In Stockach, einer Hochburg der schwäbisch-alemannischen Fasnacht, ist man in der glücklichen Lage, sich von Bildern auf die Narrensprünge der Erinnerung helfen zu lassen. Denn mehrere Eifrige, unter ihnen die Stockacher Fotografen-Familie Hotz, fotografierten und sammelten über mehrere Generationen und im Laufe von 120 Jahren tausende von Bilddokumenten zum närrischen Treiben in Stockach und seinen Ortsteilen.

Johannes Waldschütz, Leiter des Stockacher Stadtmuseums, stellte in einem Online-Vortrag etliche Bilderschätze der Stockacher Fasnacht der Öffentlichkeit vor. Es war eine Veranstaltung des Stadtmuseums Stockach, des Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte im Hegau Geschichtsverein und der Volkshochschule im Landkreis Konstanz.

Ab Ende des 19. Jahrhunderts

Die ersten Bilder stammen vom Ende des 19. Jahrhunderts und waren teils von Hand nachkoloriert. Ein besonderes Bild zeigt den Einzug von Prinz Karneval: zur Jahrhundertwende wollten die Narren modern sein und feierten die Fasnacht deshalb nach Art des Kölner Karnevals.

Glasplattennegative dokumentieren dann den großen Fasnachts-Umzug des Jahres 1914. Unter dem Motto „Märchen aus 1001 Nacht“ posieren Scheichs inmitten ihres Harems, und der „Kalif von Stockach“ ist bei einem Sommernachtsfest zu sehen. Alles schien bereits damals schwer durchdacht zu sein: sogar das Programmheft des Abendballs wird von einem Halbmond geschmückt.

Neben einem Harem und Janitscharen-Musik wurden für den Umzug im Jahr 1914 auch Tiere nachgebaut.
Neben einem Harem und Janitscharen-Musik wurden für den Umzug im Jahr 1914 auch Tiere nachgebaut. | Bild: Stadtarchiv Stockach/Archiv Gustav Hotz

Viel Lustiges und auch Skurriles war beim bildhaften Streifzug durch die Jahrzehnte zu entdecken. Die Exotik fremder Länder und Kulturen wurde aber häufig nicht auf politisch korrekte Weise dargestellt. Angebliche Chinesen trugen allesamt die gleichen Kegelhüte, hatten lange Schnurrbärte und sogen an langen Pfeifen. Und eine Gruppe von Menschenfressern mit Bast-Röckchen, sehr dunkler Hautfarbe und krausem Haar in Wahlwies setzte der Fremdenfeindlichkeit die Krone auf.

Sex-Streik in Stockach?

Der Museumsleiter sprach auch über die Rolle der Frauen: Diese hatten in den Fasnachts-Gremien zumindest offiziell nicht viel zu sagen. Sie hatten keine Ämter inne, durften lange keine Gruppierungen bilden und kein Häs tragen, besonders keines mit einer Maske.

Deshalb – so lautet die Mär – seien einige Stockacher Frauen in den 1930er Jahren in eine Art Sex-Streik getreten. Die Drohung, dass sonst Schluss mit dem Narrensamen sei, könne vielleicht zur Gründung der Alt-Stockacherinnen im Februar 1934 geführt haben. Dies sei jedoch nur eine vage Vermutung, erläuterte Waldschütz.

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Über dreißig Teilnehmer, diese nicht nur aus Stockach, sondern auch aus dem Schwarzwald, aus Goslar und sogar aus den USA, lauschten Waldschützs spannendem und unterhaltsamem Vortrag gebannt. Mit von der Partie war auch Angelika Schriever, geborene Wagner aus Hamden, Connecticut.