Wenn Anastasia Buchorn von ihrer Familie spricht, kommen ihr die Tränen. Ihr versagt kurz die Stimme, wenn sie vom Krieg in ihrem Heimatland Ukraine berichtet, von den Ängsten ihrer Familie – und ihrem eigenen Bemühen, irgendwie zu helfen. „Meine Familie ist noch da. Die Situation ist schrecklich. Und ich kann nicht nur sitzen und warten“, erklärt sie. Deshalb sammelt und sortiert sie Spenden in ihrer Wohnung in der Singener Südstadt. Ihr Mann werde diese dann mit dem Lastwagen nach Konstanz bringen. Von dort aus sollen sie in die Ukraine gefahren werden.

Die Stadt Singen tut sich mit dem Transport von Hilfsgütern in die Partnerstadt hingegen schwer, weil der Weg nicht sicher sei.

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Ihre Schwester schildere ihr brennende Autos, Bomben und dass Vieles kaputt sei, berichtet Anastasia Buchorn von regelmäßigen Telefonaten mit Verwandten in der Heimat. „Das ist eine Tragödie. Es sieht ganz schrecklich aus – und fühlt sich schrecklich an.“

„Es war ein normales Leben. Nicht gut, aber normal“

Anastasia Buchorn ist in der Ukraine aufgewachsen und lebte zuletzt in der Millionenstadt Odessa am Schwarzen Meer. Vor sechs Jahren ist sie nach Deutschland gezogen, mit ihren beiden Kindern und ihrem Mann wohnt sie in Singen. Doch ihre Schwester blieb im Zentrum des Landes. Der Neffe habe die erste Klasse besucht, der Schwager selbstständig gearbeitet. „Es war ein normales Leben. Nicht gut, aber normal.“ Seit Kriegsbeginn vor knapp einer Woche wisse niemand mehr, wie es weitergehe.

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Die Familie ihrer Schwester sei unterwegs in den Westen und nach anstrengenden Tagen erstmal bei Bekannten untergekommen. Ob es dann weiter ins Ausland gehe, sei noch nicht klar. „Die Männer müssen ja dort bleiben“, erklärt Buchorn. Denn Ukrainer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren müssen laut der Regierung ihr Land verteidigen. Doch ihre Schwester wolle ihren Mann nicht zurücklassen, berichtet Buchorn. Es sei schwer, wegzufahren, wenn man nicht wisse, wann man sich wieder sehen werde.

Was ist die beste Route, um die Schwester abzuholen?

Die Singenerin würde wiederum nicht zögern, mit dem Auto loszufahren, um ihre Schwester abzuholen. „Wir haben schon überlegt, welche Route man nehmen sollte“, sagt sie. 1400 Kilometer sind es von Singen bis an die polnische Grenze zur Ukraine.

In der Singener Wohnung von Anastasia Buchorn sammeln sich Spenden für die Ukraine.
In der Singener Wohnung von Anastasia Buchorn sammeln sich Spenden für die Ukraine. | Bild: Anastasia Buchorn

In jeder ruhigen Minute würde sie gebannt die Geschehnisse in ihrer Heimat verfolgen, erzählt Anastasia Buchorn. „Es gibt keinen Alltag momentan und ist eine stressige Zeit.“ Für Ablenkung sorgt die Spendensammlung, die sie in Singen organisiert. Damit will sie sich selbst nicht in den Vordergrund spielen, wie sie betont. Sie wolle nur helfen.

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Viele Menschen bieten ihre Hilfe an. Was gebraucht wird:

Damit sei sie zum Glück nicht alleine: „Auch Fremde rufen an und fragen, ob sie etwas bringen können.“ Eine Freundin habe etwa Spenden in einem Restaurant gesammelt und vorbei gebracht. Manches würde sie erstmal beiseite legen: Sommershirts und Sandalen seien aktuell noch nicht so nötig. Gebraucht würden vor allem Schlafsäcke, Isomatten, warme Kleidung, aber auch Batterien und haltbare Lebensmittel wie Instant-Nudeln oder Kekse. Auch Medikamente seien gefragt, denn Apotheken hätten geschlossen.

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Mehr Zeit braucht eine Hilfsaktion der Stadt Singen, die Kobeljaki zugute kommen soll. Denn um die Partnerstadt im Zentrum der Ukraine zu erreichen, müsse man von der polnischen Grenze aus rund 1000 Kilometer durch Kriegsgebiet fahren.

Stadt braucht erst sicheren Verkehrsweg

„Bevor die Stadt einen Hilfstransport auf den Weg bringt, muss ein sicherer Verkehrsweg gewährleistet sein“, sagt der kommissarische Pressesprecher Stefan Mohr auf Anfrage. Deshalb erscheine aktuell auch das Sammeln von Sachspenden für die Stadt nicht sinnvoll – auch wenn namhafte Unternehmen bereits ihre Hilfe zugesagt hätten. Es sei jedoch zu befürchten, dass sich die Lage in den nächsten Tagen verschlimmere. „Neben Verbandszeug und Material zur medizinischen Versorgung könnten dann weitere Sachgüter nötig werden, die punktgenauer gespendet werden könnten“, erklärt Stefan Mohr. Auch dafür müsse aber ein Transport möglich und sicher sein.

30.680 Euro gespendet in einer Woche

Die Hilfsbereitschaft sei auch unter Singener Bürgern groß. Bis zum Donnerstag sind 30.680 Euro auf dem Spendenkonto der Stadt eingegangen. Wer spenden möchte, kann folgendes Konto nutzen: DE 93 6925 0035 0003 0615 12 mit Stichwort „Ukraine“ oder „Kobeljaki“.

Die Stadtverwaltung sei in Kontakt mit den Partnern in der Ukraine: Oberbürgermeister Bernd Häusler tausche sich per E-Mali mit Kobeljakis Bürgermeister Alexander Kopelets aus. „Glücklicherweise gibt es in Kobeljaki aktuell noch keine Kampfhandlungen, aber stetig Luftalarm“, so Mohr. Auch Ehrenbürger Wilhelm Waibel und die Partnerschaftsbeauftragte Carmen Scheide stünden in persönlichem Kontakt mit Menschen vor Ort.

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