Singen und der Hegau haben gewählt, die Stimmen für Europawahl und die Kommunalwahlen sind abgegeben. Seit Sonntagabend liegt das Ergebnis der Europawahl vor, das klar im Bundestrend liegt – und das genau aus diesem Grund die politische Landkarte ändern dürfte. Denn zum ersten Mal erringt die rechtspopulistische bis rechtsextreme AfD in Singen und den Hegau-Gemeinden praktisch flächendeckend den zweiten Platz. Im Vergleich zu 2019 steigert sie sich damit in der Region sogar stärker als im Bundestrend.

Die CDU sichert sich in Singen und den Hegau-Gemeinden die meisten Stimmen, bleibt dabei aber ungefähr stabil. Auch die aktuell an der Bundesregierung beteiligten Parteien SPD und FDP bleiben bei ähnlichen Stimmenanteilen wie 2019, die SPD bleibt dabei auf einem niedrigen Niveau. Vor allem die Grünen verlieren hingegen deutlich – auch das entspricht dem Bundestrend. In der Region halbieren sie ihr Ergebnis in den meisten Orten sogar und verlieren damit etwas stärker als auf Bundesebene.

Das könnte Sie auch interessieren

Was das Beispiel Singen zeigt

Besonders deutlich ist die Entwicklung in Singen. Die CDU büßt leicht ein auf 30,9 Prozent (2019: 31,4), SPD (11,1 Prozent, 2019: 13,6 Prozent) und FDP (6,2 Prozent, 2019: 6,5 Prozent) bleiben etwa stabil, doch die Grünen verlieren deutlich auf 9,9 Prozent (2019: 20,6 Prozent). Und die AfD wächst massiv auf 22,7 Prozent (2019: 13,2 Prozent).

Das bedeutet im Umkehrschluss: Bei der Europawahl in Singen haben mehr Wähler der AfD das Vertrauen ausgesprochen als SPD und Grünen zusammen. Und AfD und das neu angetretene Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW; 5,1 Prozent) kommen zusammen auf 27,8 Prozent der Stimmen – praktisch in Reichweite zur CDU.

Trend ist auch im Hegau zu sehen

In den vier nächstkleineren Gemeinden Engen, Gottmadingen, Hilzingen und Rielasingen-Worblingen ergibt sich ein ähnliches Bild, wenn auch nicht so deutlich. Die CDU wird jeweils stärkste Kraft, kann ihre Stimmenanteile halten oder sogar ein kleines bisschen erhöhen. Die Grünen hingegen sinken deutlich in der Wählergunst.

Das könnte Sie auch interessieren

Ähnliche Trends finden sich auch in den kleineren Gemeinden des Hegaus. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. In Tengen ist die Welt aus CDU-Sicht noch in Ordnung. Die Partei holt ein wenig mehr als 42 Prozent bei der Europawahl (2019: 37,4 Prozent) und hält die AfD mit 16,6 Prozent deutlich auf Abstand (2019: 8,2 Prozent).

Auffällig ist auch: Die AfD ist auch an der Schweizer Grenze in Gailingen (15,4 Prozent) und Büsingen (17,6 Prozent) vergleichsweise stark. Büsingen ist aber auch ein Ort, an dem sich die Grünen über 15,1 Prozent freuen können (2019: 21,6 Prozent).

Schlangestehen vor den Wahllokalen

Im gleichen Zuge wie die Parteien am Rand des politischen Spektrums erfolgreich waren, stieg auch die Wahlbeteiligung. Singen knackte in diesem Jahr die 50-Prozent-Marke und erreichte 53,2 Prozent Wahlbeteiligung (2019: 49,8 Prozent). In Rielasingen-Worblingen gingen 64,7 Prozent der Wahlberechtigten zur Europawahl (2019: 59,9 Prozent). Hilzingen übertraf den hohen Wert von 2019 noch einmal und erreichte in diesem Jahr 68,5 Prozent Wahlbeteiligung (2019: 64,1 Prozent). In Engen gingen 65,0 Prozent der Wahlberechtigten wählen (2019: 61,2 Prozent). Und in Gottmadingen gaben 60,1 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, etwas mehr als 2019 (59,0 Prozent).

Ende des Wahltags im Wahllokal von Wahlbezirk 63 im Neubau der Schillerschule in der Singener Südstadt. Dort musste überraschend eine ...
Ende des Wahltags im Wahllokal von Wahlbezirk 63 im Neubau der Schillerschule in der Singener Südstadt. Dort musste überraschend eine zusätzliche Urne für die vielen Kommunalwahlzettel eingesetzt werden. Von links die Wahlhelfer Alexandra Auer, Monika Kemmer und Julia Nachtigall. | Bild: Freißmann, Stephan

Dass die Wahlbeteiligung hoch sein würde, hatte sich schon am Nachmittag abgezeichnet. Vanessa Nielinger, Wahlleiterin in Singen, berichtete, dass teilweise Wahlurnen im Laufe des Tages unerwartet schon komplett mit Stimmzetteln gefüllt gewesen seien. So habe man zusätzliche Urnen in Wahllokale in der Schillerschule und der Johann-Peter-Hebel-Schule in der Singener Südstadt gebracht – Wahllokale mit traditionell vergleichsweise niedriger Wahlbeteiligung. Auch in mehreren Ortsteilen seien zusätzliche Urnen notwendig gewesen.

Kommunalwahl und Europawahl im Wahlbezirk 22 in der Gottmadinger Hebelschule. Auch nachmittags gegen 15.30 gab es noch eine ...
Kommunalwahl und Europawahl im Wahlbezirk 22 in der Gottmadinger Hebelschule. Auch nachmittags gegen 15.30 gab es noch eine Warteschlange vor dem Wahllokal. | Bild: Freißmann, Stephan

Im Gottmadinger Wahllokal für den Stimmbezirk 22 im Neubau der Hebelschule sagte Wahlhelfer Alexander Kopp: „Ich arbeite seit 25 Jahren bei der Gemeinde und habe noch nie erlebt, dass es bei einer Wahl permanent Andrang gibt.“ Teilweise hätten die Wähler während seiner Schicht, die um 13 Uhr begann, durch den ganzen Vorraum bis zur Treppe gestanden, so Kopp, der normalerweise im Bauamt der Gemeinde arbeitet. Zusätzlich zu den drei Wahlkabinen habe man zwei weitere Kabinen dazu geholt.

Manche dürfen nach 18 Uhr noch Stimme abgeben

Vanessa Nielinger erklärt die Rechtslage. Wer um 18 Uhr noch vor dem Wahllokal anstehe, könne zur Stimmabgabe zugelassen werden und werde auch zugelassen: „Die Wahlhelfer sind entsprechend geschult. Die Wähler können ja nichts dafür, dass so viele Menschen ihre Stimmen abgeben wollen.“ In zumindest einem Wahllokal in der Singener Schillerschule wurden denn auch nach 18 Uhr noch die letzten Stimmen abgegeben.