Hussein al Ibrahim ist glücklich: „Seit gestern darf ich hier wählen“. Denn gerade erhielt er seine Einbürgerungsurkunde. Bis dahin war es aber ein langer, steiniger Weg. In dem Dokumentarfilm „Wir sind jetzt hier“ von Niklas und Ronja von Wurmb-Seibel erzählt er seine Geschichte – genauso wie sechs weitere Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak, Eritrea und Somalia.

Ekaterina Schaz vom Diakonischen Werk im Evangelischen Kirchenbezirk Konstanz und Miglena Abrasheva vom Caritasverband Singen-Hegau haben die Filmvorführung mit anschließender Diskussionsrunde im Zuge der Internationalen Woche gegen den Rassismus im Treffpunkt Horizont in Singen organisiert.

Aus Aleppo in den Hegau

Hussein al Ibrahim stammt aus Aleppo in Syrien und ist einer von sieben jungen Männern, die in der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 minderjährig nach Deutschland kamen. Zur Filmvorführung im Treffpunkt Horizont waren Niklas von Wurmb-Seibel und Hussein al Ibrahim per Video zugeschaltet. So konnte der Regisseur Niklas von Wurmb-Seibel auch erzählen, wie der Film entstanden ist. In den Jahren 2013 und 2014 waren er und seine Frau Ronja als Journalisten für ein Jahr in Kabul.

Schicksale berühren Regisseure

„Als wir zurück in Deutschland waren, erhielten wir im Sommer 2015 einen Anruf von einem Freund, den wir aus Kabul kannten“, so von Wurmb-Seibel. Dieser Freund war damals 16 Jahre alt und sie halfen ihm bei der Flucht von Ungarn über Österreich nach Deutschland. In der Flüchtlingswelle sei das Selbstvertrauen der minderjährigen Geflüchteten komplett vor die Wand gefahren worden. Schließlich hätten sie Hasib Azizi als Pflegesohn bei sich aufgenommen, erzählt von Wurmb-Seibel.

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Die sieben Protagonisten erzählen im Film sehr persönlich über ihr Ankommen in Deutschland und die Anstrengungen, Fuß zu fassen. „Wir sind Menschen, eine Gruppe voll mit Gefühl“, sagte Azim Fakhri, der in Kabul in der Nähe des Flughafens lebte. Besonders bewegend ist die Szene, als Fakhri, der bei seiner Flucht Frau und zwei kleine Kinder zurücklassen musste, die Familie am Flughafen abholt.

Hussein al Ibrahim (links) und Niklas von Wurmb-Seibel standen nach der Filmvorführung für eine Diskussion und für Fragen zur Verfügung ...
Hussein al Ibrahim (links) und Niklas von Wurmb-Seibel standen nach der Filmvorführung für eine Diskussion und für Fragen zur Verfügung und waren online zugeschaltet. | Bild: Susanne Gehrmann-Röhm

„Bei dieser Szene sind mir schon ein paar Tränen gekommen“, gibt Wolfgang Heintschel von der Caritas zu. Auch für Niklas von Wurmb-Seibel, der dies mit dem Handy und zittrigen Händen gefilmt hat, war es ein ganz besonderer Moment. „Ich finde es sehr beeindruckend, wie nah Sie an die Menschen herangekommen sind“, sagte Zuschauerin Brigitte Ossege-Eckert. „Die Interviews waren für mich ein Geschenk“, sagt der Regisseur.

Endlich in Deutschland angekommen

Hussein al Ibrahim, der heute eine kleine Familie hat und als Verwaltungsangestellter in einer kleinen Gemeinde nahe Cuxhaven arbeitet, ist inzwischen angekommen in Deutschland. Nicht nur dank der Einbürgerungsurkunde. „Ich fühle mich wohl in Deutschland und kenne Hamburg inzwischen so gut wie Aleppo“, sagt er. Dennoch vermisst er seine Familie und manchmal bekommt er – etwa beim Geruch von Jasmin – eine Art Flashback, weil schöne Erinnerungen hochkommen. Im Film erzählt er, wie es ihm ging, als er davon erfahren hat, dass sein Vater bei einem Autounfall getötet wurde. Kurz habe er überlegt, zurückzugehen, doch sein Vater habe ihn immer dazu ermuntert, dass er es in Deutschland schaffen könne.

Das Warten auf das Asylverfahren ist ein Aspekt, den alle sieben Männer im Film ansprechen, neben dem Lernen der deutschen Sprache. Azim Fakhri, der schon bei seiner Flucht sechs Sprachen konnte, hat sich mit dem Lernen von Deutsch anfangs nicht leicht getan. „Als seine Familie nachkam, ging es dann ganz schnell“, erzählt Niklas von Wurmb-Seibel. „Wenn jemand schnell die Sprache lernt, denkt jeder, man sei integriert. Doch das ist nicht so“, weiß Hussein al Ibrahim. Es sei auch nicht optimal, dass alle zusammen in Vorbereitungsklassen gehen oder unter sich in Containern leben. Sehr gewöhnungsbedürftig sei auch die ganz Bürokratie gewesen, die in Deutschland üblich ist.

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Niklas von Wurmb-Seibel zeigt den Film gern in Schulen, aber auch bei Stadtverwaltungen, Jobcentern oder der Polizei. „Ich bekam mal eine Rückmeldung von einem Mitarbeiter eines Jobcenters, der eigentlich dachte, er wisse alles über seinen Klienten“. Aber das ist eben nur ein Teil des Kuchenstücks.