In den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) sollen genau die gefördert werden, die eine Förderung besonders benötigen – Kinder, die mit einer körperlichen oder geistigen Benachteiligung ins Leben starten. Doch genau hier soll gespart werde. Mit Beginn des laufenden Schuljahres wurde die Zahl der Wochenstunden aufgrund des akuten Lehrermangels von bisher 34 auf 28 reduziert. 20 Prozent der Schulstunden wurden also gestrichen.

„Das sind zwei Deutschstunden sowie zwei Mathematikstunden pro Woche, der Sport- und Musikunterricht entfällt ganz und auch in den folgenden Schuljahren ist keine Besserung zu erwarten“, bilanziert Werner Neff, einer der Sprecher der neuen Elterninitiative Aufschrei, die in einer Informations- und Dialogveranstaltung in der Haldenwang-Schule in Singen über die aktuelle Lage in den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) berichtete.

„Was wäre los, welchen Aufstand würde es geben, wenn zu Schuljahresbeginn der Direktor eines Gymnasiums dies in der Elternversammlung ankündigen würde?“, fragt Neff. Der Elterninitiative gehe es dabei keineswegs darum, eine Schulart gegen die andere auszuspielen.

An der Haldenwang-Schule in Singen hat sich die Elterninitiative mit Vertretern von Schule und Verwaltung ausgetauscht.
An der Haldenwang-Schule in Singen hat sich die Elterninitiative mit Vertretern von Schule und Verwaltung ausgetauscht. | Bild: Matthias Güntert

Schulleiter Daniel Baerwind, Hausherr der Haldenwang-Schule, kennt die grundsätzlichen Problemfelder der Sonderpädagogischen Bildungszentren und versteht die Nöte der Eltern: „Durch die katastrophale Situation sowohl bei Personal wie auch bei den Räumlichkeiten befinden sich die SBBZ in einem ständigen Krisenmodus, der ihnen die Erfüllung ihres Bildungsauftrags sehr erschwert“, beklagt er ein mangelndes Interesse der Entscheidungsträger an dieser Schulform. Klare Aussagen und Perspektiven für diesen Schultyp vermisst er.

Großer Mangel in der Lehrerversorgung

Werner Neff nahm den Ball auf und ging zunächst auf die Versorgung mit Lehr- und Betreuungskräften in den vier Schulen von Konstanz bis Villingen-Schwenningen ein: „Wenn man die gemäß einer Verwaltungsvorschrift notwendigen 34 Betreuungsstunden pro Woche zugrunde legt, so fehlen in den Schulen zwischen 20 und 30 Prozent an Lehrkräften.“

Rektor Daniel Baerwind leitet die Haldenwang-Schule.
Rektor Daniel Baerwind leitet die Haldenwang-Schule. | Bild: Arndt, Isabelle

Dieses Defizit bestehe an allen baden-württembergischen SBBZ. Zwar habe die Landesregierung 175 neue Studienplätze für das Fach Sonderpädagogik geschaffen und damit die Plätze für diesen Studiengang auf insgesamt 700 erhöht. Wenn allerdings jetzt bei 16.000 Sonderschullehrern im Land bereits über 3000 fehlen, werde klar, dass diese Erhöhung die Problematik allenfalls reduzieren, aber keinesfalls beheben könne.

Hinzu komme, dass für diesen Schultyp auch in den nächsten Jahren eine steigende Schülerzahl prognostiziert wird. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Schülerzahl bereits um 85 Prozent erhöht.

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Hinzu kommt die räumliche Situation. Weder an der Regenbogen-Schule in Konstanz noch an der Haldenwang-Schule in Singen haben sich laut der Elterninitiative ausreichende räumliche Veränderungen ergeben. Dies bedingt beispielsweise, dass für autistische veranlagte Kinder früher vorhandene Ruheräume, in die sie sich mal zurückziehen können, inzwischen überall fehlen.

Betreuungsaufwand für Eltern steigt

Die Missstände haben Konsequenzen für Eltern, Lehrer und natürlich insbesondere für die betroffenen Schüler. Das zeigt sich am Beispiel von Matthias Colberg. Er hat das Glück, dass sein Sohn in die Notbetreuung aufgenommen wurde. Somit kommt er an zwei Tagen erst um 15 Uhr nach Hause, während er an den restlichen Tagen schon um 13 Uhr die elterliche Betreuung braucht. Für Colberg bedeutet das, dass er Präsenztermine, die sein Chef beispielsweise um 14 Uhr an diesen Tagen vorsieht, absagen muss. Die Sorge, die ihn zwangsläufig beschäftigt, ist, wie lang ein Arbeitgeber das mitmacht.

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Lehrer beklagen, dass sie ihren Vorstellungen eines für jedes Kind speziellen Unterrichts nicht mehr gerecht werden. Und Kindern fehlen mit dem Schulabschluss entsprechende Qualifikationen. Zu beobachten sei laut Elterninitative auch eine zunehmende Verhaltensauffälligkeiten bei den Schülern. Soziale Kompetenzen, die hauptsächlich durch Kontakte in der Schule erlernt werden können, seien kaum noch vorhanden.

Große Aufgaben für die Verwaltung

Die Elterninitiative fordert daher eine baldige Rückkehr zu 34 Wochenstunden, wobei kurzfristig eine Überbrückung durch die Zusammenarbeit mit Musikschulen oder Lebenshilfe-Organisationen geprüft werden sollte. Hilfreich wäre zudem ein Koordinator, der als Ansprechpartner für alle Belange dienen sollte, da aktuell unterschiedliche Ämter für die Lehrerversorgung oder die Räumlichkeiten zuständig sind.