Hoher Besuch war am Donnerstagmorgen in Stockach zu Gast. Denn im Rahmen seiner Sommertour informiert sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) über verschiedene Projekte und Zukunftsideen aktiver Bürgerschaften in Wahlwies, Frickingen, Markdorf und Isny im Allgäu. Den Auftakt machte nun der Solarpark Mooshof bei Wahlwies, das Ursprungsprojekt der „Bürger-Energie Bodensee“ (BEB). Die Genossenschaft betreibt hier seit 2011 mehrere Solaranlagen und Windräder – und präsentierte dem Ministerpräsidenten ihre Erfahrungen, Herausforderungen und Zukunftsprojekte.

2,8 Millionen Kilowattstunden Strom

Andreas Klatt und Anne Storm, Vorstandsmitglieder der BEB, berichteten zunächst von den Anfängen der Genossenschaft und ihren Erfolgen. 134 Mitglieder hätten beispielsweise 2022 mit ihrem finanziellen Engagement 2,8 Millionen Kilowattstunden sauberen Strom erzeugt. An den Solarmodulen sei keine Degradation, also Abnutzung, feststellbar.

Christoph Stolz, Reiner Riedle, Stefan Stemmer, Inge Riedle, Andreas Jung, Beate Klatt, Günter Hoffmann, Anne Storm, Rainer Bertsche, ...
Christoph Stolz, Reiner Riedle, Stefan Stemmer, Inge Riedle, Andreas Jung, Beate Klatt, Günter Hoffmann, Anne Storm, Rainer Bertsche, Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Andreas Klatt, Martin Hahn, Dorothea Wehinger und Klaus Hoher (von links) besichtigten gemeinsam den Solarpark Mooshof bei Wahlwies. | Bild: Claudia Ladwig

Sollte es doch eine geben, werde diese offenbar durch verstärkte Sonneneinstrahlung ausgeglichen. 20 Jahre lang dürfe die Anlage auf dieser Fläche stehen. Dann müsse man sie abbauen oder über den Verbleib neu verhandeln, da der Pachtvertrag für die Fläche dann ausläuft.

Widerstand gegen Solarpark war groß

Ministerpräsident Kretschmann fragte, ob es bei der Entstehung des Solarparks größere Widerstände gegeben habe. Andreas Klatt bestätigte, die Angst vor einem so großen Solarpark sei groß gewesen. „Viele dachten, die ganze Gegend würde verspiegelt. Dabei schaut man ja unter die Module. Hagelschutznetze sind viel weiter zu sehen.“

Laut Anne Storm habe der BEB die Biodiversitäts-Debatte in die Hände gespielt. „Früher wuchs hier Mais in Monokultur, jetzt erzeugen wir Strom und für Tiere und Pflanzen ist die Fläche paradiesisch. Über die Hälfte der Fläche ist unbedeckt und es wird nur zwei Mal im Jahr gemäht.“

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Auf die Frage des Ministerpräsidenten, ob es eine wissenschaftliche Begleitung zur Ermittlung der besten Bewirtschaftung gegeben habe, sagte Andreas Klatt, der Naturschutzverband BUND habe das Modellprojekt begleitet. Am Zaun der Anlage hängen Bienenhotels, der Zaunabstand zum Boden ermöglicht kleinen Tieren ein Durchschlüpfen und eine Zunahme bei Flora und Fauna sei nachgewiesen worden.

Freiflächen-Fotovoltaik effizienter als Biogas

Martin Hahn (Grünen-Landtagsabgeordneter des Bodenseekreises) betonte, die Effizienz einer Freiflächen-Fotovoltaik liege um den Faktor 40 höher als bei der Biogasproduktion. Die Gemeinden hätten eine Steuerung durch ihre Genehmigungen in der Hand. „Aktuell haben wir in Baden-Württemberg 5000 Hektar Freiflächen-Fotovoltaik gegenüber 160.000 Hektar Biogasproduktion“, kritisierte Hahn.

Christoph Stolz, Bürgermeister von Bodman-Ludwigshafen (links), und Andreas Klatt von der Bürger-Energie Bodenee im Gespräch mit ...
Christoph Stolz, Bürgermeister von Bodman-Ludwigshafen (links), und Andreas Klatt von der Bürger-Energie Bodenee im Gespräch mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann. | Bild: Claudia Ladwig

Winfried Kretschmann stimmte zu: Man müsse die Biogasproduktion neu aufstellen. „Fotosynthese hat einen Wirkungsgrad unter einem Prozent. Mais zu verstromen ist von daher gesehen eine Sackgasse, davon müssen wir wegkommen.“ Biogas müsse künftig verstärkt aus Abfällen gewonnen werden. Der Ministerpräsident sprach sich bei dem Treffen in Wahlwies für eine schrittweise Änderung mit Fokus auf Reststoffe aus. „Die Bauern haben einen gewissen Bestandsschutz“, begründete er.

Dazu meldete sich Genossenschaftsmitglied Stefan Stemmer zu Wort: „Biogasanlagen sind speicherfähig und man erhält unheimlich wertvollen Dünger. Jeder Biogasbetreiber würde sich dem Nahwärmenetz anschließen, aber die Bevölkerung war bisher nicht dazu bereit.“ Alles habe seine Berechtigung, betonte er.

Genossenschaft kritisiert Bürokratie und Lieferketten

Wichtig sei zudem, überhaupt Flächen zu kriegen, um Projekte umsetzen zu können, ergänzte Klatt. „Die Kommunen haben weniger Geld und sollen mehr tun. Viele Bürger wollen investieren, aber die Umsetzung von Projekten dauert sehr lang wegen Naturschutzbedenken, Diskussionen mit der Kommune und Lieferketten mit enormen Lieferzeiten. Wir müssen mit der Bestellung früh ins Risiko gehen. Dabei sind wir keine Fachleute, sondern ehrenamtlich tätig.“

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Der Ministerpräsident gab ihnen Recht. „Bürokratie ist ein zähes Geschäft, da sind wir dran.“ Die Genehmigungszeit für Windparks sei mehr als halbiert worden auf anderthalb Jahre, einige seien auch in unter einem Jahr genehmigt worden. Geregelte Verfahren in einem Rechtsstaat seien wertvoll, aber überbordende Bürokratie müsse man auf ein sinnvolles Maß zurücksetzen.

Kretschmann lobt „Pionierleistung“ in Wahlwies

Zum Abschluss der Veranstaltung sprach Winfried Kretschmann den Vorsitzenden der BEB Lob und Anerkennung für echte Pionierleistung aus. Heute gebe es über 150 Energiegenossenschaften in Baden-Württemberg. Auch in vielen anderen Sektoren organisiere sich die Bürgerschaft genossenschaftlich.

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Schmunzelnd stellte er fest: „Das weitet sich aus und ist was für Leute, die vom Sozialismus träumen. Aber kollektives Eigentum passt gut in die soziale Marktwirtschaft rein. Es ist ein gutes Nachahmprojekt und vermittelt Zuversicht in schwierigen Zeiten.“ Umso mehr sei die Politik gefragt, Hindernisse abzubauen.