Landwirte, die Felder der Stadt Singen gepachtet haben, müssen in Zukunft mit unangekündigten Besuchern rechnen. Der Grund: In seiner jüngsten Sitzung hat der Gemeinderat die Mitarbeiter der Stadt dazu berechtigt, ohne vorherige Anmeldungen Boden- und Pflanzenproben zu veranlassen. Auch das Saatgut darf unangekündigt kontrolliert werden. So soll verhindert werden, dass Landwirte umstrittene Schädlingsbekämpfer wie Neonikotinoide oder Glyphosat einsetzen.
„Wer Glyphosat spritzt, dem kann in Zukunft fristlos der Pachtvertrag gekündigt werden“, erklärte Oberbürgermeister Bernd Häusler im Verlauf der Sitzung. Die Neufassung der Pachtverträge sieht aber nicht nur vor, dass die derzeit 80 Pächter auf Glyphosat und die entsprechenden Wirkstoffe verzichten.
Es geht um 241 Hektar Ackerfläche
Weiterhin werden die Landwirte dazu verpflichtet, auf eigene Kosten Blühstreifen entlang der gepachteten Äcker und Wiesen anzulegen, um so Insekten und Kleintiere zu schützen. Wie diese Flächen genau aussehen, soll individuell mit Blick auf die Grundstücke entschieden werden. Auf die Festlegung eines bestimmten Prozentsatzes oder einer bestimmten Flächengröße habe man bewusst verzichtet, hieß es in der Beschlussvorlage.
Bereits ab Januar 2020 sind die neuen Pachtverträge abzuschließen. Sollten sich einzelne Landwirte nicht mit der Stadt einigen können, werden die bestehenden Verträge seitens der Stadt zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt. Derzeit bestehen in Singen rund 75 landwirtschaftliche Verträge mit 80 Einzelpersonen, die insgesamt 241 Hektar Ackerfläche gepachtet haben. Um die Pächter nicht ausschließlich mit neuen Auflagen zu belasten, verzichtet die Stadt auf eine eigentlich angesagte Erhöhung der Pachtzinsen, hieß es in der Vorlage weiter. Ein Entgegenkommen.
Stadtrat will nicht alles vorschreiben
Franz Hirschle hätte sich allerdings gewünscht, dass man sich noch weiter auf die Pächter zubewegt. Bevor es im Gemeinderat zur Abstimmung kam, kritisierte der CDU-Stadtrat, dass man die Singener Landwirte generell zu stark mit Vorschriften belaste.
Seine Fraktion habe zwar nichts gegen ein Glyphosat-Verbot: „Aber wir müssen auch den Leuten vertrauen können, mit denen wir einen Vertrag abschließen.“ Aus Hirschles Sicht gehört dazu auch, dass man sich abspricht, wenn man Begehungen und Kontrollen auf Äckern anordnet.
Gesonderte Abstimmung nötig
Auf Hirschles Hinweis hin wurde im Gremium entschieden, gesondert über die im Paragrafen 13 festgehaltenen unangekündigten Kontrollen der Landwirte abzustimmen. Das Ergebnis: Grüne, Freie Wähler, SPD und SÖS sprachen sich mit 16 Ja-Stimmen geschlossen dafür aus, auch ohne vorherige Einwilligung der Pächter Proben entnehmen zu dürfen. Da die Vertreter von CDU, FDP und Neuer Linie es bei einer Enthaltung nur auf zwölf Gegenstimmen schafften, wurde die Neufassung der Pachtverträge damit einschließlich des Paragrafen 13 mehrheitlich beschlossen.
Im Anschluss an die Sitzung erklärte OB Bernd Häusler, dass die vom Gemeinderat verabschiedete Neufassung der Verträge nun mit dem Landschaftserhaltungsverband abgestimmt werde. Erst danach können die neuen Pachtverträge in Druck gehen.
Konflikt-Thema Glyphosat: Deshalb ist das Unkrautvernichtungsmittel in aller Munde
- Was ist Glyphosat? Das Pflanzengift Glyphosat gilt als das meistverkaufte Unkrautvernichtungsmittel der Welt. Auf den Markt gebracht hat es 1974 der US-Agrarkonzern Monsanto – damals unter dem Namen Roundup. Seither sprühen Landwirte weltweit Glyphosat auf ihre Felder, da das Pflanzengift quasi jede Art von Unkraut abtötet. Als Breitbandherbizid tötet Glyphosat Pflanzen vollständig ab. Umweltschützer kritisieren den Einsatz des Mittels, da viele der abgetöteten Pflanzen eine Nahrung darstellen, auf die Insekten angewiesen sind. Glyphosat steht zudem im Verdacht, krebserregend zu sein, weshalb der Monsanto-Mutterkonzern Bayer sich in den USA Klagen in Milliardenhöhe ausgesetzt sieht.
- Was sagt der Gesetzgeber? Die Bundesregierung hat das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel ab Ende 2023 komplett verboten. Zum Stichtag
31. Dezember 2023 werde der Einsatz glyphosathaltiger Mittel verbindlich beendet, heißt es im „Aktionsprogramm Insektenschutz“, den das Bundeskabinett im September beschlossen hat. Zudem plant die Regierung den Einsatz des Mittels schon vor 2023 – dann läuft auch die Zulassung in der EU aus – einzuschränken. - Was passiert in Singen? Wie viel Glyphosat auf Singens Feldern bislang verspritzt wurde, ist schwer abzuschätzen. Oberbürgermeister Bernd Häusler sagt gegenüber dem SÜDKURIER allerdings, dass man schon eine geraume Zeit mit Landwirten über den Einsatz des Mittels gesprochen habe. „Die Gespräche waren nicht leicht“, berichtet der OB. Dass man nun, vier Jahre vor Ablauf der von der Regierung gesetzten Frist, auf den Einsatz des Mittels verzichtet, sei von den Gesprächspartnern aber akzeptiert worden. Ob sich die Landwirte tatsächlich an die Einhaltung des Verbots halten, wird ab 2020 in unregelmäßigen Abständen kontrolliert werden. Die Untersuchungen übernehmen Fachinstitute im Auftrag der Stadt.