Der Sommer in Singen kann bisweilen richtig heiß sein. Aber auch heftige Regenfälle gibt es hier immer wieder. So hat das Starkregenereignis im vergangenen Juni nicht nur viele Keller, sondern auch die Unterführungen der Stadt volllaufen lassen – und dabei einige Schäden verursacht. Es ist klar: Der Klimawandel hat Auswirkungen auf die Stadt.
Im November 2024 hat der Gemeinderat daher ein Klimaanpassungskonzept verabschiedet. Darin ist aufgezählt, wie man die Menschen in Singen vor den Folgen des Klimawandels schützen kann. Nun geht die Stadt einen Schritt weiter und hat, gemäß einem Antrag der Grünen vom Dezember 2022, eine Entsiegelungspotenzialanalyse entwickelt und im Ausschuss für Stadtplanung, Bauen und Umwelt vorgestellt.
Die Versiegelung von Flächen hat Auswirkungen auf Stadtklima, Wasserhaushalt und Aufenthaltsqualität. Vor allem in der Singener Innen- und Südstadt sind viele Flächen versiegelt. Dies kann im Sommer zu spürbaren Hitzebelastungen führen. Alena Hayer von der Stabsstelle Klimaschutz und Klimaanpassung erklärte es so: „Versiegelte Flächen treiben die Hitzebelastung in der Stadt nach oben. Reduzieren wir diese Flächen, können wir auch die Hitzebelastung besser in den Griff kriegen“.
Sieben Grad Temperaturunterschied
Die Klimaanalyse von 2018 zeigt, dass Singen eine sehr hohe Hitzebelastung hat. „In manchen Teilen der Stadt gibt es Temperaturunterschiede von sieben Grad Celsius zu den Freiflächen außerhalb“, erklärte sie. Das liege daran, dass in der Stadt Hitze gespeichert werde, die auch nachts nicht abgebaut werden könne – wegen der Versiegelung.
Das Stadtklima wird durch die Frischluftzufuhr, die Temperaturen, die Bebauung und Versiegelung sowie die Grünflächen beeinflusst. Eine dichte Bebauung und eine starke Versiegelung verringern den Klimakomfort, während Bäume ihn verbessern. Laut der Klimaanalyse ist in Singen der Stadtklimaeffekt zu beobachten: Durch die Bebauung und Versiegelung bilden sich hier Wärmeinseln. Betroffen sind vor allem die Innenstadt, das Industriegebiet und die Südstadt. Laut Analyse kann die Hitzebelastung tagsüber in diesen Bereichen über 41 Grad Celsius betragen. Flächen zu entsiegeln, könnte dabei helfen, die Hitzebelastung zu senken.
Wie Oberbürgermeister Bernd Häusler erläuterte, handle es sich bei der nun entwickelten Entsiegelungspotenzialanalyse um ein Planungsinstrument, das den städtischen Mitarbeitern, die sich mit Baumaßnahmen beschäftigen, eine Grundlage bieten soll. „Das sind Impulse, die wir reingeben wollen. Die Potenzialanalyse soll ein erstes Werkzeug für die Stadtverwaltung sein, um in Zukunft diese Aspekte bei der Stadtplanung mit einzubeziehen“, ergänzte Hayer.
Denn nicht jede städtische Fläche eigne sich für eine Entsiegelung. So befinden sich unter städtischen Straßen und Flächen sämtliche Leitungen, Kanäle oder eine Tiefgarage und eignen sich nicht für eine Entsiegelung, da etwa die Leitungen dann verlegt werden müssten. „Wir haben uns also angeschaut, wo man theoretisch entsiegeln könnte, ohne aufwendige Maßnahmen ergreifen zu müssen“, sagte Hayer.
Einfach ausgedrückt: Die Analyse schließt ungeeignete Flächen aus. Dazu zählen private Flächen, öffentliche Plätze, Gebäude, überbaute Flächen sowie Ein- und Ausfahrten. Berücksichtigt wurden auch bestehende Grünflächen sowie sämtliche Leitungsträger. Dennoch stellt Hayer klar, dass es sich bei der Analyse um eine Übersichtskarte handle, die theoretische Potenziale aufzeigt, wo man die Stadt entsiegeln könnte. „Es ist kein Umsetzungskonzept für die Entsiegelung bestimmter Orte. Nur weil es theoretisch Entsiegelungspotenzial gibt, heißt es nicht, dass die Stadt konkret vorhat, dort zu entsiegeln“, betonte Hayer.
Die Potenzialanalyse sei laut Hayer dazu da, frühzeitig mögliche Entsiegelungsmaßnahmen in Bauprojekten zu integrieren. „Sie ist eine Grundlage für strategische Entscheidungen“. Und weil die Analyse ein digitales Werkzeug ist, könne sie stets aktualisiert werden. Zudem können andere digitale Karten, wie eine Starkregengefahrenkarte, darüber gelegt werden. Dies würde dazu beitragen, gezielt Flächen mit hoher Hitze- und Hochwassergefährdung zu identifizieren und zu priorisieren.
Die entwickelte Analyse basiere auf dem Schwammstadt-Prinzip. „Die Idee dahinter ist, dass die Stadt als Schwamm dienen kann. Das heißt, die Stadt kann Wasser aufnehmen, wenn es zu viel davon gibt, etwa bei Starkregenereignissen. Im gleichen Zug kann die Stadt aber auch Wasser abgeben, wenn es zu wenig davon gibt, beispielsweise bei Dürreperioden“, so Hayer.
Für Stadtrat Eberhard Röhm (Grüne) sei es nun auch wichtig, dass die Analyse auch genutzt werde und nicht nur eine Karte für die Schublade bleibe. Walafried Schrott (SPD) plädierte dafür, dass man sich ein paar Hitze-Hotspots anschaue und, wo möglich, Maßnahmen ergreife. Die städtische Klimaschutzbeauftragte Johanna Volz erklärte, dass es nicht so einfach sei.
Für alle Potenzialflächen sei eine Einzelfallprüfung erforderlich. Dabei seien technische, städtebauliche und wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. Laut Volz habe sich die Stadtverwaltung schon ein paar Stellen im Industriegebiet angeschaut, aber es habe immer ein Aspekt gegeben, dass einer Entsiegelung im Weg stehe. „Es ist eine Herausforderung“, sagte sie.