Im Foyer des Alten Forstamts lebte dieser Tag noch einmal ein kleines bisschen Fasnacht auf: Thomas Warndorf, der lange Zeit in Stockach gewohnt hat und nun in Singen lebt, hielt seinen Vortrag „Die Schlacht beim Morgarten und Hans Kuony“.

Zwischen Lichtmess und Lätare soll das Narrengericht stattfinden, stände schließlich im Privileg, das Herzog Albrecht 1351 ausgestellt haben soll, erläuterte Johannes Waldschütz, der Leiter des Stadtmuseums und Stadtarchivs. Und insofern sei der Zeitpunkt der Veranstaltung noch immer in der Fasnachtszeit.

Thomas Warndorf zeigt neue Erkenntnisse

Das Stadtmuseum war zusammen mit der Volkshochschule Landkreis Konstanz Veranstalter dieses Vortrags. Der brachte den Anwesenden viele neue und noch nie gehörte Ergebnisse zur Kuony- und Moorgarten-Forschung auf den Tisch. Im Übrigen sei „Thomas Warndorf in Stockach vorzustellen, ein wenig, wie Eulen nach Athen zu tragen“, sagte Waldschütz.

Denn der Referent war 14 Jahre lang Ankläger im Stockacher Narrengericht, zudem Kulturamtsleiter und Stadtrat. Außerdem hat er Bücher und Schriften über die Stockacher Fasnacht, den Stockacher Urnarren Hans Kuony und zur Bodenseeregion publiziert.

Der Historiker Thomas Warndorf brachte Licht ins Dunkel bei den Themen Schlacht am Morgarten und Hans Kuony. Bild: Constanze Wyneken
Der Historiker Thomas Warndorf brachte Licht ins Dunkel bei den Themen Schlacht am Morgarten und Hans Kuony. Bild: Constanze Wyneken

Mit der Wahrheit nahm man es nicht so genau

Seinen Einstieg in das Thema fand Warndorf mit den Worten: „Es ist viel geschrieben worden über die Schlacht am Morgarten. Jedoch ist es bei den Chronisten häufig so gewesen: je weniger man wusste, desto mehr wurde geschrieben.“

Und so seien die meisten angeblichen Quellen, mit denen man die Existenz der Schlacht am Moorgarten vom 15. November 1315 nachweisen will, gar keine echten Quellen. Mit den Chronisten sei es nämlich so gewesen: Diese hätten die Chroniken als Auftragsarbeiten geschrieben.

Es fehlen echte Beweise

Das bedeutet, dass der Inhalt nicht unbedingt wahrheitsgetreu sein musste, solange der Auftraggeber dabei gut weg kam. Und egal, ob man die „Berner Chronik“ (Conrad Justinger, 1421) oder die „Alte Züricher Chronik“ (1460) oder andere Schriften anschaut: Die Geschichte von der Schlacht am Morgarten habe, so Warndorf, faktisch keine Grundlage.

Es werde auch nirgendwo der Kriegsrat erwähnt und auch kein Hans Kuony. Es fehle also eigentlich die Grundlage für die Stockacher Fasnacht. Besonders tragisch aber sei es für die Schweizer, die die Schlacht am Morgarten als Ursprungsereignis der Schweizer Eidgenossenschaft nehmen – es ist ihre Gründungssaga.

Warndorf demontiert Beweis nach Beweis

Bis ins kleinste Detail berichtete Warndorf von den unterschiedlichen Beweisen, die den Mythos der Schlacht am Morgarten stützen sollen. Und er demontierte sie: Angefangen beim Datum, das man, je nach hinzugezogenem Kalender (julianisch oder gregorianisch), gar nicht exakt festlegen könne.

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Weiter ging es um den Grund des Feldzuges, die Größe des Heeres oder die Lokalisation des Kriegsgeschehens – es gibt einfach keine sicheren Belege in einer Primärquelle. Bei den Artefakten sieht es nicht besser aus: die Morgartenfahne, eine angebliche Heeresfahne, ist derart verblasst, dass sie, so Warndorf „auch ein Betttuch sein könnte“.

Moderne Methoden entlarven Fälschung

Der Morgarten-Brief stammt in Wirklichkeit aus dem späten 14. Jahrhundert. Und auch der sogenannte Hünenbergpfeil wurde 2015 mit der Radio-Carbon-Methode als Fälschung entlarvt.

Es wurden später auch ein Schatzsucher Speer oder Pfeilspitzen, ein Sporn und Münzen in einem Gebiet nahe des Ägeri-Sees gefunden, wo die Schlacht vielleicht, vielleicht aber auch nicht stattgefunden hat. Die Münzen stammten zwar aus dem Zeitraum, aber nicht von einem Heereszug, denn sie lagen verstreut auf einem Acker, und nicht unter der Erde, was sie eigentlich müssten.

Gab es Hans Kuony wirklich?

Mit der Existenz Kuonys und des Privilegs sei es nicht besser bestellt, erläuterte Warndorf. Suche man in den Quellen, so fände man hier und da den Namen Cuny oder auch Chuony, auch in Verbindung mit dem Vornamen Hans. Aber der Zusammenhang sei nicht sicher und man wisse nicht, warum die jeweiligen Schreiber diese Namen verwendet hätten.

Und auch für das Privileg gebe es keinen Nachweis: Erst im Stockacher Narrenbuch von 1826 befindet sich eine angebliche Abschrift des Privilegs, die aber, in Biedermeierschrift geschrieben, weder formal noch inhaltlich stimmen kann: „Das hat mit einem Originalprivileg von 1351 nichts zu tun, das haben die Narren sich ausgedacht“, so Warndorf.

So sei, schlussfolgerte der Referent am Ende, die Geschichte von der Schlacht am Morgarten genauso wie das Privileg und auch Hans Kuony ein Mythos. Jedoch sei „unser Schatz“ die Erzählung an sich, die immer bedeutsamer werde, je öfter sie erzählt werde. „Und warum sollte man die Geschichte anzweifeln, sie ist doch so schön.“