In den sozialen Netzwerken wird viel geschimpft und beschimpft, doch nur wenige Fälle landen vor Gericht. Laut dem bayerischen Forschungsinstitut für digitale Transformation wird nur etwa die Hälfte der Fälle gemeldet. Im Fall eines 63-jährigen Rentners aus dem Hegau war das anders. Er musste sich wegen Hetze im Internet gegen Muslime und Politiker in zwei Facebook-Einträgen vom August und September 2024 vor dem Amtsgericht Singen verantworten.

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Wie der einzige Zeuge im Verfahren, der ermittelnde Polizeibeamte aus Rottweil, informierte, kam die Anzeige über die Meldestelle Respect zum Bundeskriminalamt, von dort zum Landeskriminalamt und dann zur zuständigen Polizeidienststelle. Das Bundeskriminalamt geht auch mit Aktionstagen gegen Hass und Hetze im Netz vor.

Meldestelle unterstützt und berät gegen Hetze

Respect, das von der Jugendstiftung Baden-Württemberg getragen wird, unterstützt und berät bei Hetze im Netz. Sie prüft an sie gemeldete Einträge und gibt sie, wenn sie sie für strafbar hält, an die Strafverfolgungsbehörden weiter.

Die Staatsanwaltschaft Konstanz sah in dem Fall einen Verstoß wegen Volksverhetzung gegen hier lebende Muslime und stieß die Ermittlungen an. Die Identität des Verfassers sei eindeutig gewesen, auch seien die Einträge ihm eindeutig zuzuordnen, berichtete der ermittelnde Beamte.

In den beiden Facebook-Einträgen, die inzwischen gelöscht sind, erklärte der 63-Jährige unter anderem, dass das Volk aus dem Morgenland ganze Stadtviertel terrorisieren würden, dass Muslime rauben, verprügeln und vergewaltigen würden, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.

„Vier Ehefrauen und 25 Kinder“

Menschen aus vielen anderen Ländern würden sich integrieren, schreibt der Verfasser sinngemäß, während von Muslimen endlose Forderungen nach der Einhaltung muslimischer Feiertage, Halal-Essen und Moscheen kämen. Sie hätten vier Ehefrauen und 25 Kinder und keine Zeit zu arbeiten. Ihre Kultur sei eine „fanatische Primatenkultur“.

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„Klemmt Euch Eure Wunderlampe unter den Arm, setzt Euch auf Euren Teppich und fliegt zurück hinter den Bosporus oder nach Afrika“, rät der 63-Jährige auf seinem Profil. Eine Aufforderung, die sich in diesem Wortlaut auch auf anderen Facebook-Profilen findet. In dem zweiten Eintrag war von „dreckigen Politikern“ die Rede, die „verarschen, betrügen und belügen“ und dass man diese ins Gulag, das sind Straf- und Arbeitslager in der damaligen Sowjetunion, abschieben müsse.

Das meiste, was der Angeklagte verfasst habe, sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt, machte Oberstaatsanwalt Hendrik Többens klar. Es sei eine kritische und überspitzte Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des Islam auf die deutsche Gesellschaft.

Angriff auf die Menschenwürde

Mit der Verwendung des Wortes „Primatenkultur“ überschreite er jedoch die Grenze, indem der Angeklagte die Muslime als Affen beschreibe und damit als minderwertige Wesen. Er spreche ihnen damit die Menschenrechte ab und greife ihre Menschenwürde an, was den Tatbestand der Volksverhetzung erfülle.

Auch mit der Forderung, Politiker ins Gulag abzuschieben, sah der Staatsanwalt den Tatbestand der Volksverhetzung als erfüllt an. Diese Aufforderung würde den öffentlichen Frieden stören und zu Hass anstacheln. Er forderte für beide Fälle eine Gesamtstrafe von 100 Tagessätzen zu je 50 Euro.

Verteidiger Daniel Zimmet plädierte aus zwei Gründen auf Freispruch: Zum einen sei nicht sicher, dass sein Mandant der Verfasser der Äußerungen sei. Jeder andere hätte sich an seinen Computer setzen können oder sein Profil hätte gehackt werden können. Zum anderen sei die Gruppe, die sein Mandant in seinen Facebook-Einträgen beschreibt, nicht eindeutig als Muslime definiert.

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Menschen aus dem Morgenland müssten nicht zwangsläufig Muslime sein. Seinem Mandanten gehe es darum, dass Leute, die hier Straftaten begehen, das Land verlassen müssten, erklärte der Verteidiger. Es gehe außerdem darum, dass Bürger Kritik äußern dürften, ohne jedes Wort auf die Goldwaage zu legen oder dass sie Angst haben müssten, dafür bestraft zu werden. Der Rentner selbst äußerte sich vor Gericht nicht.

Kein Zweifel am Inhaber des Profils

Richter Bastian Hoenig erklärte, dass für ihn kein Zweifel bestehe, dass das Facebook-Profil dem 63-jährigen Angeklagten zuzuordnen sei, weil er das Profil unter seinem vollen Namen führt und das Profilbild ihn selbst zeigt. Dass die beiden Einträge vom Angeklagten stammen, stehe für ihn ebenfalls außer Frage. Sie würden ins Bild des gesamten Profils passen, das nationalsozialistische Tendenzen aufweise.

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Dass mit dem Eintrag Muslime gemeint seien, gehe für den Richter eindeutig durch die Erwähnung von muslimischen Feiertagen, Halal-Essen und Moscheen hervor. Viele der Beschimpfungen seien zwar grenzwertig und geschmacklos formuliert, aber nicht strafbar. Der Ausdruck „fanatische Primatenkultur“ erfülle aber den Tatbestand des Volksverhetzung. Er spreche den Muslimen das Menschsein ab, mache sie böswillig verächtlich und das sei nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Vom zweiten Anklagepunkt, den Angriff auf die Politiker, sprach Hoenig den Angeklagten frei, er sei sehr allgemein formuliert und mit der Abschiebung ins Gulag könne auch eine verschärfte Form des Gefängnisses gemeint sein. Der Richter verhängte deshalb eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen á 50 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.