Es ist ruhig am Friedrich-Wöhler-Gymnasium. Bis auf wenige Lehrer und Schulleiterin Sabine Beck ist keiner mehr im Haus. Schon lange vor den Osterferien sind die Schüler ausgeflogen und sitzen zuhause, um zu lernen. Corona sei Dank, denn um eine Ausbreitung des Virus zu vermeiden, wurden die Schulen in Baden-Württemberg am 17. März geschlossen.
Das bedeutet nicht nur für Schüler eine große Umstellung. Auch die Lehrer stehen vor neuen Herausforderungen und überlegen, wie sie ihre Inhalte nun am besten vermitteln. Klar ist für Beck: „Wir dürfen niemanden ausschließen.“ Denn auch wenn Online-Unterricht über Videokonferenzen theoretisch möglich ist, habe nicht jeder Schüler ein passendes Gerät – oder eine passende Internetverbindung.
Umstände sind sehr unterschiedlich
Kaum Konferenzen, aber viel Kommunikation – so lässt sich beschreiben, wie derzeit an Singens Gymnasien unterrichtet und gelernt wird. „Das ist auch für die Kollegen neu“, sagt FWG-Leiterin Sabine Beck zum Heimunterricht. Eine genaue, einheitliche Regelung gebe es nicht am FWG. Grundsätzlich wird Material auf einen Tausch-Server gestellt, das dann von Schülern bearbeitet und wieder hochgeladen wird. Dabei halten sich die Lehrer an ihren Stundenplan. Das heißt, wenn am Mittwoch Deutschunterricht wäre, werden am Mittwoch neue Aufgaben eingestellt. Beck empfiehlt ihren Schülern feste Zeiten, um solche Aufgaben zu bearbeiten.

Ähnlich ist es am Hegaugymnasium, wie Leiterin Kerstin Schuldt am Telefon erklärt: „Wir haben mit einer Plattform schon eine Struktur für so etwas, aber mussten das noch nie in so einem großen Umfang nutzen.“ Jetzt werde bewusst, was Digitalisierung bedeutet.
Sabine Beck befürchtet: „Die Lernerfolge werden extrem unterschiedlich sein, weil die häuslichen Situationen sehr unterschiedlich sind.“ In einem Haushalt würden vielleicht drei Kinder gleichzeitig lernen müssen, während die Eltern auch im Home-Office sind, und anderswo gebe es eine Eins-zu-Eins-Betreuung, wenn ein Elternteil sich die Zeit nehmen kann. Gerade bei jüngeren Kindern seien die Eltern gefordert. „Wir wissen, was die Eltern da momentan alles leisten“, bestätigt Schuldt. Am Hegaugymnasium gilt wie am FWG: In manchen Fächern werde eher wiederholt, damit neue Inhalte nach der Rückkehr ins Schulgebäude besser gelernt werden können. Das sei von Klasse zu Klasse und Fach zu Fach unterschiedlich. „Jeder tut sein Bestes und das ist dann auch ok“, sagt Sabine Beck. Tests und Klausuren würden erstmal wegfallen. „Es erwartet niemand den Lernfortschritt wie im normalen Unterricht“, heißt es für das FWG.

Beck kann dem Heimunterricht auch Positives abgewinnen: „Letztlich befördert das nun, was man viele Jahre schon will: Der Unterricht wird viel individueller.“ Außerdem hätten beispielsweise ihre Abiturienten nun Gelegenheit, sich in aller Ruhe ausführlich vorzubereiten. Nach den ersten Tagen würden Schüler auch verstärkt die Gelegenheit nutzen, ihre Lehrer per Mail zu kontaktieren und nachzufragen, bestätigt Kerstin Schuldt für das Hegaugymnasium. Solche Rückfragen seien ein tolles Zeichen, dass an den Inhalten gearbeitet werde.

