
Von unten ist es kaum zu erkennen, doch der Wiederaufbau des ehrwürdigen Singener Hotels Victoria geht ins Finale. Im Rahmen der Cano-Bauarbeiten hat das Gebäude nun auch seinen Turm zurückbekommen. Nachdem das denkmalgeschützte Gebäude komplett ab- und eins zu eins wieder aufgebaut wurde, ist nun auch der Turm komplett.
Rund zwei Jahre nachdem die Bauarbeiten für das Cano begonnen haben, werden nun Zug um Zug Bauabschnitte des mit 16 000 Quadratmetern Verkaufsfläche bald größten Singener Einkaufstempels fertig. Die Eröffnung des Cano ist für November 2020 geplant.
Mit dem Abriss der bestehenden Gebäude an der Bahnhofstraße zwischen Thurgauer Straße und Alpenstraße haben die Bauarbeiten im Sommer 2018 begonnen. Bereits während dieser Anfangsphase wurde auch die denkmalgeschützte Fassade des Hotels Viktoria abgebaut und katalogisiert, um sie später wieder in die Fassade des Cano integrieren zu können.
Roland Drewans überwachte im Auftrag des Investors ECE den Ab- und Wiederaufbau der denkmalgeschützten Vorderseite des Hotel Viktoria, die nun in die Außenwand des neuen Einkaufszentrums integriert wird.

Der 55-jährige Fassadenbauleiter hat deutschlandweit bereits an zahlreichen Großprojekten mitgearbeitet. Mittels Scan- und Fotoanfertigungen, sogar mit Drohnenflügen, wurde das Gebäude analysiert. Das Ergebnis: Das 1908 erbaute Hotel sei aus etwas mehr als 1000 wiederverwendbaren Steinen zusammensetzt. „Das Erdgeschoss besteht aus Tengener Muschelkalk, die restlichen Bauteile aus Betonwerkstein“, erklärte Drewan gegenüber dem SÜDKURIER zu Beginn der Arbeiten.

Dabei hat die originale Bauweise bereits im Erdgeschoss für Stirnrunzeln gesorgt. Die sogenannten Possensteine seien weitgehend in ihrer natürlichen Form verbaut worden. Das heißt: Die Steine sind unterschiedlich hoch, breit, lang und tief. Wenn man sie nun – wie im Singener Fall von der Stadt gefordert – originalgetreu wieder aufbauen möchte, beginnt zwangsweise das, was Drewans als gigantisches Puzzlespiel beschreibt. „Jeder einzelne Stein muss händisch abgetragen und nummeriert werden, damit er später exakt an der richtigen Stelle wieder verbaut werden kann.“

Inzwischen sind die Steine aus dem Außenlager wieder an ihrer ursprünglichen Stelle angekommen und angepasst. Das markante Türmlein, an dem früher ein Fahnenmast angebracht war, wurde als Ganzes abgetragen. „Leider war die Oberfläche komplett mit Rost übersät“, erinnert Drewan. Da man den Rost nicht einfach herunter schleifen konnte, wurde das Türmchen saniert.

Dabei hat sich herausgestellt, dass der Zustand gar nicht so dramatisch war, wie es zuerst schien. „Die Turmhaube ist im Originalzustand“, erläutert Konrad Joos vom beauftragten Orsinger Holzbauunternehmen, während die Cano-Arbeiter fasziniert Bilder von dem historischen Ereignis machen. Auch für ECE-Bauleiter Lennard Sirag zeigte sich im Vorfeld von dem Schmuckstück fasziniert: „Das wird so eine schöne Ecke werden“, sagt er im Blick auf Altes Zollamt und Wetzstein-Villa im Schatten der Lindenbäume.
Fünf Schritte zum Ziel
- Auf dem Tieflader wurden Haube und Sockel des Türmchens von der Orsinger Zimmerei Holzbau Joos angeliefert und dann auf einen Spezialtransporter umgeladen.
- Das Turmhäubchen konnte nach erfolgter Sanierung und Reinigung nahezu im Originalzustand wieder an seinen Platz gehoben werden, wie die Fachleute vor Ort stolz festhielten. Dort wurde es auf dem Sockel montiert.
- Der Sockel und das Häubchen bilden gemeinsam die Turmspitze, die mit einem Spezialkran auf das Dach des wieder auferstandenen Hotels Viktoria gehievt wurden.
- Die Experten von Holzbau Joos setzen das Türmchen in Millimeter-Arbeit passgenau auf die vorherbestimmte Stelle. lediglich kleiner Korrekturarbeiten waren notwendig, um die Turmspitze zu setzen.
- Die Turmspitze wird nun am Sockel noch mit Kupferblech verkleidet und anschließend geschlossen. Ob es dann wieder über 100 Jahre an Ort und stelle verharren darf, bleibt abzuwarten.