Es hätte ein herrlicher Schildbürgerstreich werden können: Während die Sanierung des Bahnhofbereichs mitsamt der Busanbindung beschlossene Sache ist und die Bauvorbereitungen bereits begonnen haben, schien die Deutsche Bahn AG mit der Herabstufung des innerstädtischen Bahnhofs durch eine neue Streckenführung (die Singener Kurve) zu liebäugeln. Doch aus dem Treppenwitz wird nichts. Wie der Konzernbevollmächtigte der Bahn für das Land Baden-Württemberg, Sven Hantel, gestern bei einer als Bahn-Gipfele titulierten Tagung im Singener Rathaus sagte, steht der Erhalt des Singener Bahnhofs als Station für den Personenverkehr nicht in Frage. Für das Unternehmen ist die Singener Kurve lediglich für den Güterverkehr von Interesse.
Die Unsicherheit über die Pläne der Bahn hatten bei Stadtverwaltung und Stadträten einige Besorgnis ausgelöst, weshalb die unmissverständliche Äußerung des Konzernbevollmächtigten bei den Singener Vertretern der Tagung mit Erleichterung aufgenommen wurde. Beruhigend hörten sich auch die Ausführungen von Sven Hantel zur Ausgestaltung der Singener Kurve an. Auf Nachfrage von Veronika Netzhammer (CDU), die in ihrer Funktion als Stadt- beziehungsweise Kreisrätin an dem Treffen teilnahm, sagte Sven Hantel Vorkehrungen zum Lärmschutz zu. Veronika Netzhammer war dies angesichts der geplanten Streckenführung in teilweise unmittelbarer Nähe zu Wohngebieten und des im Vergleich zu Personenzügen weit höheren Lärmpegels im Güterverkehr ein besonderes Anliegen.
Bei dem Treffen, das auf Initiative des Bundestagsabgeordneten Andreas Jung (CDU) zustande kam, wurde der Konzernvertreter zudem über eine Reihe von Anregungen zur Verbesserung des Bahnangebots unterrichtet. Claudia Kessler-Franzen sprach in ihrer Funktion als Vertreterin des Stadtmarketings beziehungsweise der Wirtschaftsförderung die Bedeutung des Bahnhofs für die Stadt an. "Der Bahnhof ist zwar kein Fluchtort, aber die Sauberkeit lässt zu wünschen übrig", so ihr diplomatischer Wink mit dem Zaunpfahl. Angesichts der städtischen Investition in einer Höhe von zehn Millionen Euro forderte sie Anstrengungen des Unternehmens, den Singener Bahnhof zu einem "reiseangenehmen Ort" zu entwickeln.
Die Potenziale und der Nachholbedarf bei der Infrastruktur ergaben sich bei etlichen weiteren Tipps wie etwa dem Ausbau vom Seehas zum Feldhasen: Statt den Zug in Engen enden zu lassen, sollte die Anbindung nach Immendingen und damit über die Kreisgrenze ausgedehnt werden, nicht zuletzt weil dies der beruflichen Erfordernis vieler Menschen entgegenkomme. Kritik gab es auch wegen teilweiser Defizite bei der Barrierefreiheit, überfüllter Züge, Verspätungen oder ausfallender Verbindungen. Von katastrophalen Verhältnisse beispielsweise sprach Thomas Körner als Vertreter der Naturschützer auf der auch als Rumpelstrecke bezeichneten nördlichen Seite der Bodenseegürtelbahn: "Da müssen Sie zurzeit wegen Überfüllung in Sipplingen aufstehen, wenn Sie in Überlingen aussteigen wollen."
Die Singener Kurve
Die Singener Kurve ist ein optionaler Bestandteil des Ausbaus der sogenannten Gäubahn, mittels der die Verbindung zwischen Zürich und Stuttgart verbessert werden könnte. Mit der eingleisig in Erwägung gezogenen Kurve könnte die Fahrtdauer zwischen den beiden Großstädten um rund 20 Minuten verkürzt werden. Nicht klar war bisher, ob die Singener Kurve für den Güter- und Personenverkehr genutzt werden soll. Der Singener Gemeinderat diskutierte die Pläne im Februar 2017 und lehnte die Singener Kurve wegen der Befürchtung der Abkoppelung vom Personenzugverkehr ab. (tol)