Claudia Ladwig und Stephan Freißmann

Schüler tragen ab der fünften Klasse Mund-Nasen-Masken im Unterricht, sollen Abstände einhalten und auf allerlei Hygienevorschriften achten. Doch auf dem Weg zur Schule? Da ist im Schulbus zumindest das Einhalten von Abständen praktisch unmöglich, auch an der Haltestelle kommt es leicht zu Gedränge. Das ärgert Christina Ketterer aus Orsingen-Nenzingen: „Das führt jede Corona-Maßnahme in den Schulen ad absurdum“, schreibt sie, zusammen mit einer Schilderung über den Schulweg ihres Sohnes, der den Schulverbund Nellenburg besucht. Die Schüler stünden in Trauben an der Haltestelle, man müsse die Ellenbogen ausfahren, um sich einen Platz im Bus zu sichern. Ist der Schülertransport, wie er derzeit praktiziert wird, in Corona-Zeiten unverantwortlich?

  • Ortstermin an der Bushaltestelle: An der Bushaltestelle vor dem Schulzentrum in der Dillstraße und in den Bussen müssen die Schüler die Masken aufsetzen – nachdem sie sie schon den ganzen Schultag über getragen haben. Ein Besuch vor Ort zeigt, dass die meisten das tun – nur Abstände sind praktisch nicht vorhanden. Bei der Stichprobe am Donnerstag gegen 13 Uhr flitzen zuerst einige Fünftklässler an die Haltestelle für den Bus der Linie 400, der in Richtung Singen fährt.

Die Mädchen der 5d am Nellenburg-Gymnasium erzählen, sie dürften immer fünf Minuten früher raus, damit die Großen sie nicht einquetschen. „Viele von den Größeren halten sich nicht an die Reihe und drängeln sich vor“, sagen sie. Warten bringe nichts, denn der zweite Bus sei genauso voll. Eine Schülerin klagt: „Das Gedränge tut manchmal richtig weh.“ Ihre Klassenkameradin fügt an, ihre Mutter habe sie schon öfter abgeholt, weil sie nicht in den Bus gekommen seien.

Dicht gedrängt stehen die Schüler an der Bushaltestelle des Schulzentrums Nellenburg. Hier warten sie auf den Bus der Linie 400, die ...
Dicht gedrängt stehen die Schüler an der Bushaltestelle des Schulzentrums Nellenburg. Hier warten sie auf den Bus der Linie 400, die nach Singen fährt. Im Abstand von wenigen Minuten kommen mehrere Fahrzeuge. | Bild: Claudia Ladwig

Inzwischen stehen viele Jugendliche hinter und neben ihnen. Einige Lehrer sind vor Ort, sie achten auf das Tragen der Masken, sorgen aber hauptsächlich dafür, dass keiner auf der Fahrbahn steht. Der Bus kommt und es wird durch alle Türen geschoben und gedrückt, jedoch ohne Hektik, Aggression oder laute Worte. Schnell sind alle Sitzplätze besetzt, ein paar Schüler stehen und der Bus fährt los. Bereits drei Minuten später steht der nächste Bus bereit.

  • Das beobachten die Schulleiter: Beate Clot, Leiterin des Schulverbunds Nellenburg, sagt, im Bus seien die Schüler verschiedener Stufen miteinander unterwegs. Das versucht man im Schulbetrieb dringend zu vermeiden, um Schülergruppen nicht zu vermischen. Allerdings höre sie auch immer wieder, dass Schüler die Masken an der Haltestelle und im Bus nicht tragen. Sie appelliert daher, dass man in dieser herausfordernden Situation auch Zugeständnisse machen müsse, auch wenn man es vielleicht nicht einsieht. Bei den Fahrzeiten der Busse habe es nun etwas Entspannung gegeben, was die Fülle angeht, sei die Situation sicherlich noch nicht optimal.
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Die Einschätzung von Holger Seitz, Leiter des Nellenburg-Gymnasiums, lautet, dass der Schülertransport ein Problem darstellen könne, wenn die Masken nicht getragen werden. Durch zusätzliche Busse auf verschiedenen Linien habe sich die Lage seit dem Schuljahresbeginn entspannt, das höre er von Schülern. Auch Eltern würden sich deswegen nicht mehr bei ihm melden, nachdem es im September massive Probleme gegeben habe.

Eltern und Schule hätten beim Landratsamt Druck gemacht und es habe sich auch wirklich etwas verändert: „Dieses Gefühl hatte man im Januar nicht“, die Situation sei nun deutlich besser. Damals hat der Landkreis die Regie im Busverkehr übernommen, es kam zu zahlreichen Schwierigkeiten. Und Seitz gibt zu bedenken: „Mir ist keine Ansteckung im Schulbus bekannt.“ Auch in der Schule habe es bislang keine Ansteckung gegeben, was laut Clot auch am Schulverbund der Fall sei.

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  • Das sagt das Landratsamt: Das Landratsamt ist seit Januar die entscheidende Behörde für den Busverkehr, denn der Kreis tritt als Besteller der Busse auf. Pressesprecherin Marlene Pellhammer teilt mit, dass zwischen 12.27 Uhr und 13.56 Uhr fünf Busse, davon vier Gelenkbusse, von den Schulen in Richtung Orsingen-Nenzingen und Eigeltingen fahren. Damit könnten bis zu 600 Fahrgäste befördert werden. Einer dieser Gelenkbusse wird seit dem 23. September zusätzlich eingesetzt, er fährt über Orsingen-Nenzingen bis Volkertshausen.

Die Busunternehmen seien sensibilisiert und gehalten, Meldung zu machen, sobald die Situation kritisch werde. Weiter gibt sie an: „Unser Revisor ist permanent unterwegs, um die Situation im Blick zu haben.“ Und: „Kapazitätsprobleme werden umgehend gemeldet.“ Die gemeinsame Fahrt mit Freunden dürfe dabei nicht im Vordergrund stehen, so Pellhammer.

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  • So sehen es die Busunternehmer: Aufgrund der Corona-Pandemie gebe es nun strengere Vorgaben, wie viele Menschen in einem Bus mitfahren dürfen, sagt Hubert Behringer, dessen Unternehmen die meisten Linien im Raum Stockach betreibt. Aber man könne nicht so schnell Busse und Fahrer herbeiholen. Im September habe es Zählungen der Fahrgäste gegeben und es sei nachgesteuert worden. So seien auf der Linie 105 in Richtung Ludwigshafen seitdem Verstärkerbusse unterwegs. Und er gibt zu bedenken, dass jetzt mit kühlerem und feuchterem Wetter viele Schüler auf den Bus umsteigen dürften, die bisher das Fahrrad genommen haben. Daher werde man wohl auch auf der Linie 101 nach Hohenfels einen zusätzlichen Bus brauchen, „da sind wir bei den Fahrgastzahlen an der Schwelle“, sagt Behringer. Bislang könne er die Verstärker durch Umschichtung organisieren, aber möglicherweise müsse man noch Busse zumieten. Und der Landkreis sei sehr bedacht darauf, dass der Schülerverkehr gut funktioniere.
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Rainer Klink, dessen Unternehmen die Linie 400 von Stockach nach Singen betreibt, versteht die Sorgen von Eltern. Nach den Zählungen der Fahrgäste habe man Verstärkerbusse beim Landratsamt für die Linie 400 beantragt und eingesetzt. Beide Unternehmer sagen, dass die Moral beim Maskentragen grundsätzlich sehr gut sei. Wenn jemand keine Maske trage, würden die Fahrer dazu auffordern: „Das funktioniert auch bei Erwachsenen gut“, sagt Rainer Klink.