Kinder sind sein Leben. Für seine kleinen Patienten tut der Singener Chefarzt der Kinderklinik, Professor Andreas Trotter, einfach alles. So hat er zusammen mit Kinderärzten anderer Krankenhäuser für den Erhalt seine Abteilung für Risikoschwangerschaften und extreme Frühgeburten am Hegau-Klinikum erfolgreich gekämpft. Wenn es nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) aus dem Jahr 2010 gegangen wäre, gäbe es die hoch spezialisierte Singener Frühchenstation seit Januar 2011 nicht mehr. Und mit ihr existierten weitere 21 Perinatalzentren Level 1 in Baden-Württemberg nicht mehr. Doch mit Unterschriftenlisten und auf dem Klageweg konnte ein Umdenken bewirkt werden.
Im Singener Klinikum werden Kinder mit weniger als 500 Gramm Geburtsgewicht bis zur Lebensfähigkeit aufgepäppelt. 46 Frühchen mit einem Gewicht von weniger als 1500 Gramm wurden 2016 im Hegau-Klinikum geboren. 27 davon wogen sogar weniger als 1250 Gramm. Über viele Wochen müssen sie im Inkubator liegen. Bis diese Kinder mit ihren Müttern das Klinikum verlassen können, vergehen Monate.
Marina Henneberg kommt vom Heuberg hinter Tuttlingen. Sie hat Ende April ein Mädchen mit 1980 Gramm Geburtsgewicht zur Welt gebracht. Die Singener Spezialklinik war ihr von ihrer Frauenärztin empfohlen worden. Mit der ärztlichen und pflegerischen Leistung in der Kinderklinik ist die junge Mutter sehr zufrieden. In wenigen Wochen wird sie mit ihrer Tochter endlich nach Hause gehen können. Doch die Zeit seit der Geburt war für sie nicht ganz einfach. Eine Stunde liegt ihr Wohnort vom Singener Krankenhaus entfernt. Sie zog in ein tristes Hotelzimmer, um ihrem Kind möglichst häufig nahe sein zu können.
Diese Situation haben vor ihr viele andere Mütter erlebt. "Das ist sehr schwierig für Eltern, die durch die Frühgeburt besonderen Stress erleben", sagt Andreas Trotter. Er bat den Krankenhausförderverein um eine Spende für die Umgestaltung eines Schwesternzimmers in ein Elternzimmer. Der Verein stimmte sofort zu, das Klinikum beteiligte sich ebenfalls; einen weiteren Anteil spendierte Pius Netzhammer von der Firma C&C. Jetzt ist das Zimmer mit kleinem Bad und Küchenzeile frisch und mit fröhlichen Farben renoviert. Marina Henneberg ist die erste Bewohnerin. Sie ist sehr erleichtert über die Rückzugsmöglichkeit und kann sich dort gut erholen.
Trotter würde am liebsten noch ein zweites Elternzimmer einrichten. "Der Bedarf wäre da", sagt er. Der Krankenhausförderverein verschließt sich solchen Anfragen nicht. Immer wieder unterstützen die 276 Mitglieder die Singener Klinik mit Spenden bei Aktionen, die nicht vom Haushaltsbudget des Gesundheitsverbundes gedeckt sind. In der kommenden Woche gibt es eine Nestschaukel für die Klinikkinder. Andreas Trotter ist dankbar für alles, was seinen Kinder gut tut.
In den Perinatalzentren Level 1 werden extrem kleine Kinder mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1250 Gramm gepflegt. 2016 kamen 27 solcher Kinder im Singener Krankenhaus zur Welt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hatte auf Druck der Krankenkassen verlangt, dass jährlich mindestens 30 solcher extremer Frühchen in einer Klinik geboren werden müssten, um so ein medizinisches Hochleistungszentrum zu rechterfertigen. Nach diesem Beschluss würde das Frühchenzentrum in Singen nicht mehr existieren. Andreas Trotter klagte mit anderen Kliniken erfolgreich dagegen. Die Zahl der erforderlichen Geburten konnte nach unten korrigiert werden und liegt jetzt bei 14 Frühgeborenen, die weniger als 1250 Gramm wiegen.
Eine neue Hürde ist der Pfelgeschlüssel. Seit Januar 2017 müsste für jedes beatmete Kind eine Spezialpflegekraft zur Verfügung stehen, und zwar 24 Stunden. Da es aber nicht genügend Personal für intensivtherapiepflichtige Frühgeborene gibt, wurde die Übergangsfrist jetzt um drei Jahre verlängert. (gtr)