Dass sie an Politik- und Umweltfragen interessiert sind, haben die Elftklässler des Nellenburg-Gymnasiums bei einem Besuch des Bundestagsabgeordneten Andreas Jung bewiesen. Jung stammt aus Stockach, ist direkt gewählter Wahlkreisabgeordneter der CDU für den Wahlkreis Konstanz und einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU. Und die Schüler nutzten die Gelegenheit, ihm viele Fragen zu stellen. Es ging um Jungs politischen Werdegang, den Ukraine-Krieg, Schulden der Bundesregierung, Auswirkungen der Corona-Pandemie, aber auch um Nachhaltigkeit und Klimapolitik.
Ukraine-Krieg ist ein großes Thema
Ein Schüler wollte so wissen, ob es Entscheidungen gegeben habe, die Jung entgegen seines Gewissen getroffen habe. Als Abgeordneter dürfe er selbst entscheiden, welche Meinung er vertrete und wie er im Bundestag abstimme, erklärte der Politiker. „Ich habe schon anders als die Partei gestimmt, weil ich nicht zustimmen konnte.“ Manche Fragen seien unfassbar schwierig zu beantworten, beispielsweise die Bereitschaft, schwere, weitreichende Waffen an die Ukraine zu liefern. Er habe die Entscheidung aus Überzeugung mitgetragen, nachdem Kollegen, die in der Ukraine waren, berichtet hatten, was in den Dörfern passiert ist.
In der aktuellen Lage müssten gemeinsame Antworten gefunden werden, besonders im Hinblick auf die Ukraine und deren Wunsch, Teil der Europäischen Union zu werden, forderte Andreas Jung. An die Schüler gewandt sagte er: „Für mich war es in eurem Alter unvorstellbar, dass Polen, Ungarn oder Tschechien Teil der EU werden.“ Die Vision eines vereinten Europas habe aber nicht an der deutsch-polnischen Grenze geendet und dürfe nun an der polnisch-ukrainischen Grenze auch nicht enden.
Das Problem mit dem Gas
Andreas Jung sagte, er könne nicht einschätzen, wie sich die Lage in der Ukraine entwickeln werde. „Wir liefern Waffen an die Ukraine und gleichzeitig fließt viel Geld an Russland für Öl und Gas. Deshalb ist es richtig, so schnell wie möglich diese Zahlungen zu stoppen.“ Wegen der hohen Importanteile vor allem beim Gas sei dies jedoch nicht ganz schnell möglich. Doch, so bekräftigte er: „Jede Woche, in der in diesem Krieg Geld nach Russland fließt, ist eine schlechte Woche.“
Die Schüler fühlten dem Politiker ordentlich auf den Zahn: Warum man sich so abhängig von Russland gemacht habe, indem ein Großteil der Energie von dort komme, lautete eine Frage. Eine solche Abhängigkeit sei ein schwerer Fehler und eine schwere Hypothek in der jetzigen Situation, gab Andreas Jung zu. Man habe zurecht entschieden, aus der Kernenergie auszusteigen und auch aus der Kohle, um die Klimakrise zu bekämpfen. Gas als Brückentechnologie sei billig aus Russland gekommen.
Kritischere Haltung bei Handel mit Diktaturen
„Es war ein Fehler, zu glauben, Staaten, die miteinander handeln, würden keinen Krieg miteinander beginnen.“ Deutschland müsse mit Hochdruck alles tun, um sich aus der Abhängigkeit zu lösen. „Bulgarien und Polen wurde das Gas schon abgestellt. Energie wird als wirtschaftliche Waffe eingesetzt. Es ist kein freundlicher Handel möglich. Man kann auch nicht mit einem Kriegsverbrecher handeln.“
Andreas Jung bekannte, eine kritischere Haltung beim Handel mit Diktaturen sei notwendig. Er favorisiere Handelsabkommen mit Ländern, die grundsätzliche Werte teilen. Deutschland werde nie autark sein, denn es sei eine Exportnation und lebe vom Handel. „Wir haben als Industrieland einen enormen Energiebedarf und müssen alles tun, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu stärken und schneller voranzubringen, statt fossile Energien einseitig von Russland und Wasserstoff aus Afrika und woanders her zu bekommen.“
Nicht auf Kosten künftiger Generationen leben
Einige Schüler fragten auch nach der künftigen Belastung durch Schulden, die jetzt gemacht würden. Das Sondervermögen für die Bundeswehr müsse eigentlich Sonderschulden heißen, erklärte Andreas Jung und ergänzte, er sei sehr für Transparenz und Nachhaltigkeit und wolle nicht auf Kosten künftiger Generationen leben.
Man habe die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert und es über mehrere Jahre geschafft, keine Schulden aufzunehmen. Aber: „Dann kam Corona.“ Die Regierung habe hohe Schulden aufgenommen, um von der Insolvenz bedrohten Betrieben zu helfen. Aber es habe einen Tilgungsplan gegeben, das Geld in 20 Jahren zurückzuzahlen. Die neue Regierung wolle diese Zeitspanne strecken, das halte er für falsch. Er sagte, es müsse darum gehen, wie man Europa voranbringe, nicht wie man gemeinsam Schulden mache. „Wenn die schlimmen Krisen vorbei sind, müssen wir zurückkommen zu ausgeglichenen Haushalten.“
Andreas Jung machte klar, er sei für nachhaltiges Wachstum, denn ohne Wachstum gebe es auch kein Geld für den Klimaschutz. Die soziale Marktwirtschaft müsse weiterentwickelt werden zu einer sozialen und ökologischen Wirtschaft. Die politischen Entscheidungen müssten es ermöglichen, die Weichen so zu stellen, dass der Staat finanziert werde, Deutschland aber auch im internationalen Wettbewerb bestehen könne. Der Aspekt der alternden Gesellschaft sei besonders herausragend, man habe noch nicht alle Antworten, wie man der Entwicklung entgegenwirken könne. Hier sei ein Bündel von Maßnahmen nötig.