Das Interesse an der ersten Dialogveranstaltung zum geplanten Windpark nahe Watterdingen war groß, wobei sich herausstellte, dass der Meinungsbildungsprozess bis zum Bürgerentscheid keine interne Tengener Angelegenheit bleiben wird. So hatten sich zwei Windkraftgegner eingefunden, die eigens aus Herrenberg angereist waren. Doch auch in der Region gibt es Gegner der Windkraft, wie zum Beispiel Markus J. M. Bihler vom Bürger-Forum Hegau-Bodensee, der sich im Laufe der Veranstaltung mehrfach zu Wort meldete.
Insgesamt dürfte die Zahl der Teilnehmer aus der Region bei etwa 90 Prozent der Teilnehmer gelegen haben, der Großteil stammte aus Watterdingen, Tengen und den anderen Teilorten des Randenstädtchens. Einige Interessierte kamen aus den Nachbargemeinden wie aus Stetten oder Engen.
Die Frage des Bürgerentscheids, zu der ausschließlich die Tengener am 8. März mit ja oder nein antworten dürfen, lautet wie folgt: „Soll die Stadt Tengen die notwendigen städtischen Flächen zur Errichtung von drei Windkraftanlagen im Gewann Brand verpachten?“
Räte haben sich bereits festgelegt
Auf der bewaldeten Anhöhe nahe Watterdingen, die sich zu 100 Prozent im städtischen Besitz befindet, will Solarcomplex einen Windpark errichten. Ein einstimmiges Votum für das Projekt gab es bereits vom Gemeinderat von Tengen und dem Ortschaftsrat Watterdingen. Die Mandatsträger werben nun um die Zustimmung der Bevölkerung, eine zweite Dialogveranstaltung ist zu diesem Zweck im Februar geplant. Zudem sind Infoveranstaltungen in den Nachbargemeinden sowie Exkursionen zum Standort vorgesehen. Für die Koordinierung des Dialogs bis hin zum Bürgerentscheid ist die Translake GmbH mit deren Inhaber Wolfgang Himmel im Boot, mit der die Stadt Tengen schon beim Leitbildprozess zusammenarbeitete.
Strom für 30.000 Menschen
In seiner Eingangsrede ging Bürgermeister Marian Schreier auf den Klimawandel ein. Die Zukunft lasse sich formen, wobei man in Tengen gewiss nicht die Welt retten könne – er plädierte jedoch für einen aktiven Beitrag zur Einhaltung der Klimaziele. Durch die drei Windkraftanlagen könnten rund 30 Millionen KW/h Energie im Jahr produziert werden, was dem Strombedarf von etwa 30.000 Personen entspreche. Marian Schreier hob die Vorteile der Windenergie im Vergleich zu den anderen Technologien hervor, wobei der geplante Flächenverbrauch von vier Hektar im Vergleich zu Fotovoltaik mit 60 Hektar und zu Biogasanlagen, der nochmals um den Faktor 25 größer ist, deutlich besser ausfällt.
Zusatzeinnahmen für die Stadt
Kämmerer Tonino Cristiani wies ferner auf die Pachteinnahmen von etwa 120 000 Euro für die Stadt hin. Hauptamtsleiterin Friederike Häfeli gab zum Ablauf des Bürgerentscheids Auskunft, wobei eine wichtige Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit des Bürgerentscheids die Bestimmung ist, dass mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten Tengener ihr Votum abgeben. Zudem konnte man sich zum Genehmigungsverfahren informieren, zu den Abläufen, Fristen und welche Fachbehörden darin involviert sind.
Eberhard Koch vom BUND Naturschutzzentrum Westlicher Hegau gab zu Natur- und Artenschutz Auskunft, Kreisforstamtsleiter Bernhard Hake und der Tengener Revierförster Tobias Müller informierten über die Folgen des Klimawandels für den Wald. Solarcomplex war mit vier Infoständen präsent, wobei Vorstandssprecher Bene Müller zum Einfluss der drei jeweils etwa 240 Meter hohen Anlagen auf das Landschaftsbild Stellung bezog. Andreas Klatt, Vorstand der Genossenschaft „Bürger-Energie Bodensee“, die über die Betreibergesellschaft Hegauwind am Windpark Verenafohren oberhalb von Wiechs am Randen beteiligt ist, legte vorläufige Zahlen zu den Energieeinspeisungen (kW/h) bis November 2019 vor, die mit drei Prozent knapp unter dem Plan liegen.
