Es kam zur emotional geführten Diskussion bevor die neuen Bauvorschriften für die Insel Reichenau verabschiedet werden. Der verbale Schlagabtausch erfolgte zwischen den Gemeinderäten untereinander und Bettina Nocke vom gleichnamigen Stadtplanungsbüro aus Gaienhofen.
Ralf Blum (CDU) wollte, dass die maximale Höhe der Stirnseiten von Schleppgaupen und stehenden Gaupen 20 Zentimeter höher sein sollte als im Entwurf vorgesehen. Damit wären sie den zulässigen 1,90 Metern bei Flachdachgaupen angepasst. Der Zimmermeister erläuterte, wie dies umgesetzt werden könnte. Ebenfalls zur Diskussion stellte Blum die Höhenbemessung eines Gebäudes.
Anlass war für ihn eine nicht korrekte Skizze, die im Widerspruch zum Text stand, die das Gelände als Grundlage nahm. In der Skizze war jedoch die Erdgeschossfußbodenhöhe (EFH) als untere Begrenzung eingetragen. Was in solchen Fällen üblicherweise als redaktionelle Änderung behandelt und korrigiert wird, nahmen Ralf Blum und Bettina Nocke zum Anlass, in einen Schlagabtausch einzusteigen.
Ein Rat erzürnt und gibt dann nach
Nocke reagierte sauer auf die Einwendungen von Blum. „Das war ein demokratischer Beschluss. Wir wollten viel niedrigere Gaupen. Ich rede nicht technisch gegen Sie. Bitte belassen Sie es so, wie es ist. Wir hatten Sitzungen mit Zimmerleuten“, führte sie erregt aus. „Damit optisch nicht ein dreigeschossiger Bau daraus wird, messen wir über Gelände und nicht über Erdgeschossfußbodenhöhe“, betonte sie.
Auch Gabriel Henkes (Freie Liste Natur) ärgerte sich über Blums Vorstoß. „So sind wir in die zweite Offenlage gegangen: Ich finde die Salami-Taktik nicht in Ordnung. Das ist gegenüber der Arbeitsgruppe despektierlich. Ich finde das nicht in Ordnung, dies am Ende der Sitzung reinzubringen“, schimpfte er.
„Ich will Blum ein bisschen in Schutz nehmen“, versuchte Thorsten Schneider (Freie Wähler) einzulenken. „Ich bin kein Fachmann. Ich war auch in der Arbeitsgruppe. Heute ist der letzte Moment“, unterstütze ihn Matthias Graf (CDU). Widerspruch gab es von Armin Okle (Freie Wähler). „Es waren Fachleute in der Arbeitsgruppe drin. Wir wollten nicht das Erdgeschoss als Kante. Ich habe kein Verständnis dafür, dass man das noch mal anfasst“, erklärte er. „Ich will, dass ein Deckel drauf kommt“, forderte Sandra Graßl-Caluk (SPD).
Bürgermeister Wolfgang Zoll verwies darauf, dass diese Diskussion schon einmal geführt worden sei, und wies auf das bestehende Antragsrecht hin. „Es tut mir leid, dass die Zeichnung falsch ist“, sagte Nocke einlenkend. Es sei immer über Gelänge gemessen worden, fügte sie an. „Wir haben die Kompromisse gefunden und sollten irgendwann bei einer Entscheidung bleiben“, betonte sie. Ralf Blum hatte schließlich ein Einsehen. „Ich will den Ärger nicht höher schrauben“, bekräftigte er und zog schließlich beide Anträge zurück.
„Wir bringen uns um, wenn wir jeden Einzelfall betrachten“
Blum hatte bereits nachgegeben, als es um die Höhe von Grundstücksbegrenzungen ging. So wird bei seeseitigen Hecken eine maximale Höhe von einem Meter festgeschrieben. Das Landratsamt hätte am liebsten, dass die Grundstückeigentümer auf diese Einfriedungen verzichten müssen. Blum hätte gerne gehabt, dass dies auch im Ortsinnern gilt, wenn die Grundstückgrenze an den öffentlichen Raum stößt.
„Wir wollen verhindern, dass drei Meter hohe Hecken zum See entstehen“, betonte Landschaftsarchitektin Edith Schütze von faktorgrün aus Freiburg. Sie sei keine Freundin von Einfriedungsregeln, erläuterte Kerstin Sauer (Freie Wähler) und verwies auf die Biodiversität. „Wir haben keine Möglichkeit, die Art der Pflanzen festzusetzen“, erläuterte Schütze. Immerhin blieb von der Diskussion übrig, dass die maximale Heckenhöhe während der Vegetationsruhe bemessen wird.
Kopfzerbrechen bereitete den Räten auch die Regelung, nach der zwischen den Grundstücken Hecken mit einem rechtwinkligen Verlauf zum See bis zu einer Höhe von 1,80 Metern zulässig sein sollen. Erlaubt sind Abweichungen bis maximal fünf Grad, die Torsten Heilshorn, Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus Freiburg, verteidigte.
„Wenn das Grundstück nicht senkrecht zum See führt, funktioniert das so nicht“, erklärte Berndt Wagner (CDU). „Wenn die Fakten da sind, dann müssen wir mit gesundem Menschenverstand rangehen. Sie müssen dann eingreifen, wenn es Ihnen wichtig ist“, erwiderte Nocke. „Wir bringen uns um, wenn wir jeden Einzelfall betrachten“, warnte der Bürgermeister vor einem Kleinklein.
CDU-Mann Ralf Blum: „Jeder hat Federn lassen müssen“
Eingangs hatte Wolfgang Zoll darauf verwiesen, dass es sich bei der Aufstellung der neuen örtlichen Bauvorschriften um eine „Gratwanderung“ handle. Die Vorgaben seien so genau zu fassen, damit sie eine Orientierung bilden. Aber sie seien so weit zu fassen, damit eine architektonische Entwicklung möglich sei. Ziel sei es, für die gesamte Insel die unterschiedlichen Vorschriften in den Baubauungsplänen einheitlicher zu gestalten.
„Jeder hat Federn lassen müssen“, ist die Erkenntnis von Ralf Blum. Bettina Nocke, die seit Langem die Bauvorhaben auf der Reichenau begleitet, schrieb den Gemeinderäten ins Stammbuch: „Ich bereue heute vieles, was ich zugelassen habe.“ „Es war bei jeder Beratung ein Ringen. Dass Sie sich dem gestellt haben, ist aller Ehren wert. Es war wie eine Quadratur des Kreises“, dankte Bürgermeister Wolfgang Zoll den Gemeinderäten.