Bill ist mit seinen Freunden mit Feuereifer beim Lernen dabei. Mathe steht auf dem Stundenplan und die Klasse der Haldenwang-Schule sitzt gerade an einer kniffligen Additionsaufgabe. Doch Bill macht das nichts aus. Im Gegenteil: Er ist froh, dass er endlich wieder lernen darf. „Ich freue mich, dass die Ferien vorbei sind und ich endlich wieder hier sein darf“, sagt er. Schulleiter Daniel Baerwind grinst bei diesen Worten. Doch das Grinsen ist nicht von langer Dauer. Denn die Haldenwang-Schule steht vor keinem leichten Schuljahr, das wird schon nach wenigen Wochen deutlich. Denn das Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) kämpft mit alten und neuen Problem.

Volle Klassen und weniger Stunden

Nadja Hennes, zuständig für Sonderpädagogik beim Schulamt in Konstanz, macht aus der aktuellen Situation kein Geheimnis: „Uns fehlt es massiv an Fachlehrkräften.“ Auch die Haldenwang-Schule bekomme dies zu spüren. Wie das SBBZ in Singen damit umgeht? Laut Daniel Baerwind müssten die Klassen vergrößert werden. „Wenn wir unsere Klassengrößen auf den Regelbetrieb übertragen würden, waren unsere Klassen zu 150 Prozent voll.“

In den Klassenzimmern im Altbau wird es in der Haldenwang-Schule eng (von links): Bill, Julian, Lehrer Rainer Günter, Mohamed, Delil, ...
In den Klassenzimmern im Altbau wird es in der Haldenwang-Schule eng (von links): Bill, Julian, Lehrer Rainer Günter, Mohamed, Delil, Maurice, Lehrerin Duygu Günaydin, Angelique, Schulbegleiterin Almuth Wieland und Alicija haben dennoch Spaß am Lernen. | Bild: Matthias Güntert

Aber die Klassengröße ist nicht der einzige Punkt, an dem die Personalnot bei Sonderpädagogen zum Tragen kommt. Laut Schulleiter Baerwind müssten schon jetzt drei Unterrichtsstunden pro Woche gestrichen werden. In Zahlen ausgedrückt: 23 Klassen hat die Haldenwang-Schule, in jeder fallen drei Wochenstunden aus. „Zusammen macht das rund 100 Lehrstunden weniger“, schildert Ingrid Künnecke, stellvertretende Schulleiterin. Aus 34 Unterrichtsstunden pro Woche werden so 31 Stunden. Ein Umstand, der Baerwind und Künnecke mächtig stört.

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Aber immerhin: Die Hauptfächer seien von den Ausfällen nicht betroffen, sondern das Fach Betreute Freizeit. „Jetzt muss die betreute Freizeit zuhause stattfinden“, sagt Künnecke. Und dieser Umstand trifft vor allem die Eltern schwer. „Für die Eltern ist dies zum Teil ein großes Problem, denn es fehlt ihnen damit Betreuungszeit“, ergänzt Baerwind. Die Belastung des Kollegiums werde immer größer. Weitere Ausfälle, etwa durch Krankheiten, könne man kaum auffangen. „Das Ende der Fahnenstange ist erreicht“, so Baerwind weiter. Allerdings sei der Mangel an Sonderpädagogen kein exklusives Problem an der Haldenwang-Schule, vielmehr würden laut dem Schulleiter alle SBBZ mit dieser Problematik kämpfen.

Stellen sind da, aber nicht besetzt

Das Kuriose dabei: Laut Stellenplan seien die Stellen für Krankheitsvertretungen zwar besetzt, aber effektiv nicht da, erklärt Nadja Hennes. Aufgrund von Krankheitsausfällen oder Schwangerschaften sind die Personen nämlich nicht einsatzfähig. Zwar bemühe sich das Regierungspräsidium um Krankheitsvertretungen, aber oftmals seien dies Mitarbeiter mit befristeten Verträgen und sie seien nicht immer sonderpädagogisch ausgebildet. „Wir tun wirklich, was wir können. Aber der Fachkräftemangel schlägt hier voll zu“, so Hennes.

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Ein weiterer Umstand an der Haldenwang-Schule ist seit Jahren bekannt: die Raumnot am Singener SBBZ. Aber so eng wie in diesem Jahr war es laut Schulleiter Baerwind noch nie. „Das Gebäude ist an den Grenzen angelangt. Alle Zimmer sind voll“, sagt er. Es gebe auch keine Möglichkeit mehr auf Erweiterungen, ohne in die Infrastruktur einzugreifen. Auch die kürzlich erst aufgestellten Container seien proppenvoll.

Schulleiter Daniel Baerwind: „Der Unterricht findet im Klassenzimmer statt und davon haben wir seit Jahren zu wenige.“
Schulleiter Daniel Baerwind: „Der Unterricht findet im Klassenzimmer statt und davon haben wir seit Jahren zu wenige.“ | Bild: Matthias Güntert

Die Haldenwang-Schule wächst rasant

Aktuell besuchen 181 Schüler die Haldengwang-Schule. Vor drei Jahren waren es noch 150 Schüler. „Die Zahl überrascht nicht“, betont Baerwind. Schon vor Jahren habe man auf die Raumnot hingewiesen. Natürlich wisse er, dass der Landkreis Konstanz als Schulträger einen hohen Aufwand betreibe, um zumindest Übergangslösungen wie mit den Container zu realisieren. Aber die Zeit der Interimslösungen sei nun vorbei. „Der Unterricht findet im Klassenzimmer statt und davon haben wir seit Jahren zu wenige“, betont er. Vor allem Differenzierungsräume würden fehlen. Deshalb sei die Zeit von Containerlösung vorbei, nun brauche es einen Erweiterungsbau.

Weil die Schüler körperlich eingeschränkt sind, brauchen sie Hilfsmittel und für die fehlt Platz.
Weil die Schüler körperlich eingeschränkt sind, brauchen sie Hilfsmittel und für die fehlt Platz. | Bild: Matthias Güntert

Denn die Haldenwang-Schule ist keine gewöhnliche. In einem Klassenzimmer sitzen nicht dutzende Schüler an ihren Plätzen und blicken auf eine Lehrerin an der Tafel. In ein Klassenzimmer kommen sieben Schüler, häufig zwei Lehrer, ein FSJ-ler und eine Schulbegleiterin zusammen. „Wir planen Unterricht für jeden einzelnen Schüler, deshalb haben wir auch so einen hohen Personalaufwand“, erklärt der Schulleiter. Der Lehrplan richtet sich nach dem sonderpädagogischen Bedarf. Dieser Alltag sah vor 51 Jahren noch anders aus. Als die Haldenwang-Schule gebaut wurde, war sie für 80 geistig behinderte Schüler vorgesehen. Jetzt ist sie zu klein, zu eng und bietet zu wenig Platz. „Im Gebäude gibt es zu viele Einschränkungen, der den Unterricht mittlerweile schwierig macht“, sagt Baerwind.