Der Beschluss zur Erhaltung von prägenden Gebäuden für das Singener Gründerzeit-Quartier kommt in Trippelschritten daher. Der Gemeinderat beauftragte die Stadtverwaltung in seiner jüngsten Sitzung mit der Aufstellung einer entsprechenden Satzung, wobei parallel die betroffenen Gebäudeeigentümer über die Auswirkungen informiert und auf diese Weise in den Entscheidungsprozess einbezogen werden sollen. Erst danach wollen die Stadträte entscheiden, ob die Stadt in Zukunft beim Abriss oder bei der Umgestaltung von rund 90 Gebäuden die Möglichkeit zur Einflussnahme bekommt. Für die Zeit bis zur Entscheidung über die Satzung verabschiedete der Gemeinderat außerdem ein Vorkaufsrecht der Stadt.

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Der Vorschlag für diese Vorgehensweise kam von Oberbürgermeister Bernd Häusler, der damit der CDU-Fraktion entgegenkam. Diese hätte die Diskussion und die Entscheidung über die Erhaltungssatzung am liebsten bis nach einem Informations- und Beteiligungsverfahren der Gebäudeeigentümer vertagt, doch der entsprechende Antrag wurde von einer knappen Ratsmehrheit abgelehnt. Damit war für die Stadtplaner und Initiatoren der Erhaltungssatzung der Weg frei für die Präsentation, die bereits in der Sitzung des zuständigen Ausschusses vorgestellt worden war. Letzteres war der Grund, warum das Ratsplenum danach auf eine Aussprache verzichtete. FDP-Fraktionssprecherin Kirsten Brößke versprach sich davon keine neuen Erkenntnisse, stellte in leicht gereizter Tonlage einen Antrag zur Abstimmung über den OB-Vorschlag und setzte sich damit (ebenfalls knapp) durch.

CDU-Chef keilt in Richtung Rot-Grün

Immerhin verdeutlichte das Ergebnis über die von Bernd Häusler vorgeschlagene Vorgehensweise, wohin die Reise geht. Bei zwei Enthaltungen votierten 15 Stadträte (überwiegend aus den Reihen von SPD, Grünen, Freien Wählern und SÖS) für die Ausarbeitung einer Satzung und das auf diese Zeit befristete Vorkaufsrecht, zehn Stadträte (vor allem CDU und FDP) hätten ein anderes Procedere für besser gehalten.

„Die Bürger in Singen sind es gewohnt gehört zu werden. Das sollten wir beibehalten.“Klaus Niederberger, CDU-Stadtrat.
„Die Bürger in Singen sind es gewohnt gehört zu werden. Das sollten wir beibehalten.“Klaus Niederberger, CDU-Stadtrat. | Bild: THOMAS WOEHRSTEIN

In welchem Maß im Fall der Erhaltungssatzung Inhalte und Verfahrensvorstellungen miteinander verflochten sind, ging aus einer Stellungnahme des Fraktionsvorsitzenden Franz Hirschle hervor. Er verwahrte sich gegen den Eindruck, dass er und seine Kollegen einer Politik der Abrissbirne Vorschub leisten wollten. „Auch wir wollen die Erhaltung von prägenden Gebäuden“, erklärte er auf eine bei ihm sonst selten echauffierte Art und Weise und keilte in Richtung der Konservierungskoalition. Denn üblicherweise seien es ja gerade die Grünen und die Linken, die die Bürger in den Entscheidungsprozess einbinden wollten. Doch bei den Gebäudeeigentümern, die nach Einschätzung der Zauderer im Rat die Konsequenzen einer Erhaltungssatzung noch gar nicht einschätzen könnten, sei dies offenbar anders. Diese Position hatte zuvor schon Franz Hirschles Fraktionskollege Klaus Niederberger ins Feld geführt: „Die Bürger in Singen sind es gewohnt gehört zu werden und das sollten wir beibehalten.“

Gründerzeit-Architektur als Zeichen der Dynamik einer Stadt

  1. Das Quartier: Als Gründerzeit-Quartier bezeichnet wird in der Diskussion das rasterförmig angelegte Gebiet zwischen Bahnhof und Freiheitstraße im Süden und Norden sowie der Haupt- und Höristraße im Westen und Osten. Die zweckmäßige Durchwegung dieses Bereichs der Innenstadt ist dem schnellen Wachstum Singens ab 1860 geschuldet. Seit der Wende zum 20sten Jahrhundert entstanden hier zahlreiche Gebäude, die für den aufstrebenden Geist der Zeit und der Stadt stehen.
  2. Die Erhaltungssatzung: Sie soll der Stadt die Möglichkeit zum Erhalt von etwa 90 Gebäuden an die Hand geben. Anders als beim Denkmalschutz wird dabei nach Darstellung der Stadtplaner die bauliche Entwicklung nicht unterbunden. Demnach geht es nicht um den „Erhalt des Gebäudes, sondern um den Beitrag, den es für das Quartier leistet“. Wirksam wird die Erhaltungssatzung damit vor allem bei beabsichtigten Abrissen oder baulichen Veränderungen bei Fassaden.
  3. Der Konflikt: Nach Darstellung der Planer müssen die Gebäudeeigentümer mit keinen Nachteilen rechnen. Sollte beispielsweise die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, hat sie sich am realen Gebot eines Kaufinteressenten und nicht am Verkehrswert zu orientieren. Gleichwohl handelt es sich um eine Beschränkung der Eigentumsrechte. Beispiel: Der Abriss eines Gebäudes zugunsten eines Neubaus obliegt nicht mehr der Entscheidung des Eigentümers.