Beide Schulleiterinnen schildern stolz die Kreativität mancher ihrer Lehrer: Ein Chemielehrer habe beispielsweise am FWG extra Versuche gemacht und gefilmt, um die Videos mit seinen Schülern zu teilen. Andere zeichnen Tondokumente auf, um den Sprachunterricht greifbarer zu machen. Am Hegau-Gymnasium gibt es in einer fünften Klasse eine Karotten-Challenge, um den Klassen- Zusammenhalt auch virtuell zu stützen – dabei geht es darum, zuhause Karotten anzubauen. Eine Lehrerin habe auch Kinder-Yoga-Videos geteilt, Sportlehrer entwickeln Fitnesspläne für ihre Schüler. Fest steht für Beck aber auch: „Die Lehrer sind teilweise am Anschlag, denn wir haben mehr Arbeit als vorher.“
Wichtig sei die Rückmeldung von Eltern und Schülern, wenn es Probleme gibt. Da sind sich beide Schulleiterinnen einig. Denn nur so könne man das Konzept anpassen. „Wir haben im Moment das Gefühl, das geht ganz gut“, sagt Kerstin Schuldt. Nach dieser dritten Woche Home-Schooling hätten sich Lehrer wie Schüler aber ihre Ferien auch erstmal verdient. Wie es danach weitergeht, werde man sehen.

Christliche Schule im Hegau: Härtetest für eine freie Schule
Siglinde Unger leitet die Freie Christliche Schule Hilzingen und ist dieser Tage positiv gestimmt, denn der Unterricht zuhause entwickle sich gut. Individualisierung habe sich ebenso bewährt wie eine Lernplattform, mit der Schüler eigene Lernwege gehen können.
- Geräte: Anders als an vielen öffentlichen Schulen sind mangelnde Endgeräte an der Freien Christlichen Schule kein Problem: „Alle Schüler haben schon seit drei Jahren einen Zugang zu unserer Lernplattform“, erklärt Unger im Telefongespräch. Die Schule habe festgelegt, dass jeder Schüler ein eigenes Endgerät braucht. Tablets oder Computer können geleast werden.
- Struktur: Jeden Morgen um 9 Uhr kommt Siglinde Unger mit ihrem Team zusammen. Auch der Kontakt zu den 265 Schülern werde so gehalten: Ihre Oberstufen-Schüler sieht sie per Videokonferenz zum Beispiel zweimal pro Woche, bei Fragen gebe es auch Einzelgespräche. Und der Morgenkreis, mit dem ein Schultag beginne, finde nun eben online statt. Grundsätzlich werden nicht nur Schüler in Lerngruppen informiert, sondern auch die Eltern. In einem eigens eingerichteten Chatroom sind Erinnerungen festgelegt, wenn beispielsweise eine Abgabefrist ansteht, und zusätzlich Tipps und Material hinterlegt.
- Inhalte: Jeder Schüler ist laut Siglinde Unger geübt darin, seinen einen individuellen Wochenplan zu erstellen, denn das sei an der Gemeinschaftsschule bereits üblich. Der Unterschied: Momentan geschieht das online, Lehrer unterstützen verstärkt dabei und der Schüler legt seine Dateien mit den erledigten Aufgaben dann wieder in einen eigenen Ordner auf einem Tausch-Server ab. Der Unterricht ist aktuell teils reduziert: Eltern von Grundschülern erhalten Material für Deutsch und Mathe, eine vorgelesene Geschichte, Musik zum Mitsingen und jeden Tag einen Impuls – in dieser Woche den Osterweg. Für die fünfte bis siebte Jahrgangsstufe werden deutlich mehr Stunden Lernen pro Tag empfohlen und für die achte bis zehnte Klasse sind feste Zeiten von 8.30 bis 12 Uhr sowie nachmittags vereinbart. Oberstufenschüler arbeiten in allen Fächern. Für Abschlussklassen gibt es extra Online-Treffen – fünf Schüler stünden beispielsweise vor ihrer mittleren Reife, erklärt die Schulleiterin. Für alle, auch die Oberstufe, gebe es feste Abgabefristen jeweils freitags.
- Zukunft: Leistungskontrollen in Form von Tests sind laut Schulleiterin Siglinde Unger vorerst verschoben. Online-Tests wären zwar möglich, sind aber noch nicht getestet – für die Zeit nach den Osterferien sei das aber eine Option, wenn der Unterricht zuhause fortgesetzt werden müsste. „Wir kriegen es auch hin, wenn es länger gehen sollte“, sagt Unger. „Die größte Herausforderung ist jedoch, die soziale Nähe und die Beziehung zu den Schülern zu erhalten.“ (isa)