Wenn man von Reichenauer Gemüse spricht oder liest, dann denkt man in der Regel an die Gemüseinsel. Doch da es mittlerweile drei große Gärtnersiedlungen im Hegau gibt, fragt sich mancher Verbraucher, wie viel Reichenau drin ist, wenn Reichenau angeschrieben steht.
Gemüse vom Festland wird gekennzeichnet
Tatsächlich wird der Anbau auf dem Festland für die Reichenauer Gemüse-Genossenschaft und deren Gärtner immer bedeutender, weil einfach in diesen relativ großen und vor allem technisch modernen Gewächshäusern viel effizienter gearbeitet werden könne, so Geschäftsführer Johannes Bliestle, aber: „Selbstverständlich wird das korrekt ausgezeichnet. Wir haben ein eigenes Logo: Reichenauer Gärtnersiedlung – Frisch aus dem Hegau. Wir benennen das extra, obwohl wir es gar nicht müssten, aufgrund der Besonderheit der Gemüseinsel.“
Und bei der Qualität der Produkte gebe es auch keine Unterschiede, so Bliestle, weil die Reichenauer Gärtner sowohl im konventionell, integrierten Anbau wie bei Bio hier wie dort nach denselben Vorgaben arbeiten. Für den Verbraucher ist es dennoch oft nicht einfach zu unterscheiden, wo das Gemüse gewachsen ist. Daher hier ein paar Antworten.

Was stammt immer von der Insel Reichenau?
Die meisten Gemüsesorten, die Reichenauer Gärtner anbauen, wachsen ausschließlich auf der Insel, erklärt Bliestle. Das sind zum Beispiel konventionell angebaute Gurken, Tomaten und Feldsalat, alle Kohlgemüse, Brokkoli, Fenchel, Blatt- und Pflücksalate, Rettich, Radieschen, Bohnen, Lauch, Zucchini sowie auch alle Topf- und Bundkräuter.
Was wächst im Hegau?
Bei Beuren haben seit 2012 fünf Reichenauer Gemüsebauern gemeinsam eine Gärtnersiedlung mit 12,8 Hektar unter Glas. Sie produzieren Paprika, Spitzpaprika und Auberginen ausschließlich für Edeka Südwest, so Bliestle. Das sei vertraglich geregelt.
Lediglich eine keine Menge der Paprika, erste oder zweite Wahl, gehe in den freien Verkauf, Auberginen komplett an Edeka. Wer also anderswo eine Reichenauer Aubergine kaufe, könne davon ausgehen, dass diese auf der Insel gewachsen sei.
Wie ist es bei Edeka?
In den Edeka-Märkten in Konstanz sind die Paprika und Auberginen in der Regel nur mit der Herkunft Deutschland und dem Label „Unsere Heimat“ ausgezeichnet, nicht mit Reichenauer Gärtnersiedlung. Hierzu erklärt Andreas Kunze von der Marketingabteilung von Edeka Baur, dass man dieses Gemüse von der Regionalgesellschaft Edeka Südwest beziehe.
Und: „Da wir gesetzlich verpflichtet sind, auf unseren Preisschildern das Herkunftsland anzugeben, können wir dort lediglich Deutschland und nicht Reichenau angeben. Zudem wird das Gemüse auch im Hegau angebaut, daher verzichten wir auf eigene Hinweisschilder, um die Kunden nicht versehentlich zu täuschen.“
Er fügt aber an: „Neben den Unsere-Heimat-Paprika haben wir auch Reichenauer Gemüse im Sortiment, das wir direkt von Reichenauer Gemüsebauern beziehen, beispielsweise Gurken, Tomaten und Salat. Dieses Gemüse wird in der Regel von uns entsprechend ausgeschildert.“ Und dieses ist dann auch wirklich auf der Insel gewachsen (siehe oben).

Wie ist es auf dem Wochenmarkt?
Von der kleinen Menge Paprika aus der Gärtnersiedlung, die in den freien Verkauf geht, findet sich einiges auf dem Konstanzer Wochenmarkt wieder – mit unterschiedlichen Angaben, wie ein kleiner Rundgang des SÜDKURIER zeigte. An einem Stand steckte in der Paprikakiste ein Schild, auf dem schlicht „Reichenau„ stand.
Auf Nachfrage erklärte der Standbetreiber aber, dass diese aus der Gärtnersiedlung sei – und fügte an: „Die von der Insel ist unbezahlbar.“ Was Bliestle verwundert. Laut seiner Verkaufsstatistik könne er nicht bestätigen, dass der Preis für Paprika von der Insel höher sei. Am nächsten Stand hieß es auf dem Schild „Von der Reichenau„, was Insel suggeriert.
Doch auch hier erklärte der Betreiber auf Nachfrage, die Paprika sei aus der Gärtnersiedlung. Am dritten Stand hieß die Herkunft wieder schlicht „Reichenau„. Eine Verkäuferin erklärte auf Nachfrage mit völliger Selbstverständlichkeit, diese sei natürlich von der Insel.
Auf weitere Nachfrage stellte sich aber heraus, dass sie von der Gärtnersiedlung gar nichts wusste. Sie schaute auf den Herkunftszettel an der grünen Plastikkiste und stellte erstaunt fest, dass dort wirklich Reichenauer Gärtnersiedlung stand.
„Da habe ich wieder was gelernt“, meinte sie. Bliestle merkt an: „Das sollte natürlich korrekt angeschrieben sein.“ Die Paprika werde von der Genossenschaft im Übrigen nicht nur unterschiedlich etikettiert, sondern auch verpackt: die aus der Gärtnersiedlung komme in grüne Plastikkisten, die von der Insel in Kartons mit Reichenau-Aufdruck.

Wie ist es beim Biogemüse?
Zum einen hat der Reichenauer Biobauer Benjamin Wagner ein Gewächshaus mit drei Hektar bei Aach, in dem er Tomaten und Gurken ausschließlich für Edeka produziere, so Bliestle. Zudem hat Wagner ein Gewächshaus mit vier Hektar bei Mühlingen, in dem er Tomaten, Gurken und Paprika ausschließlich für Rewe anbaue.
Ferner kultiviert Wagner im Freilandanbau rund 45 Hektar auf dem Festland – allerdings bei der Waldsiedlung, Wollmatingen und Litzelstetten. Weil dies im unmittelbaren Umland sei, differenziere man bei diesem Biogemüse nicht, so Bliestle. Wagner baut auf dem Festland – und nur da – vor allem Süßkartoffeln an, wie er selbst erklärt.
Im Winter baue er sowohl auf der Insel (unter Glas) wie im Umland (im Freien) Feldsalat an. Alles andere Biogemüse von Wagner und weiteren Biogärtnern wachse ausschließlich auf der Insel, so Bliestle. Neben Gurken, Tomaten und Paprika seien dies Blatt- und Pflücksalate, Radicchio, Brokkoli, Zucchini und anderes mehr.