Das Bahnprojekt Stuttgart 21 soll teilweise erst 2027 in Betrieb gehen und damit später als geplant. Der Fernverkehr und ein Teil des Regionalverkehrs werden wie angekündigt ab Dezember 2026 in den neuen Tiefbahnhof fahren, ein Teil des Regionalverkehrs endet dagegen bis Juli 2027 weiter im alten oberirdischen Kopfbahnhof, wie die Deutsche Bahn (DB) in Stuttgart mitteilte.

Damit wollen die Projektpartner Deutsche Bahn (DB), Land, Stadt und Region Stuttgart überbordende Belastungen für die Bahnkunden im Jahr 2026 verhindern. Diese hätten bei einer kompletten Eröffnung angesichts vielfach gleichzeitig stattfindender Bauarbeiten gedroht.

Länger oben bleiben

Als Konsequenz daraus soll der bestehende Kopfbahnhof noch bis zur Eröffnung der verlängerten S-Bahn-Stammstrecke im Sommer 2027 in Betrieb bleiben und die Gäubahn noch bis März 2027 über die bisherigen Gleise zum Kopfbahnhof geführt werden. Danach endet die Gäubahn allerdings am S-Bahnhof Stuttgart-Vaihingen, bis der geplante Pfaffensteigtunnel fertiggestellt ist. Die Anrainerkommunen dieser wichtigen Verbindungsstrecke von Stuttgart nach Singen Richtung Zürich hatten gegen ein Abhängen einer ganzen Region massiv protestiert.

Gute Nachrichten für Gäubahn-Pendler

Für die Gäubahn-Nutzer sind das zunächst gute Nachrichten. Vor allem, dass die Gäubahn-Unterbrechung in Vaihingen um knapp ein Jahr verschoben wird: Statt nur bis April 2026, wie bislang vorgesehen, sollen die Züge von Zürich und Singen bis März 2027 weiter direkt zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren. Die Verschiebung hat den Vorteil, dass während des Ausfalls der sogenannten S-Bahn-Stammstrecke im Stuttgarter Nahverkehr die Direktanbindung noch besteht.

Danach allerdings verschlechtert sich die Anbindung der Bodenseeregion an die Landeshauptstadt: Erschwert wird das Fortkommen durch Arbeiten an der digitalen Infrastruktur im Zusammenhang mit S21. Dafür seien zwischen dem 8. März und dem 3. Juli 2027 Sperrungen auf der Gäubahn erforderlich, so der Lenkungskreis.

Einige Wochen sind zwei Umstiege nötig

In der ersten Phase (8. März bis 5. April) müssen die Reisenden aus dem Süden in Böblingen umsteigen und mit der S-Bahn über Vaihingen in die Innenstadt fahren. Vom 6. April bis 3. Juli sind sogar zwei Umstiege nötig: Die Gäubahn fährt bis nach Vaihingen. Von dort aus geht es aber nicht direkt in den Stuttgarter Kessel runter, sondern mit der S-Bahn zum Flughafen und von dort mit dem Regionalexpress weiter nach Stuttgart Hauptbahnhof.

Erst ab dem 4. Juli 2027 geht es am Vaihingen über die S-Bahn-Stammstrecke wieder direkt in die Innenstadt. Nach Angaben der Bahn soll sich durch den Umstieg in die S-Bahn die Fahrzeit nur minimal verlängern. Elf Minuten braucht die S-Bahn zum Hauptbahnhof, die Züge verkehren tagsüber im Zehn-Minuten-Takt. Auch abends sei die Anbindung gewährleistet.

Pfaffensteigtunnel geplant – aber nicht finanziert

Sorge macht allerdings der Blick in die Zukunft. Denn dass die Gäubahn einmal wieder bis Stuttgart Hauptbahnhof durchfährt, dafür braucht es den Pfaffensteigtunnel. Die bisherige Strecke in den Talkessel hinunter wird es dann nicht mehr geben, sie ist von der Stadt Stuttgart verplant. Der Pfaffensteigtunnel soll den Stuttgarter Flughafen ab dem Jahr seiner geplanten Fertigstellung 2032 direkt an die Strecke anbinden. Er wird etwa elf Kilometer lang sein und die Reisezeit zwischen Stuttgart und Zürich um rund 15 Minuten verkürzen. Baubeginn ist im Jahr 2026 vorgesehen. Doch in trockenen Tüchern ist das noch nicht.

Voraussetzung hierfür wäre eine gesicherte Finanzierung durch den Bund. Anfang Juli hatte die Bahn erstmals öffentlich eingeräumt, dass die Finanzierung des Pfaffensteigtunnels nicht steht. Auf einem Bahngipfel mit der baden-württembergischen Landesregierung bestätigte die DB die finanziellen Unsicherheiten.

Umso wichtiger sei deshalb, dass der Bund eine feste Finanzierungszusage macht, findet Andreas Jung, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Konstanz. Gemeinsam mit anderen Abgeordneten von CDU und SPD entlang der Gäubahn-Strecke hatte Jung erst kürzlich die Anliegen der Bahnkunden in der Region Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) deutlich gemacht.

Geld nur für Sanierung, nicht für Neubau?

Beim Bund liegt der Löwenanteil der Kosten für den Pfaffensteigtunnel: Knapp 1,7 der rund zwei Milliarden Euro sollen von dort kommen. Tatsächlich stellt die Bundesregierung mit ihrem Sondervermögen auch 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaschutz bereit. Allerdings sieht der Entwurf des Bundeshaushalts vor, dass im Kern-Haushalt Mittel für Aus- und Neubau gekürzt werden und aus dem Sondervermögen nur Sanierungen finanziert werden.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung | Bild: Bernd Weißbrod, dpa

Jung drängt auf Nachbesserung, das sei eine Frage der Glaubwürdigkeit: „Stuttgart 21 und die Gäubahn – das sind zwei Seiten einer Medaille. So war das Versprechen. Nun darf nicht die eine Seite glänzen und die andere verwittern“, so der Vorsitzende der CDU-Landesgruppe im Bundestag und Fraktions-Vize für Klimaschutz gegenüber dem SÜDKURIER.

Dass die Unterbrechung der Verbindung ein Jahr später komme, bewertet er positiv. „Aber die Planungen für den Übergang bleiben ein Tiefschlag für unsere Region. Das ist Rückschritt statt Fortschritt – und das darf nicht das letzte Wort sein.“ Umso wichtiger sei, dass der Pfaffensteigtunnel tatsächlich ab 2032 wie geplant komme. Dazu müsse die Finanzierung jetzt im Bundeshaushalt gesichert werden. Auch Neubau müsse mit den Mitteln aus dem Sondervermögen finanziert werden können, nicht nur Sanierungen.

„Viele Milliarden für ein Sondervermögen für Klimaschutz und Infrastruktur – und dann nichts für zusätzliche Investitionen in neue klimafreundliche Infrastruktur: Das wäre keinem Mensch vermittelbar“, sagt der Konstanzer Abgeordnete. Wenn Menschen Zug fahren sollen, dann müsse die Bahn attraktiv sein. „Und deshalb darf die Beschleunigung der Gäubahn nicht auf Sankt Nimmerlein vertagt werden.“