Annegret Werle erinnert sich gerne an die Weihnachtsfeste ihrer Kindheit und hütet seit Jahren einen kleinen Schatz: einige handgeschriebenen Rezepte ihrer Mutter, nach denen sie noch heute zur Weihnachtszeit kocht und backt.
In Pommern geboren musste die damals sechsjährige Annegret 1945 mit ihrer Mutter und Zwillingsschwester nach Hannover flüchten. Sie wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Ihr Vater, der sich zum Zeitpunkt der Flucht noch in englischer Gefangenschaft befand, stieß erst später zur Familie. Er fand in den Nachkriegsjahren zunächst keine Arbeit. „Eine Tante von uns wohnte damals in Engen“, erzählt Annegret Werle, „die schrieb uns, wir sollten ins Hegau kommen, dort gäbe es mehrere Firmen, die Arbeiter suchten.“
Kleine Dinge machten früher Weihnachten zu einem besonderen Fest
Die Familie zog nach Singen und tatsächlich bekam der Vater rasch eine Anstellung bei „der Alu“. Annegret Werle erinnert sich an eine schöne Kindheit im Schoß ihrer Familie und ganz besonders an Weihnachten, das nicht durch große Geschenken, sondern durch die kleinen Dinge zu einem unvergesslichen Fest wurde.
Nur an Weihnachten gab es für jeden eine ganze Cervela zum Kartoffelsalat, und die weiblichen Familienmitglieder mussten sich nicht, wie sonst, eine teilen. Auch das gemeinsame Backen mit der Mutter war immer ein Erlebnis. Die Plätzchen wurden in der Adventszeit gebacken, aber erst zu Weihnachten lagen sie dann mit Nüssen, Apfelsinen und Äpfeln auf einem bunten Pappteller.
Der große Tannenbaum, unter dem für jeden nur ein kleines Geschenk lag, war nicht mit Kugeln, sondern mit Süßigkeiten geschmückt. Zu Silvester wurde er abgeschmückt, und Annegret und ihre Schwester durften dann mit verbundenen Augen die Süßigkeiten vom Baum pflücken und davon naschen. Süßes und vor allem die selbstgebackenen Plätzchen, das war damals etwas ganz Besonderes, etwas Wertvolles.
„Ihr Plätzchen- und Kuchenrezepte hat unsere Mutter in einem Buch aufgeschrieben.“, erinnert sich Annegret Werle. „Wir hatten damals noch keinen eigenen Backofen, sondern nur einen Herd mit zwei Kochplatten. Mutter mischte die Zutaten zu einem Teig und wir Kinder brachten dann die Gugelhupf-Form oder das Blech mit Lebkuchenteig oder Honigkuchen zum Bäcker, der es in seinen großen Ofen schob.“
Die Jüngeren sind jetzt mit dem Backen dran
An den köstlichen Duft, wenn sie das fertige Backwerk abholten, erinnert sich die Singenerin heute noch genau. Noch bis zu ihrem 80. Lebensjahr hat Annegret Werle mit ihren eigenen Kindern, Enkeln und Kindern aus dem Bekanntenkreis die Plätzchen nach alter Tradition hergestellt. Jetzt, mit 81 Jahren, lehnt sie sich auf ihrem Sofa entspannt zurück, wenn sie schmunzelnd sagt: „Und jetzt sind mal die Jüngeren mit Backen dran.“
Mit unserem „Singener Adventskalender“ möchten wir Sie auf die Weihnachtszeit einstimmen. Jeden Tag im Advent erzählen wir im SÜDKURIER eine kleine Geschichte, bei der wir Menschen aus Singen und dem Hegau zu Wort kommen lassen. Sie erzählen über Rituale, Erinnerungen und Planungen zum diesjährigen Weihnachtsfest.
Honigkuchen-Rezept
- Zutaten: 500g Honig, 250g Zucker, 750g Mehl, 250g gehackte Mandeln, 125g gehacktes Zitronat, 3 gestr. Teelöffel Zimt, 1/2 Teelöffel gemahlene Nelken, Schale einer halben Zitrone, 8g Pottasche, 4g Hirschhornsalz. Für die Glasur Kuvertüre und Mandeln
- Zubereitung: Honig und Zucker erhitzen und abkühlen lassen. Mehl, Mandeln, Zitronat und Gewürze einrühren. Pottasche, Hirschhornsalz Wasser verrühren und zum Teig geben. Teig 24 Stunden kühl ruhen lassen. In warmem Raum temperieren, ausrollen und auf ein Backblech legen. 30 bis 45 Minuten bei etwa 170 bis 190 Grad backen und anschließend glasieren. (nic)