Schlagabtausch
Etwas turbulenter ging es im Diskussionsteil der Veranstaltung zu, wobei insbesondere die Windkraftgegner Kritik am Charakter der Veranstaltung übten. Die Dialogveranstaltung werde von vornherein zu stark in bestimmte Bahnen gelenkt, was ihnen das Argumentieren erschwere. Zu einem verbalen Schlagabtausch kam es dabei zwischen Markus Bihler und Marian Schreier beim Thema Premiumwanderweg „Alter Postweg“, der oberhalb von Watterdingen entlangführt. Während Markus Bihler befürchtet, dass der Panoramablick über den Hegau aufgrund des Windparks so stark beeinträchtigt werde, dass Touristen ausblieben, führte Marian Schreier den Windpark Verenafohren bei Wiechs als Gegenbeispiel an, der das Gegenteil bewirkt habe und Touristen anziehe.
Debatte um Landschaftsbild
Die Veränderung des Landschaftsbilds aufgrund der 240 Meter hohen Windanlagen, die jene auf den Verenafohren um knapp 40 Meter überragen würden, ist dabei auch Thema in den Nachbargemeinden Stetten, Zimmerholz und Leipferdingen, die allerdings beim Bürgerentscheid außen vor bleiben. Etwas verwirrend verlief die Debatte bei den technischen Angaben von Solarcomplex und den Windkraftgegnern, die teils diametral voneinander abwichen.
Auch nach der Veranstaltung wurde noch viel diskutiert, wobei bei manchem Einheimischen zum Ausdruck kam, dass die Einmischung von außen nicht gern gesehen wird. Zum Abschluss bedankte sich Bürgermeister Marian Schreier für das rege Interesse und bat um eine konstruktive Haltung bei allen Beteiligten im Zuge des weiteren Dialogs.
Welchen Einfluss hat die Windenergie auf die Auslastung von Wasserkraftwerken?
- Eines der Themen bei der Diskussion um die drei geplanten Windkraftanlagen bei Watterdingen drehte sich um die etwaige Beeinträchtigung von bestehenden Wasserkraftwerken am Hochrhein. Die Einschätzung dazu von Solarcomplex: „Wegen des Windparks im Hegau werden die Wasserkraftwerke am Hochrhein nicht abgeregelt.“ Das Bürger-Forum Hegau-Bodensee sieht das anders: „Schon jetzt werden die Rheinkraftwerke zeitweise wegen des nicht bedarfsgerecht verfügbaren Windstroms gedrosselt“, behaupten die Windkraftgegner.
- In einer schriftlichen Stellungnahme zu der Frage betont Alexander Lennemann, der Leiter Kommunikation der Energiedienst Holding AG in Laufenburg, dass hierzu viele Halbwahrheiten im Umlauf seien. Seine Antwort in Kürze: Die Stabilität des Stromnetzes, bei der der Verbrauch zeitgleich immer dem der Erzeugung entsprechen muss, ist Aufgabe der Übertragungsnetzbetreiber. Um dies zu gewährleisten, stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung – so können Leistungen von Kraftwerken auf dem Markt gekauft werden oder man kann auf Kraftwerksreserven zurückgreifen. Den Übertragungsnetzbetreibern wird beispielsweise angeboten, die Leistung der Wasserkraftwerke herunterzufahren, wenn dies notwendig ist, um die Stabilität des Stromnetzes zu halten. Inzwischen seien die Prognosen bei Wind und Sonne sehr zuverlässig, so dass dies selten der Fall sei. Das Herunterfahren der Anlagen sei dabei durch die Konzessionsgeber beschränkt. „Wir dürfen die Kraftwerke höchsten zu 50 Prozent drosseln und über das Jahr verteilt dürfen maximal drei Prozent der durchschnittlichen Jahresproduktion verloren gehen“, so heißt es in der Stellungnahme weiter.