Die Nachricht, dass Sie den Hegau verlassen und in den Linzgau gehen, kam für viele überraschend. War das für Sie auch so und wie geht es Ihnen damit?
Der Prozess, an dem ich beteiligt war, ging über ein halbes Jahr. Die Insider waren gut informiert und ich habe mich lange damit auseinandergesetzt. Aber wo ich hinkomme, das war bis vor einer Woche nicht bekannt. Für viele Menschen war es eine Überraschung. Man konnte sich nur dorthin bewerben, wo man nicht länger als acht Jahre war und ich bin seit 20 Jahren im Hegau. Ich wäre gern im Hegau geblieben, aber ich kann auch gut in den Linzgau gehen, die neue Aufgabe angehen und bin damit recht versöhnt.
Konnten Sie darauf Einfluss nehmen, wo Sie hinkommen, und wie sind die Reaktionen auf Ihren Wechsel?
Ich wollte gern in der Bodenseeregion bleiben, weil das meine Heimat ist und ich hier viele Freunde und Verbindungen habe. Deshalb habe ich mich auf die Stelle beworben. Es wäre auch möglich gewesen, als Priester in einer Gemeinde mitzuarbeiten, aber das wollte ich nicht. Es war mir wichtig, in einer leitenden Position meine Erfahrungen einbringen und gestalten zu können. Meine Mitarbeiter bedauern sehr, dass ich wechsle. Wir haben hier einfach ein tolles Team und entscheiden das Allermeiste im Team.
Steht Ihr Wechsel in den Linzgau in Zusammenhang mit den neuen Strukturen? 2026 sollen ja alle 36 Pfarreien im Hegau zu einer in Singen zusammengeführt sein.
Was wir momentan im Hegau machen, hängt mit der Entwicklung zusammen und da sind wir schon recht weit. Wir haben schon gute Strukturen geschaffen, zum Beispiel mit einem Dekanatszentrum in Singen und indem Haupt- und Ehrenamtlichen sehr eng miteinander arbeiten und Kirchen- und Glaubensentwicklung machen. Viele fragen sich, ob es nur um neue Strukturen der Kirche als Institution geht. Die ist natürlich wichtig, weil die Mitarbeiter in den Sozialstationen, Pflegeheimen und 25 Kindergärten für die ganze Gesellschaft segensreich wirken. Aber es geht uns natürlich auch um den Glauben und die Weitergabe der frohen Botschaft.
Trügt der Eindruck, dass viele Katholiken die Veränderungen im Rahmen der Kirchenreform auch stark verunsichern? Sie fragen sich: Wo wende ich mich in Zukunft hin?
Wir haben uns in den vergangenen Jahren viele Gedanken über Rollen gemacht. Viele Menschen sind noch sehr auf den Priester ausgerichtet, der Pfarrer ist der Akteur, der die Dinge entscheidet. Aber wir haben ja viele hauptamtliche Seelsorgerinnen, die sehr gute Arbeit leisten. Wir machen ganz viel im Team: Ohne meine ganzen Gemeinde- und Pastoralreferentinnen, Verwaltungs- und Sekretariatskräfte könnten wir dieses bunte Programm an Aufgaben gar nicht erfüllen. Es wird auch in Zukunft unsere Aufgabe sein, dass wir die Menschen gut mitnehmen.
Was hat sich denn schon verändert?
Vor 20 Jahren wäre es zum Beispiel undenkbar gewesen, dass eine Gemeindereferentin jemanden beerdigt. Heutzutage ist das zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Die Kolleginnen machen das sehr gut und werden hoch akzeptiert. Mit der Kirchenentwicklung 2030 werden es nicht weniger Seelsorgerinnen und Seelsorger sein, eher im Gegenteil. Es ist ja auch Ziel dieser Umstrukturierung, dass die Seelsorger wieder mehr Zeit für ihr Kerngeschäft haben.
Welche positiven Veränderungen sehen Sie mit den neuen Strukturen?
Es gibt jetzt im Dekanat zehn Priester, die als Vorsitzende des Stiftungsrates verantwortlich für alle Arbeits- und Mietverträge sind. Mit dem 1. Januar 2026 haben wir einen Pfarreiökonomen, der oder die als Geschäftsführer diese Aufgaben der operativen Verwaltung komplett übernehmen wird. Keiner der Theologen muss mehr einen Arbeitsvertrag unterschreiben, das wird alles von denen gemacht, die es gelernt haben, und damit wird ganz viel Arbeitskapazität für die Weitergabe des Evangeliums frei.
Welche Befürchtungen können Sie den Menschen nehmen?
Die Ängste bei den Menschen sind natürlich da, weil sie sich fragen: Müssen wir dann alle nach Singen? Aber so wird es nicht sein. Es wird weiterhin Servicestellen in den Kerngemeinden Engen, Tengen, Gottmadingen, Hilzingen, Rielasingen-Worblingen und Volkertshausen geben. Die vielen Gottesdienste, die es im Hegau gibt, und diejenigen, die dafür verantwortlich sind, werden weiter in den Gemeinden wirken. Ich glaube insgesamt, dass wir uns gut für die Zukunft aufstellen.
Welche Rolle soll das Ehrenamt in Zukunft haben?
Das Ehrenamt wird weiterhin eine prägende Rolle in den Gemeinden spielen. Die Hauptberuflichen werden die sein, die die Leute begleiten und unterstützen, Hilfsangebote machen. Aber die Gemeindeteams vor Ort werden das Ganze prägen. Jeder, der sich engagiert, soll aber wissen, dass er nicht ausgebeutet wird und die Freude, die Botschaft weiterzugeben, erhalten bleibt. Wir machen jetzt zum Beispiel auf Wunsch der Ehrenamtlichen ein Oasenwochenende, wo sie auftanken und ihren Glauben einfach mal genießen können.
Was dürfen denn die Gläubigen von Ihrem Nachfolger Michael Knaus erwarten und warum wurde jetzt schon veröffentlicht, dass Sie 2025 wechseln?
Ich bin sehr zuversichtlich, was Dekan Knaus angeht, und es freut mich, dass er meine Nachfolge antritt. Er wird sicherlich andere Akzente setzen, aber die Gesamtlinie entspricht meiner. Wann der Wechsel sein wird, ist noch nicht besprochen. Das Kirchenentwicklungsprojekt hat verschiedene Stufen. Jetzt haben wir die Namen der 36 hauptverantwortlichen Pfarrer. Im Sommer 2025 soll dann das Dreierteam aus leitendem Pfarrer, leitendem Referenten und stellvertretendem Pfarrer stehen. Der Wechsel soll im Lauf des Jahres 2025 sein. Bis dahin hat Pfarrer Knaus im Dekanat Zollern und ich hier im Hegau genug zu tun. Aber ich habe bereits eine Einladung aus dem Linzgau, ob ich nicht zum Kennenlernen hier und da mal dazukommen will und das werde ich natürlich auch machen.