Stockach – Was macht ein diplomierter Bau-Ingenieur, der eigentlich Schriftsteller werden wollte? Er sammelt seit 60 Jahren Bilder. "Das kam von innen raus", sagt Heinrich Wagner (85). Der Unternehmer im Ruhestand, Ehrenbürger und Ehrenringträger der Stadt Stockach nennt exakt 328 Werke, meist Lithografien, von 70 Künstlern sein eigen, darunter tummeln sich die bekanntesten Maler der Moderne und des 20. Jahrhunderts wie Pablo Picasso, Marc Chagall, Henry Matisse oder die Deutschen Max Ackermann, Willi Baumeister, Otto Dix und Erich Heckel.
Jetzt teilt Wagner die private Sammlung mit der Öffentlichkeit, gestern hat er sie offiziell als Leihgabe an die Stadt Stockach für die nächsten 30 Jahre übergeben. Bürgermeister Rainer Stolz stellte bei diesem Anlass die Verbundenheit von Heinrich Wagner mit Stockach heraus: "Er ist ganz außergewöhnlich mit seiner Heimatstadt verbunden." Wagner habe keinerlei finanzielle Forderungen mit der Leihgabe verknüpft, die Stadt ist lediglich verpflichtet, die Stücke zu zeigen. "Das ist für uns als Stadt eine Herausforderung, dass diese Ausstellungen der Prominenz der Werke entsprechen."
Die Herausforderung hat für Hauptamtsleiter Hubert Walk und Museumsleiterin Yvonne Istas bereits vor der Übergabe begonnen, die Sammlung musste katalogisiert und fachgerecht im städtischen Depot gelagert und versichert werden. "Wir waren auf 328 Werke nicht vorbereitet", räumte Hubert Walk ein, der aber aus seinem Stolz über den Zuwachs in der Kunstsammlung der Stadt keinen Hehl machte: "Für mich ist heute ein Feiertag, wir haben jetzt eine Gemäldesammlung, die durchaus respektabel ist."
Yvonne Istas teilte bei der Präsentation der Sammlung ihre Begeisterung mit: "Als Museumsleiterin und Kunsthistorikerin lacht mein Herz." Jetzt habe sie Potenzial für mehrere Ausstellungen, die erste ist im Sommer 2017 als repräsentativer Querschnitt unter dem Titel "Von Joan Miro bis Otto Dix" geplant. Doch Yvonne Istas will mehr: "In dieser Ausstellung soll auch der Sammler vorgestellt werden."
Der Sammler selbst machte bei der Übergabe wenig Aufhebens von seiner Person. Warum er sich zur Leihgabe entschloss, begründete Heinrich Wagner mit einer schwierigen Rechnung: "Ich habe vier Kinder und sechs Enkelkinder, wie soll ich die Bilder verteilen?" Wenn eines alles bekommen würde, "wäre das unfair". Er hat entschieden: "Die Sammlung soll beieinander und in meiner Heimatstadt bleiben."
Auch dafür ist eine Regelung getroffen, die Stadt kann nach Ablauf der 30 Jahre Leihgabe die Sammlung erwerben. Zu einem festgelegten Preis: 60 Prozent des von einem Gutachter aktuell ermittelten Schätzwerts. Wie hoch der sei? Darüber haben die Beteiligten Stillschweigen vereinbart.
Sammlung Wagner
Der Stockacher Kunstsammler und Ehrenbürger Heinrich Wagner hat seit den sechziger Jahren 326 Bilder (Grafiken und Gemälde) von 70 Künstlern sowie zwei Bronze-Skulpturen von Werner Gürtner zusammengetragen. Wagner erwarb, was ihm gefiel. Anlaufstellen seiner Leidenschaft waren immer wieder die Galerien Valentien in Stuttgart und Sacchetti in Ascona.