Wie so oft schon erstellt die Gemeinde Reichenau einen Bebauungsplan aufgrund eines Bauantrags, der den Zielen des Entwicklungskonzepts widerspricht. Diesmal geht es um ein rund 3,74 Hektar großes Gebiet im Südwesten der Insel, das bisher nur landwirtschaftlich genutzt worden ist. Und das soll nach dem Willen des Gemeinderats auch so bleiben.

Der Entwurf des Bebauungsplans Melcherleshorn III sieht keinerlei Bebauung vor – auch keine mit landwirtschaftlicher Privilegierung. Der Planentwurf setzt nun für fast den ganzen Geltungsbereich ein Sondergebiet für „Freilandanbau und Gewächshäuser“ fest. Wobei ausdrücklich auch Weinbau möglich sein soll. Die Gemeinde wolle damit die Landwirtschaft grundsätzlich stützen, so Planerin Stephanie Witulski.

Allerdings macht diese Festsetzung das Bauvorhaben eines Gärtners unmöglich, der dort einen Teil eines Gewächshauses abreißen und ein Betriebsgebäude mit vier Ferienwohnungen errichten will. Dessen Anwalt schrieb an die Gemeinde, das wäre existenzbedrohend für seinen Mandanten. Und damit würde die Gemeinde den Gemüsebau nicht fördern, sondern verringern. Der Gemeinderat stimmte dem Planentwurf bei einer Enthaltung zu. Dieser geht nun in die Offenlage.

Bild 1: Landwirtschaft oder Ferienwohnungen? Darüber entbrennt auf der Insel Reichenau ein Konflikt
Bild: Kerstan

Planerin räumt ein: „Es ist rechtlich nicht einfach“

Der Anwalt wirft der Gemeinde unter anderem vor, dass es sich um eine Verhinderungsplanung handele. Planerin Witulski räumte ein: „Es ist rechtlich nicht einfach.“ Mit der Thematik müsse man vorsichtig umgehen und das Ganze gut begründen. Deshalb hätten sie und Grünplaner Christoph Laule in Abstimmung mit der Gemeinde und deren Rechtsbeistand ein Konzept erarbeitet, das auch gegenüber Gerichten Hand und Fuß habe – eben die ausdrückliche Festsetzung als Sondergebiet für Landwirtschaft.

Im ersten Planentwurf war das ganze Gebiet einfach als Flächen für die Landwirtschaft unter Ausschluss von Bebauung festgesetzt. Was rechtlich einen Unterschied macht. Begründbar sei der Bebauungsplan mit den Aussagen des Entwicklungskonzepts. „Das waren und sind die Ziele der Gemeinde“, betonte Witulski. In diesem steht, dass gerade der Süden der Insel noch den historisch gewachsenen Streusiedlungscharakter aufweise, der möglichst erhalten werden soll. Durch das Bauvorhaben würde aber ein neuer Siedlungsansatz entstehen, sagen die Planer.

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Zudem gehe es um Sichtbeziehungen zum See oder in die freie Landschaft, was in diesem Bereich ohnehin schon durch Gewächshäuser eingeschränkt sei, heißt es in der Planbegründung. Es seien teils Flächen mit besonderer Bedeutung für das Landschaftsbild, sagte Witulski. Und es sei ein Bereich auf der Insel, in dem auch moderne, größere Gewächshäuser entstehen könnten, so Witulski und Laule. Das würde durch das Bauvorhaben ebenfalls beeinträchtigt. Wobei Witulski einräumte, dass die Topografie mit leichter Hanglage für große Glashäuser nicht ganz einfach sei.

Der Gemeinde sei es bewusst, dass die Festsetzungen für den einen Betrieb nachteilig sein könnten – und dass auch Ferienwohnungen für Landwirte ein zweites Standbein für manche Betriebe darstellen, heißt es im Planentwurf. Aber es gehe hier um die Umsetzung der übergeordneten und gesamthaften Ziele des Entwicklungskonzepts. „Wir haben versucht, im Sinne des Entwicklungskonzepts einen verträglichen Kompromiss zu finden“, so die Planerin.

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Das Gebäude würde zudem wegen der geplanten Größe nicht hierher passen, sagte Witulski. Es solle 29,5 Meter lang, 14,5 Meter breit und neun Meter hoch werden, zudem seien elf Autostellplätze vorgesehen. Die Ferienwohnungen würden überwiegen. Der Anwalt des Gärtners verweist in seiner Stellungnahme nicht nur auf die Notwendigkeit des Bauvorhabens für die wirtschaftliche Existenz. Er habe auch keine alternativen Flächen.

Zudem meint der Anwalt, die Argumente der Planer seien falsch. Es würden durch das geplante Gebäude keine Sichtbeziehungen behindert. Kritik äußerte auch das Landwirtschaftsamt in seiner Stellungnahme. „Zum Erhalt der Agrarstruktur ist die grundsätzliche Zulassung von betriebsdienlichen privilegierten Gebäuden unverzichtbar“, heißt es dort. Und für den konkret betroffenen Betrieb „resultiert daraus eine Existenzgefährdung“, meint auch das Amt.

Bebauung könnte Welterbe-Status gefährden

Ausdrücklich begrüßt werden der Bebauungsplan und die Festsetzungen dagegen von der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts, der BUND-Ortsgruppe Reichenau sowie vom Landesamt für Denkmalpflege und dem Internationalen Rat für Denkmalpflege ICOMOS, der das Unesco-Welterbekomitee berät. Das Landesamt meint, die Maßnahme trage zum Erhalt der „Wertigkeit der ganzen Insel als Weltkulturerbe“ bei. ICOMOS schreibt: „Eine Bebauung würde die Stellung der Insel Reichenau als Welterbe als Teil einer Summe von Beeinträchtigungen gefährden.“

Positiv äußerte sich auch Gemeinderat Matthias Middendorf (Grüne/Freie Liste Natur). Mit der Ausweisung als Sondergebiet für Landwirtschaft werde der politische Wille der Gemeinde ausgedrückt. Gemüse- und Weinanbau seien prägend für die Insel. Er finde zudem gut, dass keine Festlegung gemacht werde auf Gemüse oder Wein. „Es ist aus meiner Sicht die optimale Lösung“, sagte Middendorf.

Dr. Matthias Middendorf unterstützt die Ausweisung als Sondergebiet: „Es ist aus meiner Sicht die optimale Lösung.“
Dr. Matthias Middendorf unterstützt die Ausweisung als Sondergebiet: „Es ist aus meiner Sicht die optimale Lösung.“ | Bild: Manuela Salzinger

Ralf Blum (CDU) dagegen enthielt sich bei der Abstimmung. „Ich bin eigentlich für das Konzept, dass Landwirte auch Ferienwohnungen machen.“ Er erkenne hier zwar das Problem, dass ein großes Gebäude entstehen würde. Doch wenn dort ein modernes, großes Gewächshaus errichtet würde, würde das aufgrund der Topografie noch größer, meinte Blum. Vom Gemeinderat abgelehnt wurde zudem der Wunsch eines Grundstückseigentümers, ganz im Westen des Gebiets ein Baufenster für ein Zweifamilienhaus vorzusehen.