Alte Kirchenfenster bekommen dank Andreas Dierig eine neue Zukunft. Denn der Glasmaler kommt seit 50 Jahren nach Singen, um undichte oder kaputte Werke zu erneuern. Der 60-Jährige kennt daher nach eigener Aussage jede Kirche im Hegau – an Glas gearbeitet habe er aber auch in den Vereinigten Staaten, Indien und der Kathedrale von Chartres in Frankreich. Dieses Mal war sein Geschick an der Herz-Jesu Kirche in Singen gefragt – denn dort waren einige Fenster seit über eineinhalb Jahren zerbrochen.
Glasmalerei ist ein selten gewordenes Handwerk. Dierig schätzt, dass es in ganz Deutschland weniger als 35 Glasmalerbetriebe gibt, die meisten mit nicht mehr als drei Mitarbeitern. Etwa fünf dieser Betriebe seien größer, mit bis zu 30 Glasmalern. Damit wäre Dierig einer von nur wenigen hundert Glasmalern in ganz Deutschland. Er sei in seinem Beruf dementsprechend ausgelastet. Das sei für ihn aber auch eine Chance, wenn es darum geht, an verschiedensten Kirchen und sakralen Gebäuden auf der ganzen Welt zu arbeiten, sagt Andreas Dierig. In Singen war er dafür schon öfter.

An der Herz-Jesu-Kirche hing die Firma schon 1972
Sein Betrieb mit Sitz in Überlingen, der damals noch von seinem Vater geleitet wurde, arbeitet schon seit 1972 an der Herz-Jesu-Kirche. „Alle paar Jahrzehnte muss man sich um die Fenster einer Kirche kümmern“, sagt Dierig, „denn diese werden über die Zeit undicht“. Um sie zu verdichten, müsse man von außen an sie heran. Dabei sei es jedes Mal eine Herausforderung, die Höhe zu überbrücken und an schwer erreichende Stellen zu gelangen, erklärt der Glasmaler.
Im Fall der Herz-Jesu Kirche stand eine Tanne im Weg ihrer Arbeitsbühne. Sie geschickt um die Tanne zu bewegen, beschäftige den Glasmaler und seinen Kollegen beinahe eine Stunde.
Glasmaler zu sein braucht aber sehr viel mehr als nur handwerkliches Geschick, sagt Dierig. Der künstlerische Aspekt stehe im Fokus. Andreas Dierig absolvierte über vier Jahre die Ausbildung zum Glasmaler, dazu kamen zwei Jahre für den Meistertitel. Kunst und Kunstgeschichte habe er oben drauf auch studiert. In seinem Berufsalltag müsse er auf diese ganze Lehre zurückgreifen.
Sein künstlerisches Auge brauche er vor allem bei der Rekonstruktion von beschädigten Kirchenfenstern. Laut Dierig gibt es jede Glasmalerei nur ein Mal. Für seine Aufträge muss er genau darauf achten, die historischen Motive und die Vision des ursprünglichen Künstlers zu bewahren. Dafür setzt er auf seine eigene eigene akademische Expertise.
Für die Rekonstruktion eines kleinen Fensters, in etwa der Größe eines Computerbildschirms, brauche er bis zu 40 Stunden. „Jedes Fenster ist ein Unikat. Ich muss mir immer wieder den Duktus des originalen Künstlers aneignen, also seine Handschrift studieren“, erklärt Dierig.
Fenster sind durch Vandalismus zerstört worden
Die Bildmalereien, um die sich Dierig aktuell an der Herz-Jesu Kirche kümmert, sind aller Wahrscheinlichkeit nach durch Einschläge von außen zerbrochen worden. Dekan Matthias Zimmermann vom Dekanat Hegau bedauert im Gespräch mit dem SÜDKURIER solche Fälle von Vandalismus, die er im Hegau vermehrt beobachte. Über die Motivation dieser Angriffe kann aber auch er nur spekulieren. Zimmermann äußert sich aber froh über die Rekonstruktion. Die Fenster der Herz-Jesu Kirche sind nämlich seit über eineinhalb Jahren zerbrochen.
Der Dekan nennt als Grund für die Verzögerung schlicht den Mangel an verfügbaren Glasmalern. „Wir merken, dass es weniger Glasmalerbetriebe gibt“, stellt der Dekan fest.
Es mangelt an Nachwuchs-Glasmalern
Dierig bemerkt auch bei seinem Betrieb einen Mangel an Nachwuchs. Christian Hackenberg, der seit über einem Jahr mit Dierig arbeitet, kann die Beweggründe junger Leute aber nachvollziehen. Der 26-Jährige arbeitet selbst seit mehreren Jahren im handwerklichen Bereich und sagt: „Man wird bei diesem Beruf wirklich dreckig. Höhenangst sollte man auch keine haben, wenn man auf dem Hubsteiger Fenster verdichtet.“
Und am Abend komme man meistens auch gar nicht erst nach Hause. Dierigs Arbeitsorte sind meist zu weit entfernt, um pendeln zu können. Für seinen Berufsalltag ist Dierig daher mit einem eingerichteten Van unterwegs, in dem er schlafen, essen und Werkzeuge lagern kann. Aber auch diese Möglichkeit kommt an seine Grenzen. „Wenn ich im September nach Indien muss, kann ich den Van leider nicht mehr mitnehmen“, sagt Dierig. Dennoch freut er sich auf die Reise. Er hofft, auch dort mit seinem Glas Menschen zu inspirieren.