Das zweite Werkstattgespräch im Stadtarchiv stand unter dem Thema „Luftschutzbunker und Teddybär – wie Kriegskinder den Zweiten Weltkrieg erlebt haben“. Dass solche Ereignisse jahrzehntelang in lebhafter Erinnerung bleiben, zeigten die Zeitzeugen Wilhelm Josef Waibel und Hans Wilhelm auf.

Zunächst erläuterte Stadtarchivarin Britta Panzer einige Fakten, wie der Luftschutz im sogenannten Dritten Reich organisiert war. In Singen sei im Herbst 1941 ein Luftschutzkeller in der Ekkehardschule eingerichtet worden. Im Juni 1944 hatte es in Singen dann elf öffentliche Luftschutzräume und zehn Splitterschutzgräben gegeben. Verdunkelungsübungen waren bereits 1936 gemacht worden und auch die Abwehr von Gasangriffen sei geübt worden, zeigte Panzer anhand alter Fotos aus dem Archiv auf.

Das Verhalten bei Gasangriffen wurde im Zweiten Weltkrieg auch in Singen geübt. Im Hintergrund das Schloss.
Das Verhalten bei Gasangriffen wurde im Zweiten Weltkrieg auch in Singen geübt. Im Hintergrund das Schloss. | Bild: Stadtarchiv Singen

Als 1944 am ersten Weihnachtstag 38 Jagdbomber zum Angriff über Singen flogen, sei die Eisenbahnbrücke weitgehend zerstört worden und es gab 37 Tote. Wilhelm Josef Waibel, damals zehn Jahre alt, wohnte mit seiner Familie ganz in der Nähe in einem Haus der Maggi.

Noch ganz klar hat er die Erinnerungen dieser Zeit vor Augen. „Zusammen mit Bernhard Wörner, ein Junge der benachbarten Familie, haben wir im Luftschutzkeller die Eichenbalken markiert, wenn ein Alarm losging“, erzählte Waibel. Kinder hätten im Bunker auch gespielt.

Erinnerungen an schreckliche Bilder

Bei Fliegeralarmen hätten sie sich auch schon mal ihr Fahrrad geschnappt und seien zum letzten Haus der Familie Schmidt in der Rielasinger Straße gefahren, um sich dort im Keller zu verstecken. Als Junge sei er begeistert in der Hitler-Jugend gewesen. „Ich wehre mich, das zu verschweigen“, so Waibel. Jungens, die nicht in der Hitler-Jugend waren, seien Außenseiter gewesen.

An den ersten Weihnachtstag erinnert er sich genau. Die Oma sei zu Besuch gewesen, das Drama ereignete sich direkt nach dem Mittagessen. Seine Tante hatte einen Laden in der Hauptstraße, ganz in der Nähe, wo sich die Katastrophe ereignet hatte. „Ich rannte mit meinem Vater dorthin, um zu sehen, ob die Tante noch lebte. Wir fanden eine tote Polin, wohl eine Zwangsarbeiterin, deren abgerissener Arm an der Hauswand meiner Tante hing“, erzählt Waibel.

Später habe er im Rahmen seiner geschichtlichen Recherchen ihr Grab bei den sogenannten Russengräbern auf dem Waldfriedhof wiedergefunden.

Das Verhalten bei Gasangriffen wurde im Zweiten Weltkrieg auch in Singen geübt.
Das Verhalten bei Gasangriffen wurde im Zweiten Weltkrieg auch in Singen geübt. | Bild: Stadtarchiv Singen

Die Familie von Hans Wilhelm, Jahrgang 1940, lebte zu Kriegszeiten in der Feldstraße, also etwas weiter weg von der Stelle des Angriffs am ersten Weihnachtstag. „Wir waren bei Angriffen im Keller, wo auch Obstkeller und Waschküche waren.“ Solche Luftschutzkeller wie in den Häusern der Maggi seien fast schon Luxus gewesen.

„Fliegeralarme und Sirenen haben eine Hauptrolle gespielt in meiner Kindheit“, sagt Waibel. Er möchte auf keinen Fall, dass Dinge aus dieser Zeit verschwiegen werden. Einen Bombensplitter, der damals im Buffet steckte, hat Wilhelm Josef Waibel heute noch. Sein Vater hat einen Brieföffner daraus gemacht.

Stadtarchivarin lädt Schüler zum Recherchieren ein

Am Werkstattgespräch nahmen auch zwei Zehntklässler der Ekkehard-Realschule teil. Hendrik Englert und Elias Siegel hatten gehofft, auch Informationen über die französische Besatzungszeit in Süddeutschland zu bekommen. Denn dies ist das Thema für ihre fächerübergreifende Kompetenzprüfung nach den Pfingstferien. „Ihr könnte gerne ins Stadtarchiv kommen und recherchieren“, ermunterte Britta Panzer sie.