Die nächste Großbaustelle im Zentrum der Stadt Singen ist beschlossene Sache. Mit großer Mehrheit stimmte der Gemeinderat den Plänen für ein Hotel sowie ein Appartement-Haus in der Maggistraße zu. Das Hotel in Nachbarschaft des Hegau-Towers wird über 160 Zimmer (320 Betten) verfügen, im sogenannte Boardinghouse für längerfristige Gäste sind 69 Appartements vorgesehen.
Was die Gutachter sagen
Dem Beschluss in der Sitzung des Gemeinderats am Dienstag waren mehrere Diskussionen sowohl in Fachausschuss- wie in Plenumssitzungen vorausgegangen. Basis dafür bildeten zwei voneinander unabhängige Gutachten, die bei ihrer Marktanalyse über die Beherbergungsbetriebe in Singen zu identischen Ergebnisse kamen. Ihr Fazit: Damit das neue Hotel und Boardinghouse rentabel betrieben werden können, muss bis 2023 die Zahl der Übernachtungen pro Jahr von derzeit 112 000 um 50 000 auf 162 000 steigen. Für realistisch wird dabei eine Steigerung auf 130 000 eingestuft, woraus sich unterm Strich ein Delta von 32 000 fehlenden Übernachtungen ergibt.
Die Gutachter stufen dies für die bestehenden Betriebe allerdings nicht zwangsläufig als existenzbedrohlich ein. Sie gehen eher von einem erhöhten Wettbewerb aus, bei dem es neben Umverteilungen zu verstärkten Anstrengungen der Anbieter kommen werde. Und diese haben in aller Regel zwei Folgen: Entweder sinken die Preise und/oder es kommt zu Qualitätsverbesserungen.
Dies wiederum kann auf lange Sicht die Attraktivität der Stadt als Übernachtungsort steigern. Belege dafür gibt es aus anderen Städten wie Rastatt, wo die drastische Erhöhung des Bettenangebots eine entsprechende Steigerung der Übernachtungen nach sich zog. Das Phänomen, dass sich "die Betten ihre Schläfer suchen" (so die Formulierung eines Gutachters), ist auch in Singen denkbar. In beiden Gutachten wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Steigerung der Gästeankünfte sehr gut sind. Sowohl das Umland als auch die Angebote in der Stadt – zumal in absehbarer Zeit mit der Einkaufszentrum Cano – werden als reizvoll eingestuft. Das Problem liege nicht beim Angebot, sondern an der ihrer Ansicht nach ausbaufähigen Vermarktung der Stadt und der Region.
Letzte Bedenken von Stadträten gegen das Vorhaben konnten in Sitzung durch die Vorstellung eines städtebaulichen Vertrags zur Gestaltung des Komplexes weitgehend ausgeräumt werden. In diesem Vertrag geht es vor allem um die optische Gestaltung, wobei die über mehrere Stockwerke reichenden durchgängigen Fenster ein besonderes Markenzeichen des Hotelgebäudes sein sollen. Die Abmachung zwischen der Stadt und dem Investor sieht außerdem eine Dachbegrünung vor.
Sorge ums Klima wegen der Verdichtung
Letzteres liegt den Stadträten besonders am Herzen – spätestens seit der Analyse der Auswirkungen des Klimawandels beziehungsweise der Wetterextreme auf die Stadt. Überraschend daran war die Feststellung, dass die Einbettung von Singen in seinem grünen Umland so gut wie keine Bedeutung für das Kleinklima in der Stadt hat. Die Aufheizung beziehungsweise mangelhafte Durchlüftung an heißen Tagen führt damit zu ähnlichen Effekten wie in Großstädten oder Ballungsräumen, weshalb etliche Stadträte inzwischen hochsensibel auf eine weitere Gebäudeverdichtung reagieren.
Veronika Netzhammer (CDU), Walafried Schrott (SPD) und Isabelle Büren-Brauch (Grüne) regten deshalb die Aufnahme einer Begrünung des Außenbereichs im städtebaulichen Vertrag an. Ihre Kritik zielte dabei auf die 74 Parkplätze, deren Zahl sie zugunsten von Baumpflanzungen gerne reduziert hätten.
Irgendwo muss man auch parken...
Oberbürgermeister Bernd Häusler verwies demgegenüber auf den Bau einer Tiefgarage des Investors sowie den absehbaren Bedarf an überirdischen Abstellplatzen. Da die meisten Hotel- und Boardinghouse-Gäste aus naheliegenden Gründen mit dem Auto anreisen würden, befürchtet er im Fall einer Reduzierung der Parkplätze ein Ausweichen auf umliegende Parkflächen. Die sich daraus ergebenden Probleme für Anlieger müssten mit bei den Plänen mitbedacht werden.
Patrick Wacker als Leiter der Baurechtsverwaltung verwies in diesem Zusammenhang auf die rechtliche Situation, die sich aus der Ausweisung des Areals als eingeschränkte Gewerbefläche ergibt. Die Forderung nach einer Begrünung sei auf dieser Grundlage nur schwer einforderbar. Als Anregung wolle er den Vorschlag aber an den Vorhabenträger weiterreichen.
Zur Größenordnung
Für das Hotel und das Boardinghouse steht ein Areal mit einer Größe von rund 5400 Quadratmetern zur Verfügung. Für das fünfgeschossige Hotel wird eine Grundfläche von 1200 Quadratmetern benötigt, das Boardinghouse mit einem etwas geringeren Grundflächenbedarf soll im hinteren Bereich des Hotels entstehen. Ein dadurch entstehender Innenbereich ist als Parkfläche vorgesehen, zudem ist der Bau einer Tiefgarage vorgesehen. Das Hotel soll eine Höhe von 17,40 Metern (beziehungsweise 19,80 im Bereich des Treppenhauses) haben, das Boardinghouse ist mit 22 Metern etwas höher geplant. (tol)