Bauvorhaben auf der Insel Reichenau sorgen oft für Diskussionen. Das hängt vor allem mit historischen Besonderheiten der Insel zusammen, dem Streusiedlungscharakter und ursprünglichen Bauweisen. Zum anderen aber auch damit, dass in vergangenen Jahrzehnten von der Gemeindeverwaltung manches Gebäude zugelassen wurde, das heute als völlig unpassend angesehen wird.
Dabei geht es oft um die Gestaltung der Häuser und deren Umfeld, um Dächer, Gaupen, Balkone, Anbauten, Nebengebäude oder Stellplätze. Hierzu will die Gemeinde nun mit örtlichen Bauvorschriften (ÖBV), die für die ganze Insel gelten sollen, eine einheitliche Regelung in einer Satzung schaffen.
Eine Arbeitsgruppe (AG) aus Architekten, Planern und Gemeinderäten hatte hierzu einen Entwurf erarbeitet, an dem es nun aufgrund von Stellungnahmen von Behörden und Bürgern nach der ersten Offenlage noch einige Änderungen gibt. Insgesamt lassen die neuen ÖBV – nach aktuellem Stand – etwas mehr zu als die bisher üblichen Vorschriften.
Auswüchse unterbinden
Bürgermeister Wolfgang Zoll betonte im Gemeinderat, dass es der Gemeinde um den Erhalt des historisch gewachsenen Erscheinungsbildes der Insel gehe (das Teil des Welterbes ist), aber auch darum, schöne, architektonische Lösungen zu ermöglichen. Wobei er anmerkte: „Gute Architektur kann man nicht verordnen.“ Das Regelwerk solle größere Auswüchse der Kubaturen und bei Dächern unterbinden. Und es gehe darum, gleiche Verhältnisse für alle zu schaffen.
Bisher unterscheiden sich die Vorschriften teils in alten und neueren Bebauungsplänen. Die neuen allgemeinen ÖBV sollen dann auch für Bauvorhaben im Innenbereich gelten, wo es keinen Bebauungsplan gibt. Er betonte ebenso wie die Planerin Bettina Nocke, dass die ÖBV sich nur auf Wohngebäude beziehen. In einer Stellungnahme hatte ein Bürger den Neubau der Produktionshalle des Winzervereins als abweichendes Beispiel genannt, der aber hier gar nicht betroffen ist.
Neu zulässig sind sogenannte hochgezogene Fassaden, also Gaupen am Rand eines Daches, die in die Außenwand übergehen. Hier gab es eine längere Diskussion über die zulässige Höhe bei zweigeschossigen Gebäuden. Im Entwurf der ÖBV waren sechs Meter vorgesehen. Aufgrund der Stellungnahme eines Architekten, der eher sieben Meter anregte, schlug Planerin Nocke als Kompromiss 6,50 Meter vor. Auf Antrag von Ralf Blum (CDU) und Stefan Schmidt (Freie Wähler) beschloss eine Mehrheit sogar 6,70 Meter.
Nocke meinte: „Ich halte das für schlecht.“ Hochgezogene Fassaden sollten vor allem bei eingeschossigen Häusern die Möglichkeit bieten, das Dach besser auszunutzen. Bei zweigeschossigen Gebäuden entstehe so der Eindruck von Dreigeschossigkeit, was nicht erwünscht sei. „Wir wollen hier Dinge begrenzen“, meinte sie. Es gehe darum, stimmige, harmonische Gebäude zu erreichen. Armin Okle (FW) meinte ebenso: „Wenn man auf der Reichenau bauen kann, hat man auch eine Verantwortung. Man muss nicht jeden Quadratmeter ausmosten.“
Auch Gabriel Henkes (Freie Liste Natur) äußerte sich kritisch. An einer Gaupe mit hochgezogener Fassade ist zudem ein Balkon zulässig, dessen Bodenplatte allerdings nicht oberhalb der Dachrinne liegen darf. Strittig war hier, wie weit der Balkon nach außen ragen darf. Nocke hatte 1,50 Meter Tiefe vorgeschlagen. Blum beantragte aufgrund einer Stellungnahme 2,50 Meter, wofür eine Mehrheit stimmte. Dieses Maß gilt neu generell für Balkone. Wobei Nocke generell zu den ÖBV anmerkte: „Das sind alles Maximalwerte. Das muss nicht ausgenutzt werden.“
Ein weiteres strittiges Thema waren Vorbauten: Diese werden neu zugelassen, die Tiefe darf maximal 3,50 Meter betragen. Hier hatte Blum erneut 4,50 Meter beantragt, was aber eine Mehrheit ablehnte. Eine Änderung gibt es bei der Vorgabe des Grundrisses. Hier hatte es geheißen, dieser solle ein lang gestrecktes Rechteck sein, das lang gestreckt wird nun gestrichen. Auch quadratische Grundrisse seien möglich, so Nocke, aber keine runden oder dreieckigen. Eine weitere Änderung gibt es bei Querhäusern. Dies dürfen nun nicht länger als fünf Meter sein. Noch eine Änderung betrifft Zisternen, in denen Regenwasser aufgefangen wird. Diese müssen erst ab 1000 Liter Fassungsvermögen unter die Erde.
Muss-Regelung bei Carports
Diskussionen gab es auch beim Thema Flachdächer von Carports. Bisher hieß es, diese könnten begrünt oder mit Solarzellen belegt werden – dies ist nun eine Muss-Regelung. Umstritten war dabei zudem, ob die Solaranlage aufgeständert sein darf. Die Planerin und die Verwaltung wollten dies nicht. Henkes fand dies angebracht. Auch Sandra Graßl-Caluk (SPD) sprach sich dafür aus: „Wir müssen umdenken.“ Auf Vorschlag von Thorsten Schneider (FW) werden aufgeständerte Anlagen nun nicht verboten, aber es wird empfohlen, dies nicht zu machen.
Und ein Missverständnis wurde geklärt. In den ÖBV heißt es, Solaranlagen im Freiraum seien nicht zulässig. Grünplanerin Edith Schütze erklärte, dies beziehe sich nur auf das direkte Umfeld der Häuser nicht auf sonstige Freiflächen. Ein generelles Ziel der ÖBV sind möglichst ruhige Dachlandschaften. Es sind nur Satteldächer zulässig mit einer Neigung von 30 bis 50 Grad. Die Dachdeckung soll in zurückhaltenden Farben geschehen. Eine Ausnahme bilden Solarziegel. Geändert wurde die Vorgabe bei der Dachneigung bei Anbauten.