Die dem Singener Gemeinderat dieser Tage vorgestellte Klimaanalyse der Geo-Net Umweltconsulting GmbH dürfte den Diskussionsbedarf bei Bauvorhaben erheblich erhöhen. Das machte sich bereits unmittelbar nach der Präsentation bemerkbar. Mehrere Stadträte wiesen darauf hin, dass die Neugestaltung des Bahnhofsplatzes oder etwa die Bebauung des Herz-Jesu-Platzes anders ausgefallen wäre, wenn die Analyse schon früher vorgelegen hätte.
Der Analyse sind drei Kernbotschaften zu entnehmen. Erstens hat das grüne Umland eine viel geringere Auswirkung auf das innerstädtische Mikroklima als auf den ersten Blick vermutet werden könnte. Der Umweltconsulting-Referent bewertete die dadurch entstehenden Kaltluftbewegungen als positiv, es handle sich jedoch um nicht mehr als einen Lufthauch. Dieser Effekt ändere nichts daran, dass in Singen angesichts des Klimawandels von ähnlich dramatischen Auswirkungen wie in Großstädten auszugehen ist.
Analyse mit drei Botschaften
Die zweite Erkenntnis: Die Verdichtung als Allheilmittel für Energieeffizienz und die Deckung des Gebäudebedarfs kommt an ihre Grenzen, wodurch nicht zuletzt dem Hochbau eine größere Bedeutung zugemessen werden muss. Drittens lässt sich das Mikroklima maßgeblich nur durch eine Kombination von Begrünungen beeinflussen. Mit ein paar Bäumen oder Grüninseln ist es nicht getan, Dachbepflanzungen oder Fassadenbegrünungen gehören ebenfalls zu einer klimaneutral ausgerichteten Stadtentwicklung wie offene Baustrukturen anstelle von Bauriegeln.
Nachdenken über die Folgen
Unmittelbar nach der Präsentation setzte im Gemeinderat die Götterdämmerung ein. Hans-Peter Storz (SPD) beispielsweise gab sich überzeugt, dass die Gestaltung des 2000-Quadratmeter großen Daches für den Bahnhofsplatz anders ausgefallen wäre, wenn die Analyse ein bisschen früher zur Verfügung gestanden hätte. Ähnliches vermutete Veronika Netzhammer für den Herz-Jesu-Platz. Die CDU-Fraktionsvorsitzende brachte ferner generelle und streng kontrollierte Pflanzfestsetzungen in Bauplänen und Siedlungen ins Gespräch.
Hubertus Both (Freie Wähler) warnte indes davor, den Wohnbedarf gegen den Klimaschutz auszuspielen. Am Beispiel geringerer Wassereinträge in die Kanalisation infolge größerer Grünflächen versuchte er zu verdeutlichen, dass die Rechnung am Ende nicht allzu hoch ausfallen muss. Walafried Schrott (SPD) wiederum sieht die Stadt in einer Vorbildfunktion, hält ein Umdenken im privaten Bereich ohne Vorgaben aber für wenig realistisch. Was das anbelangt, freut sich OB Häusler auf "spannende Diskussionen", wenn Hausbesitzern beispielsweise die Asphaltierung vor Garagen untersagt wird.
Der Wert des Schattens
In der Analyse wird von einer deutlichen Erwärmung in den nächsten 30 bis 40 Jahren ausgegangen, die sich durch Verdichtung weiter erhöht. So wird bei der Verdichtung im Bruderhof mit einer zusätzlichen Erwärmung von 0,5 bis 1,5 Grad gerechnet. Durch eine entsprechende Umfeldgestaltung ließe sich diese allerdings ausgleichen. Zu akademisch muss der Klimaschutz übrigens nicht gesehen werden. Der Schatten eines Baums beispielsweise reduziert die unmittelbare Umgebungstemperatur locker um zehn Grad. (tol)