„Ein bisschen eine Atom-Schmiede“ sei Baden-Württembergs Energieversorger EnBW früher gewesen, sagt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Aber das sei nun, im Jahr 2025, glücklicherweise nicht mehr so.

Seit mehr als 14 Jahren ist der gebürtige Spaichinger Ministerpräsident von Baden-Württemberg, dem einstmals Atomkraft-lastigsten Bundesland der Republik. Wenige Monate vor Amtsantritt hatte ihm sein Vorgänger, der CDU-Mann Stefan Mappus, ein Ei gelegt und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion dem französischen Energieversorger EdF dessen EnBW-Anteile abgekauft. Kretschmann, der Grüne, der früher gegen die Atomkraft demonstriert hatte, stand nun mit einem Konzern mit fünf Kernkraftwerken da. Keine guten Startbedingungen.

Dafür Stand die EnBW noch vor wenigen Jahren: Blick auf das Kernkraftwerk Neckarwestheim im Jahr 2022.
Dafür Stand die EnBW noch vor wenigen Jahren: Blick auf das Kernkraftwerk Neckarwestheim im Jahr 2022. | Bild: DPA

EnBW will 50 Milliarden Euro in grüne Projekte investieren

Aus dem Problem von damals ist heute indes ein Instrument der Energiewende geworden. Bis 2030 will die EnBW, deren Mitarbeiterzahl in wenigen Jahren auf 30.000 angeschwollen ist, bis zu 50 Milliarden Euro in erneuerbare Energien investieren.

Bis 2028 will das Karlsruher Unternehmen seine Kohlekraftwerke stilllegen. Damit macht die EnBW grüne Politik. Und der MP hat seinen Frieden mit dem Unternehmen gemacht, hinter dem neben dem Land als zweiter Hauptaktionär auch die OEW, ein von oberschwäbischen Landkreisen getragener Zweckverband, steht.

Mehr noch: Kretschmann ist zum EnBW-Fan geworden. Dessen Chef, Georg Stamatelopoulos, sei ein „zupackender, umsichtiger und klar denkender Chef“. Er sei „einfach nur glücklich, dass unser Unternehmen so einen Chef“ habe.

EnBW-Chef Georg Stamatelopoulos (links) und Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf dem Gelände des Parks. Bei schätzen sich und ...
EnBW-Chef Georg Stamatelopoulos (links) und Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf dem Gelände des Parks. Bei schätzen sich und denken in Sachen Energiewende gleich. | Bild: Rosenberger, Walther

Als er das sagt, steht Kretschmann in der Scheune eines Hofes mitten auf der Schwäbischen Alb. Hier in Langenenslingen unweit der Landkreisgrenze zwischen Biberach und Sigmaringen, entsteht gerade ein „Leuchtturmprojekt“, wie Stamatelopoulos und Kretschmann es ausdrücken.

Auf einer Fläche von mehr als Hundert Fußballfeldern hat die EnBW hier in Rekordgeschwindigkeit Baden-Württembergs größten Solarpark hochgezogen. Mit einer Leistung von 80 Megawatt kann er theoretisch so viel Energie liefern, wie 30.000 Haushalte im Jahr verbrauchen. Wenn nicht gerade so ein Wetter ist wie heute. Der Dauerregen auf der sonst von vielen Sonnenstunden verwöhnten Alb, hat die Eröffnungsveranstaltung in die Scheune gezwungen.

Der Stimmung tut das keinen Abbruch. Ein Landrat aus Biberach spricht, der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Langenenslingen und der Landbesitzer, auf dessen Boden die fast 150.000 Solarmodule aufgeständert worden sind. Alle loben die Geschwindigkeit und den Zusammenhalt, der das ermöglicht habe.

Fast Chinese Speed – Auf der Alb geht es schneller als anderswo

Sogar ein Paar Feldlärchen, das im Schatten der Kollektoren seinen Nachwuchs ausgebrütet habe, habe es nicht geschafft, das Projekt nachhaltig zu verzögern. Der EnBW-Photovoltaik-Chef Thorsten Jörß, sagt, der Solarpark sei ein Musterbeispiel für „gelungene Genehmigungsverfahren“. Auf der Schwäbischen Alb herrscht ein Hauch von Chinese Speed, der sprichwörtlichen fernöstlichen Planungsgeschwindigkeit.

Andreas Schlumberger, Geschäftsführer des Branchenverbands Solar Cluster Baden-Württemberg fordert mehr Tempo beim Solar-Ausbau.
Andreas Schlumberger, Geschäftsführer des Branchenverbands Solar Cluster Baden-Württemberg fordert mehr Tempo beim Solar-Ausbau. | Bild: SCBW

Fragt man Experten, sehen die das Gesamtbild aber weniger rosig, als die an diesem Tag in Langenenslingen versammelten, rund 300 Bürger, Politiker und Wirtschaftslenker.

„Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir in Baden-Württemberg jedes Jahr zehn Solarparks in der Größenklasse des EnBW-Projekts in Langenenslingen“, sagt Andreas Schlumberger, Geschäftsführer des Branchenverbands Solar Cluster Baden-Württemberg (SCBW) dem SÜDKURIER. Um bei der Energiewende auf Spur zu bleiben, müsse man einen gehörigen „Zahn zulegen“.

Ausbauziele des Landes jetzt schon überholt

Zwischen Mannheim und Lindau sind nach Daten des SCBW aktuell rund 13.500 Megawatt Photovoltaik installiert. Das ist noch nicht einmal ein Drittel der Leistung, die laut Landesregierung bis 2040 nötig ist. 47.000 Megawatt – das entspricht der Nennleistung von knapp 50 großen fossilen Meilern – sollen dann im Land Ertrag bringen. Angesichts perspektivisch steigender Stromverbräuche halten viele Fachleute sogar 70.000 Megawatt für nötig. Demnach müsste sich das Solar-Ausbautempo im Land nahezu verdoppeln.

Kretschmann sagt, die Energiewende müsse nun billiger und besser synchronisiert werden. „Steuern, Abgaben und Entgelte“ müssten runter, also von der Verbrauchsrechnung der Kunden verschwinden. Und der Leitungsbau müsse schneller und günstiger werden.

Auch darüber sind sich an diesem Tag auf der Schwäbisch Alb alle einig.