Der zweite Wahlgang der Bürgermeisterwahl in Tengen scheint die Massen zu bewegen. Bei der zweiten Kandidatenvorstellung der Gemeinde platzt die Randenhalle nämlich fast aus allen Nähten: Mehr als 800 Menschen wollen sehen, wie sich die acht Kandidaten für den zweiten Wahlgang präsentieren. Drei sind aus dem ersten Wahlgang bekannt, fünf neue kamen dazu.

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Immer wieder fallen an diesem Abend die Worte „Der Wahlkrimi vom Randen“. Auch Bürgermeister Marian Schreier hebt die Bedeutung der Wahl zur Begrüßung hervor: „Bei dieser Wahl ist Vieles nicht so ganz alltäglich – auch eine zweite Kandidatenvorstellung nicht.“ Dabei standen die Kandidaten in der Reihenfolge auf der Bühne, die es auch auf dem Stimmzettel geben wird.

Sven Müller.
Sven Müller. | Bild: Freißmann, Stephan

Sven Müller, ein Bürgermeister für alle Ortsteile

Sven Müller (27) nutzt seine ersten Worte, um sich für die vielen Stimmen im ersten Durchgang zu bedanken. Danach richtet er seinen Blick auf Themen, die bisher laut seiner Einschätzung zu kurz gekommen seien. Etwa der Binninger Baggersee. 95 Prozent der Wasserversorgung komme aus dem Tiefbrunnen Im Sand in unmittelbarer Nähe des Baggersees. Sollte sich eine Verschlechterung des Wassers durch die Badegäste bemerkbar machen, wolle er die Kontrollen am Baggersee ausweiten. Zudem müsse man die Menschen dazu bewegen, keinen Müll in der Natur liegen zu lassen. Weiter wolle er Streuobstwiesen erhalten, dazu gehöre für den 27-Jährigen auch die Renovierung der Mosterei in Beuren.

Infrastrukturell wolle Müller nachbessern und zwar bei den Straßen, dazu gehören auch Kreisstraßen. „Wir haben ein Recht auf gute Kreisstraßen – auch mit Blick auf die Erhöhung der Kreisumlage“, so Müller. Das Schloss Blumenfeld wolle er in eine eigene Gesellschaft überführen und den Breitbandausbau forcieren. „Mein Ziel ist es, das es schnellstmöglich Glasfaser in jedem Haus und jeder Firma gibt.“ Denn eines stehe für Müller fest: „Ich möchte ein Bürgermeister für alle Ortsteile sein.“

Heiko Strauß.
Heiko Strauß. | Bild: Freißmann, Stephan

Heiko Strauß und der Traum vom Bürgermeister

Heiko Strauß (49) hat einen Traum schon seit frühster Kindheit. Und der heißt: Bürgermeister zu werden. „Ich bin niemand, der für Stillstand steht“, verspricht er am Rednerpult. In Tengen sei nun die Zeit gekommen, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Obwohl reden nicht seine Stärke sei, verspricht Strauß am Mikrofon eine Steigerung im Vergleich zur ersten Kandidatenvorstellung. Vor zwei Wochen hatte er die Redezeit von zehn Minuten nicht gänzlich ausgeschöpft. So viel sei vorab verraten: Dieses Mal schafft es Strauß über die Redezeit-Ziellinie.

Vorhaben nennt auch Strauß: Der Feuerwehr-Neubau müsse beschleunigt werden, er wolle die Dialoge mit den Ortsvorstehern in kürzeren Abständen suchen und einen Freizeittreff für Jugendliche schaffen. Zudem gibt Strauß viel Privates preis: Etwa, dass die Eroberung seiner Frau ihn mehr Mut gekostet habe, als am Montagabend auf dem Podium in der Randenhalle zu stehen.

Markus Bauermeister.
Markus Bauermeister. | Bild: Freißmann, Stephan

Extrem wichtig für Markus Bauermeister

Wie kräftezehrend der Wahlkampf in Tengen ist, erfährt Markus Bauermeister (34) an diesem Abend am eigenen Leib: Nach zwei Stunden auf dem Podium lässt er sich einen Stuhl bringen, die Knie werden nach einer noch nicht ganz auskurierten Krankheit weich. Ansonsten hat Bauermeister eine ganze Liste an Themen im Schlepptau, die er sehr wichtig findet. Etwa den Ausbau der Breitbandversorgung oder den Ausbau der Kinderbetreuung in den Ortsteilen. Ohnehin liegt in Tengen einiges im Argen. „Der Nachwuchs in Tengen fehlt“, ruft er ins Mikrofon und erntet damit ein Raunen aus dem Publikum.

