Knallende Auspuffrohre, aufgemotzte Fahrzeugkarosserien und verärgerter Anwohner – die Tuner sind auch am Wochenende wieder in Singen eingefallen. Über 300 Fahrzeuge wurde am Samstagabend auf dem Parkplatz beim Einkaufszentrum (EKZ) gezählt, wie die Polizei mitteilte. Doch ein Umstand ist seit diesem Samstag neu: Zum ersten Mal fand das Treffen nicht am Kreisel in der Georg-Fischer-Straße statt, sondern beim Einkaufszentrum (EKZ) auf dem dortigen Parkplatz. Ein Umstand, der wohl den meisten Einkäufern sicher sauer aufgestoßen ist: Denn das jüngste Treffen am EKZ fand noch zur regulären Öffnungszeit des Einkaufszentrum gegen 20.15 Uhr statt.
Auch bei dem Lebensmittelmarkt im Einkaufszentrum selbst ist man von den Tuner-Treffen auf den Parkplätzen offenbar nicht begeistert. Zumindest legt das eine knappe Stellungnahme nahe: „Wir stellen die Parkplätze unseren Kunden für die Dauer des Einkaufs kostenlos zur Verfügung. Da in diesem Fall die Parkplätze zweckentfremdet wurden, haben wir umgehend die örtliche Polizeistelle informiert und prüfen derzeit weitere Maßnahmen“, teilt Florian Heitzmann von der Edeka Südwest GmbH, die das EKZ betreibt, in einem Schreiben mit.
Mit Campingstuhl und Shisha
Besonders dreist: Die Fahrzeuginsassen hätten sich mit Campingausrüstung, Grills und Shisha-Pfeifen niedergelassen. Für Kunden des Einkaufszentrums seien dadurch keine Parkplätze mehr frei gewesen. Laut Polizeiangaben sei der Aufforderung, den Parkplatz zu räumen, nur zögerlich Folge geleistet worden. „Die Anzahl der wöchentlich in Singen zu erwartenden Szeneangehörigen variiert und ist natürlich stark witterungsabhängig. Es lagen keine Erkenntnisse vor, die ein Szenetreffen in dieser Größenordnung vermuten ließen“, sagt Polizei-Pressesprecher Uwe Vincon.
Für Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler, der am Wochenende ebenfalls vor Ort war, bleiben die Tuner ein Dorn im Auge – gerade mit Blick auf die Ruhe in der Stadt. „Am Freitag war es ruhig im Industriegebiet, aber am Samstag kam es beim EKZ zu einem extremen Auflauf“, sagte er im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Vor allem Anwohner leiden unter dem Lärm
Der Stadtverwaltung Singen und der Polizei bereitet die Tuner-Szene laut Oberbürgermeister Bernd Häusler bereits seit 2015 Probleme. „Vor allem die Anwohner sind von den Tunern, die zum aller größten Teil nicht aus Singen kommen, sehr geplagt“, betont Häusler. Auch am Samstagabend hatten sich laut der Einschätzung von Häusler rund 300 Fahrzeuge im Industriegebiet versammelt.

Für Singener Verhältnisse nichts Neues, denn es kommt in der Hohentwiel-Stadt immer wieder zu Ansammlungen von Tunern und Posern. Etwa in der Nacht auf Pfingstmontag: Dort hatte die Polizei etwa 300 Fahrzeuge und 700 Menschen auf den Parkplätzen rund um die Aral-Tankstelle in der Singener Südstadt gezählt.
Oberbürgermeister Bernd Häusler lobe das gute Zusammenarbeiten mit der Polizei, verweist aber auch darauf, dass es wohl weiter zu solchen Treffen kommen werde: Die Stadt ergreife alle Maßnahmen, die nötig und möglich seien, um die Szene aus der Innenstadt fernzuhalten. „Aber uns bleibt eigentlich nichts weiter übrig, als die Begebenheiten so unbequem wie möglich zu machen“, sagt Häusler. Schon jetzt würden seiner Schätzung nach 80 Prozent der Teilnehmer nicht aus dem Landkreis Konstanz kommen, sondern aus vielen Schweizer Kantonen und süddeutschen Regionen extra nach Singen reisen. So sei es auch an diesem Wochenende der Fall gewesen. Polizei-Pressesprecher Uwe Vincon bestätigt dies. Laut OB Häusler würden viele Fahrzeuglenker Fahrtzeiten von bis zu 1,5 Stunden in Kauf nehmen, um sich in Singen zu treffen.
Maßnahmen greifen und sorgen für Verlagerung
Warum es zu der Verlagerung auf den EKZ-Parkplatz gekommen sei, ist für OB Häusler nicht gänzlich zu klären. Aber er äußert eine Vermutung: Mutmaßlich durch die eingeleiteten Maßnahmen sei es laut dem Singener Rathauschefes zu der Verlagerungen vom Kreisverkehr in der Georg-Fischer-Straße zum EKZ und nach Konstanz sowie Stockach gekommen.
Auch nach den jüngsten Vorkommnissen wolle Häusler an einem Vorhaben festhalten: Er wolle verhindern, dass Singen ein Mekka für die Tuning-Szene werde. Deshalb lehne er einen festen Treffpunkt am Rande des Singener Industriegebietes weiterhin ab. Es sei ohnehin nur schwer vermittelbar, dass die Stadt mit Lärmaktionsplänen versuche, den innerstädtischen Verkehr zu reduzieren. „Aber der Gesetzgeber findet nichts, um solche Treffen wie bei uns in Singen zu verhindern“, kritisiert Häusler.
Keine verhärteten Fronten
Trotz des Ärgers, den die Tunertreffen bei der Stadtverwaltung und den Anwohner auf den Plan ruft, spricht Oberbürgermeister Bernd Häulser von einem meist freundlichen Umgang: „Die Seiten sind nicht verhärtet, auf Ansprache wird meist reagiert.“ Aber dies könne sich schnell ändern, ergänzt er.
Besonders schwierig sei es für die Stadtverwaltung mit Blick auf die Kommunikation mit den Verantwortlichen der Tuner-Szene: „Die Szene hat keine Strukturen, das macht es für uns so schwer.“ Aber eine Person habe sich nach dem Treffen am Wochenende bei ihm gemeldet, um die Problematik zusammen zu lösen. „Ob das nachhaltig sein wird, wird sich zeigen, aber es ist ein Anfang“, so der Singener Rathauschef.