Klimawandel, Flächenfraß, Artensterben – die Begriffe sind derzeit in aller Munde. Doch was haben sie mit dem Mobilitätsverhalten zu tun? Der „Runde Tisch Mobilität“ beschäftigt sich bereits im dritten Jahr mit Lösungsvorschlägen und -ideen, die zu einer klimafreundlichen Mobilität für die Bewohner von Stockach und Umgebung sowie eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur führen könnten. Denn diese Ziele wurden den Schutz der Natur und Umwelt, die Reduzierung von CO2 und Treibhausgasen fördern und somit auch dem Artensterben entgegen wirken.

Beim 15. „Runden Tisch Mobilität“ gab es einen kurzen Rückblick auf vergangene Veranstaltungen sowie den besonderen Fokus auf Mobility-on-Demand und dem krankheitsbedingt per Video zugeschalteten Referenten Daniel Stache, Verkehrsplaner im Nahverkehrsamt Tuttlingen. Nach kurzer Klärung des englischen Begriffs „Mobility on Demand“, stellte Daniel Stache das Tuttlinger Projekt vor, das sich noch in der Planung befindet.
Was der Begriff bedeutet
„Mobility-on-Demand“ bedeutet „auf Nachfrage“ oder „auf Abruf“, beschreibt also ein Verkehrsmittel, dass nur nach vorheriger Anforderung oder Buchung fährt. On-Demand-Verkehre sind heute neuartige, softwarebasierte, flexible Bedienformen im ÖPNV oder auch flächenhafte Bedarfsverkehre ohne festen Fahrplan und ohne festen Linienverlauf. Sie flexibilisieren den Busverkehr und sind in den Verbundverkehr integriert.
Das Projekt soll in Tuttlingen im Juni 2024 starten und zeichne sich aus durch eine durchgehende und flächenhafte Bedienung ohne Fahrplan und ohne feste Linienführung, also durch kürzere direkte Wege, sowie einen Lückenschluss im ÖPNV mit Anschlüssen an Bahn- und Buslinien und effiziente, barrierefreie Mobilität für alle.
Wie kann Mobilität auf Abruf funktionieren?
Die Dispositionssoftware beinhalt laut Stache ein Hintergrundsystem mit digitaler Leitstelle (Schaltzentrale), eine Fahrgast-App für Auskünfte, Buchung, Tickets und Bezahlung, eine Fahrer- oder auch Fahrzeug-App inklusive Navigation sowie eine Webbuchungsplattform. In der Buchungszentrale, welche in die Leitstelle des Verkehrsunternehmens integriert ist, würden telefonische Buchungen und Stornierungen angenommen werden.

An den Wochenenden sei die Erreichbarkeit ab 6 Uhr oder 7 Uhr, unter der Woche ab 16 Uhr und immer bis 24 Uhr gegeben. Die Zielmarke für die durchschnittliche Wartezeit liege bei 20 bis 30 Sekunden, in Stoßzeiten bei 45 Sekunden. Preislich würden in Tuttlingen zunächst einmal die Verbundtarifpreise ohne Zuschläge gelten. Man müsse aber abwarten, ob diese Preisgebung realistisch sei.
Kleinbusse sollen zum Einsatz kommen
Daniel Stache stellte auch die Fahrzeuge vor, die in Tuttlingen genutzt werden sollen: barrierefreie Niederflur-Kleinbusse auf Basis Mercedes Benz Sprinter in unterschiedlichen Kategorien als Acht-Sitzer oder als Kleinbus mit 29 Fahrgastplätzen zum Sitzen oder Stehen, mit Rollstuhl- oder auch Kinderwagenstellplatz, Klapprampe, automatischen Außenschwingtüren, sowie Bordcomputer und Fahrscheindrucker. Die Fahrzeuge können keine E-Fahrzeuge sein, denn dazu bräuchte man noch ein zusätzliches Ladekonzept und ein Netz mit Ladepunkten, so Stache.
Zuhörer haben viele Fragen
Die Fragen der Anwesenden zu diesem „unerschöpflichen Thema“, wie Stache es nannte, zu dem auch die Stadt Tuttlingen dann erst einmal Erfahrungen sammeln müsse, waren vielfältig. So wollte Gerhard Fecht (Fecht Omnibus) wissen, wie lange vor Fahrtantritt man eine Fahrt buchen müsse. Daniel Stache berichtet, da sei zwar bis zur Spontanbuchung alles möglich, jedoch sei es sinnvoller im Voraus zu buchen. Schließlich sei es ein öffentliches Angebot und kein Individualverkehr.
Eine weitere wichtige Frage drehte sich um die Finanzierung des „On-Demand-Verkehrs“ in Tuttlingen, welcher den Landkreis Tuttlingen pro Jahr rund 1,5 Millionen Euro kosten soll. Zehn Prozent der Kosten könnten durch Einnahmen gedeckt werden, 90 Prozent aber wären ein Minus, wie Stache vorrechnete. Zwar gebe es Zuschüsse und Förderungen, jedoch sei diese Förderkulisse dermaßen hochkomplex, dass man sie kaum verstehen könne.

Ob sich der Landkreis Konstanz sich auch schon mit einer solchen Projektidee beschäftigt habe, wollte Henrike Bischoff vom Grünen-Ortsverband Raum Stockach wissen. Hier konnte Gerhard Fecht berichten, dass es wohl bereits Bemühungen in diese Richtung gegeben habe, aber noch nichts Konkretes daraus geworden sei. Man brauche die richtigen, politischen Entscheidungen, Fürsprecher in Politik und Verwaltung, gemeinsames Anpacken, gute externe Beratung sowie Mut und Willen, um einen „On-Demand-Verkehr“ auf die Beine zu stellen, so Stache.
Bürgermeisterkandidatin Susen Katter war für die Idee Feuer und Flamme. Sie sagte: „Wenn man die Stockacher Innenstadt beleben will, muss man Angebote schaffen, wie die jungen Leute nachts nach Hause kommen.“ Dies gehöre zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und schließlich sei ein Taxi nicht für jeden leistbar.