Zehn Jahre Theaterverein Pralka sind gleichzusetzen mit einem Jahrzehnt Begeisterung für das Theaterspiel und einer großen Bereicherung für Singens Kulturlandschaft. Zu diesem Jahrestag zogen die Pralka-Schauspieler mit ihrer Regisseurin Susanne Breyer alle Register.
Da seit Gründung des Theatervereins eine polnische Familie mitspielt und der Name des Vereines aus dem Polnischen übersetzt „Waschmaschine“ heißt, sollte wie das erste Stück auch das Jubiläumsstück einen Bezug zu Polen haben. Regisseurin Susanne Breyer hat mit Heimwehland, einem Zusammenspiel des Theatervereins, des Orchesters Collegium Musicum Singen mit dem Dirigenten Bruno Kewitsch, der Hegau-Kantorei Thayngen und dem Kinder- und Jugendchor der Paul-Gerhardt-Kirche Hilzingen unter Leitung von Andrea Jäckle ein Gesamtkunstwerk erschaffen.

Entstanden ist ein dynamisches Erlebnis mit vielen Szenenwechseln, bei dem sich die Zuschauer stets nah am Geschehen befanden. Trotz der Dauer von fast drei Stunden war die Handlung kurzweilig und unterhaltsam inszeniert. Und doch wirft die Geschichte am Ende sozialkritische Fragen auf, deren Antworten offenbleiben und die jeder für sich selbst beantworten kann. War der erste Teil des Premierenabends, der auf der Sage um den Waweldrachen basiert, noch sehr märchenhaft, holte einen die Realität im zweiten Teil schneller ein, als man sich das wünschte.
Ein Monster seiner Zeit
Ein schrecklicher Drache mit spitzen, langen Zähnen, der in einer Höhle unter dem Wawelhügel in der damaligen polnischen Hauptstadt Krakau hauste, sorgte für Angst und Schrecken. Um ihn zu besänftigen, wurde ihm täglich ein Schaf und einmal im Jahr ein junges Mädchen geopfert. Bis nur noch die schöne und liebreizende Königstochter Sgoda übrig blieb. Niemand konnte den Drachen überwältigen, kein Ritter war stark genug und ein Held nach dem anderen musste im Kampf gegen den Drachen sein Leben lassen.
Bis drei einfache Männer aus dem Volk, der Alte, der Träumer und der Schusterjunge Dratewka einen klugen Plan entwickelten und diesen erfolgreich umsetzten. Sie umwickelten ein Fass mit Schaffellen und befüllten es nebst Sprengstoff mit für den Drachen verführerischen Zutaten, die seine Gier weckten: Korruption, Macht, Kontrolle, Gewalt, sowie Glasnost und Perestroika.

Durch das Feuer im Drachen explodierte das unechte Schaf und der Drache war tot. Diese Explosion war so stark, dass davon sogar die Berliner Mauer einstürzte und die Ostbürger mit ihren Trabbis in den Westen fahren konnten. Der Drache, der für einen Zustand steht und etliche verschiedene Namen wie Kommunismus, Isolation, Bespitzelung oder Unterdrückung haben könnte, war besiegt und die Bürger lagen sich vor Freude in den Armen. Zur Belohnung durfte der Schusterjunge Dratewka die Königstochter heiraten und das Volk feierte ein schillerndes Fest.
Ein Drache folgt dem anderen
Doch was kommt nach dem Tod des Drachen oder nach dem Ende des Kommunismus in Polen? Nicht alles war vorher schlecht gewesen und niemand wusste, welchen Preis die Freiheit kosten würde. Das Geld war knapp, die Zeiten änderten sich. Selbst den Orchestermusikern des Collegium Musicum Singen wurde die Hälfte ihres Gehaltes gestrichen. Im zweiten Teil des Mammutprojektes Heimwehland verließ das junge Ehepaar Polen, denn nach Absetzung der Monarchie sahen sie für sich dort keine positive Zukunft. Sie fuhren in den sogenannten Goldenen Westen nach Arlen, wo sie im Gasthaus Gems unterkamen.

30 Jahre später plagen die ehemalige Prinzessin Sgoda und ihren Ehemann Dratewka die Sehnsucht nach ihrem geliebten Heimatland Polen. Sie fahren in den Urlaub nach Hause und wundern sich über die großen Veränderungen dort. Ein neuer Drache, der Kapitalismus, herrscht nun dort. Jeder füttert diesen und opfert sein Geld, damit das Monster Ruhe gibt. Desillusioniert erkennen die zwei, dass es ihr Polen, so wie sie es sich in Gedanken ausgemalt hatten, wohl nie gegeben hatte. Denn das tägliche Leben ändert sich jeden Tag. Manches wird schöner, manches wird schlechter.