Den eigenen Alltag mit der Öffentlichkeit teilen, andere Menschen an besonderen Erlebnissen, Reisen und Erfahrungen teilhaben lassen – in den sozialen Medien nimmt das immer weiter zu. Zahlreiche Blogger und Influencer laden auf Plattformen wie Instagram unter anderem Fotos von schönen Reisezielen und Partys hoch und nutzen ihre Reichweite, um zum Beispiel bestimmte Lebensstile zu vermitteln. Das, was Julia Jäger auf ihrem Instagram-Account zeigt, gibt es allerdings eher selten zu sehen: Die 23-Jährige zeigt sich dort in Arbeitskleidung neben Kühen und vor Traktoren auf dem Feld. Über 45.000 Menschen folgen ihr auf der Plattform, ihnen gewährt sie einen Einblick in den Alltag in der Landwirtschaft – kürzlich auch beim Kräutertee-Produzent Herba Solaris in Mahlspüren im Hegau.
Dort hat sie ein Praktikum absolviert, um für die Weiterentwicklung des elterlichen landwirtschaftlichen Betriebes einen tieferen Einblick in die Kultivierung von Kräutern und Blühpflanzen zu erhalten. Geschäftsführerin Eva Maria Walle und Stefanie Fetscher, die unter anderem im Bereich Anbau und Produktentwicklung aktiv ist, haben die junge Frau herzlich aufgenommen, wie sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER berichtet.
In der Landwirtschaft aufgewachsen
Julia Jäger ist gelernte Landwirtin. Mit dem Beruf kam sie schon früh in Kontakt: Gemeinsam mit zwei Schwestern wuchs sie auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in der Gemeinde Leibertingen auf. Groß wurde sie dort inmitten einer bunten Mischung aus Kühen, Ackerbau und dem Duft von frischem Harz und Kettensägenöl, da ihr Vater Günter ein Holzrücke-Unternehmen in der mittlerweile vierten Generation betreibt.
Die verschiedenen Facetten der Landwirtschaft hat sie also schon in jungen Jahren kennengelernt, zumal es auf dem Hof ihrer Eltern bis vor einigen Jahren auch eine Milchviehhaltung gab. Und noch immer ist Julia Jäger beruflich vielseitig unterwegs, packt sowohl im Wald, als auch auf dem Feld und im Stall mit an.
Schon in der Lehre legte Julia Jäger einen privaten Instagram-Account an und teilte dort ihren Berufsalltag. Schnell bemerkte sie, dass das auf großes Interesse stieß. Der Durchbruch kam, nachdem sie 2019 bei einem Fotoshooting für einen Kalender mitgemacht hatte, der im Jahr 2020 veröffentlicht wurde. Danach folgten ihr als Bloggerin immer mehr Menschen. Und das will sie nutzen: Um Wissen zu vermitteln und über die Landwirtschaft aufzuklären.
Bilder aus dem Landwirtschafts-Alltag
Auch aus Mahlspüren berichtete sie daher von ihren Erfahrungen. Auf einem Feld mit einer Fläche von rund zwei Hektar werden in dem Stockacher Ortsteil über 50 Arten von Gewürzpflanzen, aber auch Arzneikräuter und Aromapflanzen, angebaut. Alles wird biologisch angebaut, und in vielen Arbeitsschritten von Hand gepflückt, sortiert und verpackt. Julia Jäger packte mit an.

Denn sie scheut sich nicht vor Arbeit, dem stetigen Weiterbilden in ihrem gewählten Beruf und auch nicht vor Schmutz. Dies beweisen eindrücklich ihre ungeschminkt ehrlichen Bilder, auf denen nach einer Maschinenwäsche im Herbst auch schon einmal kräftige Erdflecken ihr Gesicht zieren. Und sie möchte trotz ihrer großen Reichweite genau so sein, wie sie ist, und dies auch deutlich jungen Frauen vermitteln, die ihr auf ihrem Kanal folgen. Sie sei kein Freund von irgendwelchen Filtern, die Bilder in einem geschönten und makellosen Licht erscheinen lassen.
Nicht jeder akzeptiert Frauen, die anpacken
Außerdem nutzt sie ihre Reichweite, um gegen Klischees vorzugehen und zu zeigen, dass längst nicht nur Männer in der Landwirtschaft richtig aufgehoben sind. Ihren Beruf sieht Jäger als ihre Berufung – obwohl sie es auch mit Gegenwind zu tun hat. „Nach meiner Ausbildung als Landwirtin erlebte ich es als Betriebshelferin oft, dass ich mich in der Männerwelt durchsetzen musste“, sagt sie.

Manches Mal sei das nicht einfach gewesen. Auch auf Instagram habe es immer wieder unschöne Kommentare oder auch die eine oder andere Nachricht gegeben, über die man nur den Kopf schütteln kann.
„Aber es gab auch viele, die sich auch freuten, eine Frau auf dem Betrieb zu haben, welcher man den Schlepper gerne anvertraute, da man davon ausging, dass sie ihn sorgsam fahre“ berichtet Julia Jäger mit einem Lachen.
Kopftuch und Kittelschürze? Nicht mit ihr
Die üblichen Klischees, die über die Landwirtschaft bekannt sind, möchte sie nicht bedienen. Zu sehen gibt es bei ihr weder Kopftuch noch Kittelschürze. „Ich möchte zeigen, dass wir Landeier cool sind und uns keinesfalls für dumm verkaufen lassen“, sagt sie. Gerne zeigt sie unter anderem ihre beiden Kühe Jacky und Cola, die ihr auf Schritt und Tritt folgen – und man kann sehen, wie sehr die Tiere ihr im Umgang vertrauen. Außerdem nimmt sie auch mal selbst die Motorsäge zur Hand, pflügt den Acker und fährt auch bei der Getreideernte mit Traktor und voll beladenem Anhänger das Getreide vom Feld.