Der Fall um einen Elfjährigen, der am vergangenen Samstag, 6. Februar, von Polizisten in Handschellen abgeführt wurde, wirft nach wie vor viele Fragen auf. Antworten gibt es allerdings auch. Uwe Vincon, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, hat mittlerweile auf Nachfrage bestätigt, dass es am Samstag im Bereich des Polizeireviers Singen einen Vorfall gegeben habe, bei dem ein Elfjähriger zur Wache mitgenommen worden sei. Und er bestätigt, dass dem Jungen Handschellen angelegt worden seien. Weitere Details nennt er jedoch mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht. Denn nach einer Anzeige der Familie des Jungen, die sich gegen die Polizisten richtet, ermittelt die Kriminalpolizei Rottweil. Der Fall zieht Kreise bis zum Landesinnenministerium in Stuttgart und hat ein bundesweites Medienecho hervorgerufen.
Warum die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Konstanzer Polizeipräsidiums zunächst keine Angaben zu dem Fall machen konnte, begründet Vincon auch. Der Grund dafür sei, dass die Beamten, die beim Einsatz dabei waren, diesen noch nicht abschließend dokumentiert gehabt hätten, was auch am Schichtdienst liege: „Wir bekommen nicht die fertigen Ermittlungsergebnisse für jeden Fall“, so Vincon. Zudem sei die Strafanzeige der Familie, aus der weitere Informationen zu entnehmen waren, erst später beim Polizeipräsidium eingegangen.
Anwohner berichten von dem Einsatz am Samstag, 6. Februar
Klar ist inzwischen auch, wo sich der Vorfall zugetragen hat. Ort des Geschehens war der Berliner Platz in der Singener Südstadt, genauer gesagt die Hochhäuser Romulus und Remus. Entsprechende Informationen bestätigen sich bei einem Besuch vor Ort. Mehrere Anwohner berichten übereinstimmend, dass Polizisten am Samstagnachmittag einen Jungen von dort mitgenommen hätten, auch von Handschellen ist die Rede. Was dort sonst noch zu hören ist, lässt allerdings aufhorchen, denn es widerspricht streckenweise den Vorwürfen, die der baden-württembergische Landesverband Deutscher Sinti und Roma am Mittwoch per Pressemeldung erhoben hat (siehe Text unten). In dieser Mitteilung war von einer anlasslosen Personenkontrolle die Rede. Der Verband kommt mehr oder weniger offen zum Schluss, dass die beteiligten Polizisten aus rassistischen Motiven gehandelt hätten.
Ein Bewohner, der mit den Verhältnissen vor Ort vertraut ist, berichtete indes, dass es durchaus eine Vorgeschichte gegeben habe. Es sei bei dem Einsatz am Samstag um eine Gruppe von Kindern oder Jugendlichen gegangen, die nicht in der Anlage selbst lebe. Sie seien schon mehrfach auf dem Gelände gewesen und hätten Unruhe gestiftet, am fraglichen Samstag sogar in einem der Gebäude. Ein Bewohner des Hauses habe daraufhin die Polizei verständigt. Die Beamten hätten die Kinder weggeschickt. Nur eines der Kinder habe frech reagiert und mit den Polizisten herumdiskutiert. Eine Beurteilung des Einsatzes wolle er allerdings nicht abgeben, sagt der Mann auch, denn er habe nicht alles als Augenzeuge miterlebt. Es habe wie ein normaler Einsatz ausgesehen, die Polizisten seien in seinen Augen normal und korrekt aufgetreten. Und er sagt: „Die Polizei beschützt uns.“ Man wolle nicht, dass Leute von außen in den Wohnblocks Unruhe stiften.
In einem Medienbericht zu dem Fall ist außerdem unter anderem die Rede davon, der betroffene Junge habe in Richtung der Beamten gespuckt, sie beschimpft und sich mehrfach geweigert, seinen Namen und sein Alter zu nennen. Ob sich die Sache aus Sicht der Polizei so zugetragen habe, bestätige oder dementiere er nicht, sagt Polizeisprecher Vincon auf Nachfrage. Doch er gibt auch zu bedenken, dass es mitunter schwierig sein kann, das Alter von Jugendlichen einzuschätzen. Um strafmündig zu sein, muss man in Deutschland mindestens 14 Jahre alt sein. Der Bewohner der Anlage sagt, ihm sei das Kind älter als elf Jahre vorgekommen.
Haben sich die Polizisten also korrekt verhalten? Oder sind die Vorwürfe des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma korrekt? Was im Detail passiert ist, wird wohl erst die Aufarbeitung durch Kripo und Justiz zeigen können.