Langfristig wolle er Tengen energieautark gestalten und Bauen, das sei auch „sehr wichtig“. Mit Blick auf den Binninger Baggersee, der auf einmal bei fast allen Kandidaten aus dem ersten Wahlgang eine größere Bedeutung einnimmt, hat er eine klare Meinung: „Kein illegales Baden am und im Baggersee.“ Das Ende seiner Rede kommt dann überraschend: „Das war‘s dann eigentlich von mir“, sagt Bauermeister kurz bevor das Mikro ausgeschaltet wird.

Fabian Kern.
Fabian Kern. | Bild: Freißmann, Stephan

Fabian Kern und die schlafende Familie

Fabian Kern (37) beginnt seine Rede mit einer Klarstellung: „Ich will kein Bürgermeister sein, der seine Familie nur schlafen sieht.“ Was er damit meint? Das Bild eines Bürgermeisters, der 60 bis 70 Stunden in der Woche arbeite und rund um die Uhr angerufen werden könne, habe dazu geführt, dass er sich im ersten Wahlgang nicht gemeldet habe. Er werde die Aufgaben des Bürgermeisters im Falle seiner Wahl ernst nehmen, aber im Einklang mit seiner Familie. Energiewende und Mobilität sind ihm wichtig. Kern wolle die Erzeugung von erneuerbaren Energien vorantreiben.

Beim Thema Mobilität habe Tengen Aufholbedarf. Dem wolle Kern mit dem Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für E-Autos, einer Verdoppelung der Passagiere im ÖPNV und dem Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur in Tengen entgegentreten. „Es gibt in den Teilorten Straßen ohne Gehwege, an denen die Autos mit 50 Kilometern pro Stunde vorbeifahren“, sagt er. Zu den Pflichtaufgaben zähle für ihn die Unterbringung von Flüchtlingen, der Ausbau der Kinderbetreuung, die Digitalisierung und günstiger Wohnraum.

Gertrud Homburger.
Gertrud Homburger. | Bild: Freißmann, Stephan

Gertrud Homburger und der Heimvorteil

Gertrud Homburger (59) will auch an diesem Abend mit Verwaltungserfahrung und ihrem kommunalpolitischen Werdegang punkten und setzt auf den Heimvorteil. Von 1999 bis 2019 saß sie für die CDU im Gemeinderat, 15 Jahre davon als Bürgermeisterstellvertreterin. „Ich habe unter Beweis gestellt, dass ich das Amt des Bürgermeisters meistern kann“, betont sie. Homburger habe über mehrere Monate den damaligen Bürgermeister Helmut Groß vertreten. „Die größte Aufgabe war damals der Umbau der Kita in Tengen“, schildert sie. Dieser Umbau ermögliche heute das gute Betreuungsangebot in Tengen.

Anpacken wolle sie beim Thema Feuerwehrneubau, Schulmensa, Hochwasserschutz in Watterdingen, Breitbandausbau in den Ortsteilen, Flüchtlingsbetreuung und der Ortsmitte in Tengen. „Diese Themen sind Pflichtaufgaben, aber sie stellen die Gemeinde vor Probleme, die es zu lösen gilt“, sagt sie. Eine solide Finanzpolitik und der Abbau der Schulden der Stadt seien ihr wichtig. Das Schloss Blumenfeld bleibe ein Zuschussbetrieb, trotzdem sei es wichtig, dass die Stadt das Schloss weiter finanziell unterstütze.

