Wollen Investoren nicht immer Geld verdienen? Kristina Moor, Achim Niess und Mathias Tonigold lachen bei dieser Frage. Natürlich haben sie beim Kauf der Immobilie auch an Kapital gedacht, erklärt Kristina Moor. Doch ginge im Fall des Badischen Hofes irgendwie auch beides: Kapitalismus und Menschlichkeit. Vor drei Monaten haben die drei neuen Besitzer des ehemaligen Gasthauses im Herzen von Stockach die Türen für Geflüchtete aus der Ukraine geöffnet. Der Plan war: Hier sollten Geflüchtete unterkommen, bis konkreter wurde, wie es mit dem Gasthaus in Zukunft weitergehen soll.
Noch vier Familien wohnen im Gasthaus
Zeitweise haben bis zu 30 Personen im Badischen Hof gewohnt, berichtet Kristina Moor. Aktuell seien noch vier Familien da, zwei Männer seien ebenfalls hinzu gekommen. Diese versuchen, ihre Familien nachzuholen. Eine der Bewohnerinnen ist hochschwanger, der erste Nachwuchs im Badischen Hof steht an. Doch nun sind die Pläne für den Umbau des Gasthauses fortgeschritten. Die Gästezimmer des Badischen Hofes wolle man zu Wohnraum umfunktionieren.
„Wir haben bereits die Nutzungsänderung beantragt“, erklärt Achim Niess. Dies dauere so sechs bis acht Wochen, schätzt er. Dann könnten in der Hauptstraße zehn neue Wohnungen entstehen. „Im Dachgeschoss gibt es noch Potenzial für einen Ausbau“, so Niess. Im Erdgeschoss möchten die drei Investoren die Gaststätte erhalten und sie einem Pächter überlassen.
Doch möchte keiner die Geflüchteten, die im Badischen Hof untergekommen sind, jetzt schnellstmöglich auf die Straße setzen. „Wir wollen niemanden rausschmeißen, da sind wir uns einig“, sagt Kristina Moor klar. Vielmehr sei es Ziel, die Menschen, die gerne bleiben möchten, zu ihren eigenen Wohnungen zu verhelfen. Dies habe bereits bei anderen Familien, die seit Kriegsbeginn im Badischen Hof Zuflucht gefunden hatte, gut geklappt, so Kristina Moor.
Ein Ort der Gemeinschaft
Und trotzdem ist das Gasthaus ein Ort der Gemeinschaft für alle geworden. Artiom Kovalov zum Beispiel wohnt nicht mehr im Badischen Hof: Er und seine Familie haben in der Region ihre eigene Wohnung gefunden. Außerdem fand er ab September einen Ausbildungsplatz gegenüber im Goldenen Ochsen. „Das macht uns richtig stolz“, so die Investorin. Da er bereits jetzt dort in der Küche jobbt, schaut er täglich im Badischen Hof vorbei. Auch viele ukrainische Kinder treffen sich hier zum Spielen.
Nicht nur für die Bewohner, sondern auch für die Investoren ist der Badische Hof ein besonderer Ort: Das Projekt hat die drei Parteien, das Ehepaar Kristina und Anatoli Moor sowie Achim Niess und Mathias Tonigold, erst zusammengebracht. Es ist das erste gemeinsame Projekt. Achim Niess kommt aus der Finanzbrache, Mathias Tonigold und das Ehepaar Moor kommen aus der Immobilienbranche.
Flexibilität ist wichtiger denn je
„Wir mussten hier unfassbar flexibel sein und uns den Umständen immer wieder anpassen“, beschreibt Mathias Tonigold die Lage. So zu arbeiten wie vor der Corona-Pandemie, sei auch in seiner Branche undenkbar. Deswegen wolle man abwarten, wie es sich entwickelt. Auch ein Teil-Umbau, so lange die Geflüchteten noch dort wohnen, könne sich Tonigold vorstellen. Den Druck, jetzt hier schnell Wohnungen auf den Markt zu bringen und zu verkaufen oder zu vermieten, verspüre keiner der dreien.
Doch haben sie die Zukunft fest im Blick. Gerne würden sie zum Beispiel eine Photovoltaikanlage auf das Dach des Badischen Hofes bauen. Mehr Unabhängigkeit im Bereich Energieversorgung sei dabei das Ziel, so Achim Niess. Doch sei dies in der Stockacher Innenstadt laut Bebauungsplan nicht erlaubt. Also müsse man weiter auf Gas und Öl setzen. Doch sie hätten sie einen Energieberater eingeschaltet, der ihnen eventuell andere Alternativen aufzeigen könne. Das Thema Energie haben sie aber erst einmal wieder etwas nach hinten geschoben.
Eine kurzfristigere Idee hat Achim Niess während dem Gespräch mit dem SÜDKURIER: Es soll einen ukrainischen Abend mit landestypischer Küche geben und allen, die den Badischen Hof und seine Bewohner besonders unterstützt haben.