Die grüne Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger aus Steißlingen tritt bei der nächsten Landtagswahl wieder an. Sie ist mit einem denkbar knappen Ergebnis von einer Stimme mehr im zweiten Wahlgang zur Landtagskandidatin der Grünen im Wahlkreis Singen/Stockach für die Landtagswahl 2021 gewählt worden. Die grüne Gemeinde- und Kreisrätin Saskia Frank aus Rielasingen-Worblingen unterlag ihr mit 29 Stimmen und gewann die Wahl zur Ersatzkandidatin. Der dritte Bewerber, Mario Hüttenhofer aus Singen, erhielt im entscheidenden Wahlgang sechs Stimmen und bewarb sich gemeinsam mit Singener Gemeinderätin Isabelle Büren-Brauch um die Ersatzkandidatur. 65 Mitglieder waren zur Abstimmung in die Singener Bildungakademie gekommen.

Wehinger freute sich und bedankte sich für die Wahl: „Ich werde mich mit Freude und Einsatz dafür engagieren, dass wir den Wahlkreis behalten.“ Die 67-Jährige zeigte sich aber gleichzeitig enttäuscht, dass ihr Engagement als Landtagsabgeordnete und ihre hohe Präsenz im Wahlkreis nicht mit einem besseren Ergebnis honoriert wurde.

Saskia Frank trat gegen Wehinger an und hatte nur eine Stimme weniger.
Saskia Frank trat gegen Wehinger an und hatte nur eine Stimme weniger. | Bild: Weiß, Jacqueline

Thematisch lagen die Bewerber nicht einmal so stark auseinander. Dorothea Wehinger steht durch ihre Arbeit als Landtagsabgeordnete für Bildungs-, Sozial- und Frauenpolitik. Mario Hüttenhofer hat sich im Vorfeld als Kämpfer für den Klimaschutz positioniert. Saskia Frank streifte in ihrer Vorstellungsrede alle grünen Themen. Sie sieht sich als Vernetzerin bei den Themen Verkehr, Energie, Landwirtschaft und Gesellschaft. Die 32-jährige Agrarwissenschaftlerin will den ÖPNV stärken und beim Klimaschutz nachbessern. Flächendeckende Fotovoltaikpflicht für die Dächer und mehr Windenergie stehen auf ihrer Agenda. Die Windkraftgegner würden sagen, dass die Anlagen die Landschaft verschandeln. „Unsere Landschaft wird sich ohne Klimaschutz noch viel stärker verändern“, sagte sie. Jetzt habe man die Möglichkeit den Prozess aktiv mitzugestalten. Sie wolle ein verpflichtendes Tierwohl-Label und „ein Bewusstsein für den Wert von Lebensmitteln“. Außerdem arbeite sie an einer Biodiversitätsstrategie für den Landkreis Konstanz. Sie trete für eine offene, menschliche und freiheitliche Gesellschaft ein und sagte: „Wir sind mehr als die Klima- und Umweltschutzpartei.“ Als ihren Ersatzkandidaten stellte sie den 20-jährigen Klimaaktivisten Tabikan Runa vor, der später seine Kandidatur zu ihren Gunsten zurückzog.

„Klimakrise verlangt Handeln“

Mario Hüttenhofer sieht die Grünen als natürliches Sprachrohr der Fridays-for-Future-Bewegung. „Die Klimakrise ist da und verlangt unser Handeln“, erklärte er. Hüttenhofer ist bei den Grünen Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft, Finanzen und Soziales, die die CO2-Steuer mit 100 Prozent Rückerstattung auf den Weg gebracht habe. Der 52-jährige Chemiker will sich dafür einsetzen, dass Baden-Württemberg bis 2035 klimaneutral ist und nicht erst 2050. Er sieht das Umrüsten auf nicht fossile Heizungen als kommunale Aufgabe und will weniger Verkehr auf den Straßen. Er stehe für Insektenschutz und ist gegen Massentierhaltung. Seiner Meinung nach sollen die Städte leiser, grüner und wohnlicher werden. Als Arbeiterkind der Singener Südstadt möchte er, dass Klimaschutz für alle bezahlbar bleibt.

Wehinger setzt auf Erfahrung

Die 67-jährige Dorothea Wehinger ist seit 2016 die erste grüne Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Singen/Stockach und will mit ihren Erfahrungen punkten. Sie habe grüne Politik sichtbar und erlebbar gemacht und grüne Aufbauarbeit geleistet. Es mache Sinn für den Wahlkreis, wenn sie ihre Arbeit weiterführen könne. Viele Menschen kennen ihre Arbeit und sie sei gut in der Region vernetzt. Sie sehe sich als Ansprechpartnerin und gehe offen auf die Menschen zu. „Was brauchen wir für eine lebenswerte Zukunft?“, sei die Frage, die Grundlage ihres politischen Handelns sei. Ihr gehe es darum, Umwelt- und Sozialpolitik zu verbinden. „Spalter unserer Gesellschaft laufen genug herum“, erklärte sie. Sie war regelmäßig in Schulen und Kindergärten unterwegs, hat sich für soziale Einrichtungen engagiert und will Verbesserungen für Alleinerziehende erreichen, nannte sie Beispiele ihres Wirkens. Im Klima- und Umweltschutz sei sie seit 1980 aktiv. Doch sie sieht bei diesem Thema alle in der Pflicht. Sie habe ihr Mandat bisher mit viel Freude und hohem Engagement ausgeführt und sich gefragt, ob sie mit 67 Jahren noch einmal kandidieren solle. „Ich habe zu viel Freude am Umsetzen, deshalb will ich weitermachen. Ich will, dass wir Regierungspartei bleiben“, sagte sie.

Harter Vorwurf nach Wahl

Nach den Wahlen brachte die grüne Gemeinderätin Jana Akyildiz aus Rielasingen-Worblingen zur Sprache, dass die Grünen viele neue Mitglieder im Vorfeld der Wahl zu verzeichnen hätte, die nicht bereit wären, sich im Ortsverband zu engagieren. Sie fragte in Richtung der Bewerberin Saskia Frank, zu welchem Zweck diese Mitglieder der Partei beigetreten seien. „Das ist ein krasser Vorwurf mir gegenüber, ich bin enttäuscht“, antwortete Frank.