Selcuk Gök.
Selcuk Gök. | Bild: Freißmann, Stephan

Selcuk Gök will anpacken und zwar richtig

„Ich heiße nicht Ritzi, Meßmer oder Maus“, sind die ersten Worte von Selcuk Gök (26), die mit Applaus quittiert werden. Damit spielt er auf seinen Migrationshintergrund an – und sieht darin keinen Hinderungsgrund für seine Wahl zum Bürgermeister. Tengen zeichne für ihn vor allem das große Engagement der Bürger aus, denn in jedem Ortsteil gebe es Bürger, die anpacken und nicht darauf warten, dass etwa von alleine passiert. Als Beispiele nennt er den Bürgertreff Linde in Büßlingen oder das genossenschaftliche Ärztehaus. „Ich kann und will genauso anpacken für die Stadt Tengen und allen Ortsteilen“, betont der 26-Jährige. Er wolle Kontinuität auf den Bürgermeisterstuhl in Tengen bringen. Verwaltungserfahrung bringe er mit und das sei auch gut so.

Gök gibt ein Beispiel: Der Neubau der Feuerwehr bedürfe Fördermittel, das Aufstellen eines Bebauungsplanes und Geschick bei den Finanzen. „Ich muss als Bürgermeister wissen, wie Verwaltung funktioniert“, sagt Gök. Er wolle aber nicht nur verwalten, sondern auch die Zukunft gestalten. Ziele sind: die Fortführung des Leitbildes 2030, der Mensa-Neubau, ein bedarfsgerechter Ausbau der Kindereinrichtungen, ein dauerhaftes Nutzungskonzept des Schloss Blumenfeld, der Breitbandausbau und solide Sportstätten. „Ich möchte ein Bürgermeister für alle sein – mit unverstelltem Blick von außen. Ich bringe das Rüstzeug mit“, so Gök.

Thomas Wezstein.
Thomas Wezstein. | Bild: Freißmann, Stephan

Thomas Wezstein will das Ruder herumreißen

Thomas Wezstein (51) will im Wahlgang mit seiner kommunalpolitischen Erfahrung punkten. Er sitzt seit 1999 im Blumenfelder Ortschaftsrat, seit 2009 für die Freien Wähler im Gemeinderat, seit 2019 als Fraktionsvorsitzender. „Ich bringe Erfahrung mit, Sitzungen zu leiten“, betont der 51-Jährige. Er wisse, wie man Personal führe, Verwaltungsprozesse optimiere und wo Haushaltsmittel eingesetzt und Fördergelder beantragt werden.

Vor dem ersten Wahlgang habe er in viele besorgten Mienen geschaut, deshalb habe er sich nun entschieden, für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren. Er wolle nun das Ruder herumreißen. „Ich habe großen Respekt vor der Aufgabe als Bürgermeister, aber ich traue mit diese Aufgabe mit einem guten Team im Rathaus zu“, so Wezstein. Den Breitbandausbau habe er auf der Agenda, ebenso den Ausbau der erneuerbaren Energien und wolle neue Photovoltaik-Anlagen schaffen. „Aber mit Augenmerk. Vorrang haben die Dächer der städtischen Gebäude vor dem Verbrauch von landwirtschaftlichen Flächen“, so Wezstein. Hinzu komme die Erweiterung des Gewerbegebietes. „Es kann nicht sein, dass Firmen aus Tengen abwandern“, sagt er.

Roland Weibezahl.
Roland Weibezahl. | Bild: Freißmann, Stephan

Roland Weibezahl und das längste Blumenfeld

Roland Weibezahl (53) ist der große Unbekannte an diesem Abend. Er sei ein riesiger Europa-Fan. Das Amt des Bürgermeisters habe ihn schon länger fasziniert. Für ihn sei es aber nur bedingt ein Verwaltungsjob. „Ein Bürgermeister muss auch gestalten können“, sagt er. Seine Ideen für Tengen sind gewöhnungsbedürftig, wie das Raunen bei deren Vorstellung, das in der Randenhalle zu hören ist, beweist. Weibezahl wolle das längste Blumenfeld Europas schaffen. „Von Blumenfeld nach Blumberg“, ruft er den Zuhörern zu. Gesponsert werden solle das ganze Vorhaben von Landbaubetrieben.

Zudem wolle er drei E-Autos in Tengen etablieren, die ehrenamtlich von Fahrern gefahren werden sollen und Bürger mitnehmen. Zudem könne er sich ein Wohnmöbel-Repräsentationshaus im Schloss Blumenfeld vorstellen und wolle eine Städtepartnerschaft angehen. „Das hat Tengen bisher noch nicht.“