Wenn es um die Bebauung des Gebiets Lindenbühl-West geht, schlagen die Emotionen hoch. Dies zeigten stundenlange Debatten im Gemeinderat und Stellungsnahmen von Bürgern. Diese haben Angst, dass die Bebauung zu massiv wird und vielleicht gar nicht den eigenen Bürgern dient.

Der Gemeinderat stellte die Weichen für eine Bebauung in Abschnitten. Ein Kernthema ist bezahlbarer Wohnraum. Viele Fragen sind aber noch offen, etwa die Finanzierung, die Verkehrsanbindung oder die Energieversorgung.

„Das ist das letzte Tafelsilber der Gemeinde“, stellte Anwohner Joachim Speiermann in der Bürgerfragestunde fest. In bis zu 15 Jahren könnte das gesamte Gelände bebaut sein. Er kritisierte, wie massiv das Vorhaben geplant ist. Er bezog sich auf den städtebaulichen Entwurf, nach dem fünfstöckige Häuser entstehen könnten. Nach seinen Angaben würden dann bis zu 1200 oder 1500 Personen auf dem Areal leben können.

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„Lassen Sie doch die Bürger darüber entscheiden“

Speiermann sagte weiter: „Das ist keine Siedlungserweiterung. Das ist ein neuer Stadtteil.“ Er fragt sich, ob das Geplante überhaupt verträglich sei für das Gebiet. Dieses sei derzeit noch geprägt durch die historischen Bauten des Zentrums für Psychiatrie Reichenau.

Er sagte, er überlege, ein Bürgerbegehren zu starten. „Lassen Sie doch die Bürger darüber entscheiden.“ Bürgerin Ines Happle-Lung kritisierte, dass die Gemeinde mit dem Baugebiet auch Einnahmen erzielen will. „Das liest sich ja wie ein Geldbeschaffungsprogramm.“

Joachim Speiermann meint: „Das ist keine Siedlungserweiterung. Das ist ein neuer Stadtteil.“
Joachim Speiermann meint: „Das ist keine Siedlungserweiterung. Das ist ein neuer Stadtteil.“ | Bild: Zoch, Thomas | SK-Archiv

Bürgermeister Wolfgang Zoll sieht das Vorhaben als zu komplex an, um eine Fragestellung für ein Bürgerbegehren zu finden, die sich mit Ja oder Nein beantworten lässt. Er sprach von maximal 1000 Personen auf dem gesamten Areal innerhalb der drei Bauabschnitte. „Von 1200 oder 1500 Personen war nie die Rede.“ Bei den Bauabschnitten eins und zwei gehe es um die Unterbringung von etwa 700 Personen. Verdichtetes Bauen sei finanziell, ökologisch und von der Energieversorgung her sinnvoll.

Die Vermarktungsstrategie sei noch offen. Es könnten beispielsweise auch Genossenschaften zum Zuge kommen, aber auch Erbpacht käme in Frage. Die Gewinnmaximierung sei nicht angestrebt. Das Erzielen von Einnahmen betrachte er aber als legitim. Die Gemeinde müsse viele Aufgaben erledigen, wie die Energiewende, die Unterbringung von Flüchtlingen oder die Digitalisierung. Dafür benötige sie Geld.

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Was bedeutet das für die Energieversorgung?

Bürgermeister Wolfgang Zoll hält es für sinnvoll, bei Vorschlägen für die künftige Energieversorgung auf Lindenbühl-West groß zu denken und die Reichenau-Waldsiedlung und die bestehende Bebauung am Lindenbühl einzubeziehen. Armin Okle, Gemeinderat der Freien Wähler, widersprach: Gerade auf diesem Feld bewege sich so viel, dass vorausdenken schwer sei. Er plädierte dafür, sich auf Abschnitt eins zu konzentrieren.

Karl Haag, Architekt und Stadtplaner vom Büro Wick und Partner, welches den Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs lieferte, bat darum, sich nicht gleich zu Beginn zu beschränken. Ein umfassender Flächennutzungsplan biete die Möglichkeit für Bebauungspläne. Diese könnten zeitlich flexibel entstehen. Wenn man sich aber für die Aufstellung eines Bebauungsplans entscheide, dann müsse man Farbe bekennen und die genaue Höhe der Gebäude und das Maß der umbauten Fläche festlegen.

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Der Gemeinderat beschloss im Grundsatz, das Gelände so vorzubereiten, dass Bebauungspläne für die Abschnitte eins und zwei entstehen können. Zunächst soll aber nur der Bebauungsplan für den ersten Abschnitt entwickelt werden. Fachleute betrachten dies als weniger lukrativ als den Einbezug auch des zweiten Bauabschnitts.

Am ersten Bauabschnitt, also im Anschluss an die bestehende Siedlung am Lindenbühl, soll es bald einen Ortstermin und Stangengerüste geben, die eine mögliche Bebauung anzeigen. Dies hatte Kerstin Sauer von den Freien Wählern vorgeschlagen.

Gemeinderäte wollen sich noch Zeit lassen

Zudem stimmte der Gemeinderat für erste Untersuchungen des Baugrunds und der Energieversorgung auf dem Gelände. Entsprechende Gutachten gehen in die Ausschreibung. Ein Wertgutachten für den Verkauf der Grundstücke wird derzeit noch nicht erstellt. Viele Räte betrachten dies als noch zu früh.

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Gabriel Henkes, Gemeinderat der Freien Liste Natur, sprach sich dafür aus, erst einmal nur den ersten Bauabschnitt ins Visier zu nehmen und dabei alle Probleme genau zu bedenken. Viele Menschen auf geringer Fläche unterzubringen, könnte zum Beispiel ökologisch sinnvoll sein, aber sozial fatal. Aus den Erfahrungen mit dem ersten Bauabschnitt könne man dann für die anderen lernen.

„Wir sollten uns Zeit lassen“, sagte auch SPD-Rätin Sandra Graßl-Caluk. Ralf Blum, Gemeinderat der CDU, plädierte dafür, die Planung voranzutreiben, um dann flexibel reagieren zu können, ob und in welchem Umfang die Bebauung kommen soll. „Als Gemeinde haben wir eine Verantwortung. Es muss weitergehen.“