zweite Heimat.“
„Es hat etwas von einer großen Familie hier“
Angefangen hat es bei Familie Heller der Kinder wegen, für die war Urlaub nur Urlaub, wenn dieser auf einem Campingplatz stattfand. Diese sind längst groß und kommen nun mit den eigenen Kindern auf die Reichenau. Gernot Beyer greift gedanklich dieses Phänomen auf: „So geht es vielen Campern, sie geben das besondere Campinggefühl an ihre Kinder weiter, und die dann an ihre. Am Ende kommen alle wieder.“
Auch Caroline Motz, die vor rund zehn Jahren den Betrieb von ihren Eltern übernahm, ist mit dem Campen groß geworden und liebt das Miteinander mit den Gästen und den Mitarbeitern. Sie ist, genauso wie Birgit Maier, praktisch auf dem Campingplatz am Sandseele aufgewachsen.

Letztere freut sich, dass die Tradition mit ihren Kindern weiterlebt. „Wir sind hier auf dem Platz eine echte Gemeinschaft, jeder spricht mit jedem, jeder hilft jedem, und es gibt immer jemanden zum Quatschen, wenn man das möchte. Und sogar das Abspülen macht Spaß und dauert nicht selten mehr als eine Stunde, weil man dabei ins Plaudern kommt.“
Gernot Beyer ergänzt: „Es hat etwas von einer großen Familie hier, und das Besondere an den Campern ist ja auch, dass sie durchaus auch andere Arten von Urlauben verbringen, so zum Beispiel Städtereisen im Winter oder Hotelurlaube.“ Doch weiter kommt er nicht, denn hier hakt Birgit Maier ein: „Aber das ist nicht das gleiche Urlaubsgefühl wie hier auf dem Campingplatz.“